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Ausstellung in Schönebeck Ausstellung in Schönebeck: Expressionistin aus Salze

Von Kai Agthe 05.11.2014, 09:25
Katharina Heises Ölgemälde „Modell im Atelier“ (um 1920) und „Zwei Akte“ (überarbeitete Version, nach 1950)
Katharina Heises Ölgemälde „Modell im Atelier“ (um 1920) und „Zwei Akte“ (überarbeitete Version, nach 1950) Jens Wolf/dpa Lizenz

Schönebeck - Selbstbewusst und doch mit leichter Unsicherheit im Blick schaut die Künstlerin auf einem Foto, das sie wohl um das Jahr 1940 im Atelier zeigt. Der linke Arm lehnt locker auf dem Untersatz einer Büste, an der sie gerade arbeitet, und die rechte Hand steckt in der Tasche ihres weißen Kittels. Die Arbeitsbekleidung ist wie die, die sie trägt, etwas in die Jahre gekommen. Und: Der Kittel ist entschieden zu klein. Einzig das Band hält ihn noch zusammen. Die Abgebildete ist die Künstlerin Katharina Heise aus Schönebeck.

Arbeiten aus 50 Jahren

In der Geschichte der expressionistischen Kunst ist sie leider nur eine Randnotiz. Sehr zu Unrecht, wie jetzt die große und – gemessen an dem noch nicht vollständig ausgewerteten Nachlass – doch nur ausschnitthafte Ausstellung „Die (Un-)Vergessene?“ deutlich macht. Die ist anlässlich ihres 50. Todestages im Salzlandmuseum Schönebeck zu sehen.

In der aus mehreren Gebäuden bestehenden Einrichtung am Marktplatz im Ortsteil Salzelmen sind kubistische Gemälde, expressionistische Grafiken und naturalistische Plastiken Katharina Heises aus mehr als 50 Schaffensjahren zu sehen, die von zahlreichen privaten Dokumenten flankiert werden. In Salze, wie Salzelmen bis heute von den Einheimischen genannt wird, wurde Katharina Heise 1891 als Tochter eines reichen Großgrundbesitzers geboren. Gemeinsam mit ihrer Schwester Annemarie (1886-1937) teilte sie von frühauf die Liebe zur Kunst.

Gegen den Willen des Vaters

Karl Heise sah das nicht gern. Nur widerwillig gestattete er seinen beiden Töchtern, in Magdeburg eine Ausbildung zur Sekretärin zu absolvieren. So ebneten sich Katharina und Annemarie den Weg zur Kunst, belegten bald Kurse an der Magdeburger Kunstgewerbeschule, um wenig später in einer anderen Elbestadt, in Dresden, ihre Studien fortzusetzen. Die wurden 1913/14 von einem Aufenthalt in Paris bekrönt. Dort nahmen sie Unterricht bei Félix Valloton (1865-1925). Für 1914 war abermals ein Paris-Aufenthalt vorgesehen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vereitelte das. Die Heise-Schwestern ließen sich in Berlin nieder. Dort wurde Katharina Teil des Kunstbetriebs. Allerdings nicht unter ihrem bürgerlichen Namen, sondern unter dem Pseudonym „Karl Luis Heinrich Salze“. Das setzt sich aus den Vornamen von Vater und Großvater sowie ihrem Geburtsort zusammen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Katharina Heise mit Gebrauchskeramik ihren Lebensunterhalt bestritt.

So zeichnete Heise auch die Grafiken, die von ihr in „Der Aktion“, einer der maßgeblichen expressionistischen Zeitschriften, veröffentlicht wurden und in Schönebeck in Auswahl zu sehen sind. Erst 1931 trennt sie sich von dem Deck- und zeichnet fortan mit Klarnamen.

Keramiken für Lebensunterhalt

Viel Zeit, um Anerkennung zu finden, bleibt nicht. Die Nazis ächten die Künstlerin wegen ihrer „entarteten“ Kunst, in der DDR gerät sie später wegen ihrer großbürgerlichen Herkunft in Misskredit. Deshalb geht sie in den 50er Jahren dazu über, mit der Herstellung von Gebrauchskeramik ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch diesbezügliche Beispiele werden in Schönebeck gezeigt. In ihre Heimatstadt war die Wahl-Berlinerin bereits 1942 zurückgekehrt. Dort lebte sie bis zum Tod 1964.

Ähnlich wie die Gemälde, die im Duktus von Expressionismus, Kubismus und Neuer Sachlichkeit gehalten sind, überraschen in der klug komponierten Schau auch die Grafiken Katharina Heises. Ob Holzschnitt oder Lithografie, ob Naturalismus oder abstrakter Expressionismus - hier öffnet sich ein künstlerischer Kosmos.

Zuletzt wird auch ein Einblick in die Werkstatt der Bildhauerin gewährt. In den 20er Jahren überwiegen Bildnisbüsten: Ein Japaner und Heises Magdeburger Kunstlehrer Adolf Rettelbusch sind hier ebenso vertreten wie eine Büste von Ernst Niekisch. Zum Berliner Freundeskreis des Politikers gehörte seinerzeit auch der Schriftsteller Ernst Jünger („In Stahlgewittern“).

Viele Arbeiten sind verschollen

Nicht wenige plastische Arbeiten Heises sind verschollen. So auch jene archaische Frauenfigur mit maskenhaftem Gesicht, die die Künstlerin „Urweib“ (1924) betitelte. Wie Frank Löbig, Mitarbeiter des Salzlandmuseums sagte, sei das wichtige Frühwerk aber nicht im Dritten Reich, sondern zu DDR-Zeiten verloren gegangen. Zu den verschollenen Arbeiten zähle auch Heises Büste von Max Liebermann.

Und die aktuelle Retrospektive zu Katharina Heise veranstalten zu können, verdankt sich nicht zuletzt dem Umstand, dass die Nachlassverwalter ihren letzten Wunsch nicht respektierten: Laut Testament sollten alle Arbeiten nach Heises Tod zerstört werden.

„Die (Un-)Vergessene? - Katharina Heise“, bis 2. Januar, Salzlandmuseum Schönebeck, Pfännerstr. 41 (mz)

Katharina Heise
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Museum/Archiv Kiel Lizenz