Band Band: Die Adler fliegen in die Dunkelheit
Halle/MZ. - Den Rücktritt vom Rücktritt haben sie bereits vor mehr als einem Dutzend Jahren mit einem ironischen Kommentar versehen, der ihren eigenen Schwur in sein Gegenteil verkehrte: Als die Eagles 1994 in Aspen Wiedervereinigung feierten, nannten sie das daraus entstandene Live-Album "Hell freezes over" - weil die Masterminds Don Henley und Glenn Frey lange behauptet hatten, dass ein Zufrieren der Hölle wahrscheinlicher sei als eine Reunion ihrer gemeinsamen Band.
Mit biblischem Vokabular operiert nun auch das erste Studio-Album nach 28 Jahren, mit dem das amerikanische Quartett aus dem Stand alle Verkaufsrekorde brach. Doch diesmal begeben sich die Country-Rocker auf die "Long Road out of Eden". Dass man die zwanzig Songs mit genau denselben Vokabeln loben und tadeln kann, ist auf den einschlägigen Fanseiten bereits in epischer Breite nachzulesen. Tatsächlich scheint die Reise genau dort anzuknüpfen, wo 1979 "The Long Run" endete - der perfekte Satzgesang und die hymnischen Gitarren, die großen Melodiebögen und die filigran ausziselierten Details. Doch bei wiederholtem Hören - und bei der Lektüre des patinierten Booklets - wird klar, dass die Eagles inhaltlich längst im Hier und Heute angekommen sind.
Im epischen, mehr als zehnminütigen Titelsong erinnert die Band daran, dass der paradiesische Garten einst ein orientalischer Ort war - und damit dort zu suchen wäre, wo nun für die Interessen Amerikas gestorben wird. "Jemand flüstert den 23. Psalm / Ein staubiges Gewehr in zitternden Händen / Jemand versucht, einfach am Leben zu bleiben / er hat Versprechen zu halten / jenseits des Ozeans in Amerika". Im Gegenschnitt zu dieser Nahaufnahme zeigen Gitarrist Frey und Drummer Henley mit ihren Mitstreitern Joe Walsh und Timothy B. Schmit die "good ol' USA", beschwören den Weg nach Damaskus und den Geist von Julius Caesar - ein apokalyptisches Gemälde, dem ein zartes Instrumentalstück von kaum anderthalb Minuten nachgereicht wird - "I dreamed there was no War."
Man mag kaum glauben, dass hier gesetzte Herren um die 60 am Werke sind - und darf sich zugleich daran erinnern, dass die Mainstream-Begeisterung für die Eagles schon immer auf einem Missverständnis basierte. "Hotel California", diese vermeintliche Hymne der Hippie-Generation, war ja im Kern eine paranoide Begegnung mit einer suchtkranken Gesellschaft. Und auch der Klassiker "Tequila Sunrise" erzählte eher vom schweren Kopf als vom klaren Blick.
Mit solchen Irritationen müssen die Fans auch weiterhin leben: Unter den Fotos zur CD findet sich neben den Porträts der Bandmitglieder im Wüstensand auch das Bild einer Bohrinsel, auf der das schwarze Blut der westlichen Welt gefördert wird. Das ist sicher auch als eine solidarische Geste für den Umwelt-Aktivisten Al Gore zu verstehen, dessen Aufklärungskampagne Don Henley unterstützt.
Dass die Eagles in den USA andererseits einen Exklusiv-Vertrag mit der turbo-kapitalistischen Supermarkt-Kette Walmart geschlossen haben, deren Verkaufserfolg für das Doppelalbum sogar eine Änderung der Chart-Regeln erzwang, mag man aus europäischer Sicht inkonsequent finden. Auf dem amerikanischen Markt aber dürfte es als ein Beweis gewertet werden, dass man ein aufrechter Patriot bleiben und dennoch seine Meinung zur aktuellen Regierung revidieren kann. "Das beste Weiße Haus, das man für Geld kaufen kann" ist jedenfalls ein Ort, an dem man die zu Friedenstauben gemauserten Adler nicht finden wird.
Überraschend freilich ist das Finale dieser Reise in eine dunkle Welt: Ausgerechnet jene Songs, die vom "Center of the Universe" handeln und "It's your World now" versprechen, sind ganz und gar privat gemeint: "Das ist nicht das Zentrum des Universums / aber es ist der Ort, an dem ich sein will." Dass die Band übrigens nach dem Erscheinen der CD erklärt hat, ihr gemeinsames Oeuvre sei damit definitiv beendet, gibt nur wenig Anlass zur Beunruhigung. Denn in der Hölle ist es immer noch ziemlich kalt.