Ausstellung Ausstellung: Greifswald entdeckt den Maler Feininger
Greifswald/MZ. - Die Kirche von Gelmeroda, die Erfurter Barfüßerkirche und die Marktkirche in Halle - das sind Meisterbilder der Klassischen Moderne und ihr Schöpfer Lyonel Feininger ein Maler des Mitteldeutschen. Letzteres stimmt und stimmt nicht. Denn Feininger ist auch ein Künstler, der die Ostsee beharrlich zu seinem Gegenstand gemacht hat, und als solcher nun zu entdecken. Ruinen und Kirchen als steinerne Monumente interessieren ihn hier auch; aber mehr noch die flüchtigen Naturerscheinungen - Meer, Wolken und Licht. Ebenso die Schiffe.
Bilder von der Natur
Auf die Insel Rügen kommt Feininger 1887 zum ersten Mal, von 1909 bis 1911 hält er sich immer wieder auf Usedom auf, danach in mehreren Badeorten an der Ostseeküste in Hinterpommern - 1935 zum letzten Mal. In dieser Zeit entstehen Bleistift- und Kohlezeichnungen vor der Natur, die er verwirft oder in Ordnern abheftet und aus denen später Holzschnitte, Aquarelle und Ölgemälde hervorgehen. Die Kirchen von Benz und Zirchow im Usedomer Hinterland, die Mündung der Rega, Strand-, Meer- und Himmelsbilder gehören dazu. Zu mehreren Motivreihen sind einige dieser zwischen 1911 und 1954 entstandenen Arbeiten in einer Ausstellung im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald gruppiert. "Vom Sujet zum Bild" ist sie treffend betitelt. Die zuvor in Schwerin gezeigte Schau wurde leicht verändert und um zusätzliche Arbeiten Feiningers ergänzt.
Eine Ausstellung, in der man schaut und staunt. Einmal, weil das Museum so viele Zeichnungen und Aquarelle des Künstlers besitzt, die es hier präsentiert. Dann aber auch, weil der Betrachter den Verwandlungsprozess direkt nachvollziehen kann, den ein Motiv von der "Natur-Notiz", wie Feininger sie nannte, bis zum Ölgemälde durchläuft. Nicht immer sind diese Reihen vollständig, was wohl mit fehlenden Leihgaben zu erklären ist.
Anschaulich wird hier auch, dass Feininger keine lineare Abfolge von der Naturstudie zur endgültigen Abstraktion favorisierte, sondern an diesen Motiven immer weiter arbeitete - an vielen ein Leben lang. Auf der Suche nach seinen künstlerischen Möglichkeiten änderte er beharrlich Perspektiven, Hintergründe und Strukturen, so dass eigenständige Bilder dabei entstanden. Mehr als nur Plauderpost und eine gute Vertiefung des Gesehenen sind die Briefe, die Feininger von den Ostsee-Aufenthalten an seine Frau Julia schickt. In dem informativen Katalog zur Ausstellung sind sie auszugsweise nachzulesen. Darin werden die Motive, die dem Maler vor die Augen treten, zum Anlass, über Linien, Flächen und Farben zu reflektieren. Das sind nicht selten poetische Wortbilder, die er da malt - in einem Stimmungsspektrum von romantisch bis apokalyptisch.
Suche nach der Form
Obwohl Feininger die Suche nach der gültigen Form und die Gestaltung des bildnerischen Raumes antrieb, wird hier der Zauber des Atmosphärischen deutlich, dem er zuvor erlag. Bei all dem Lobenswerten ist den Kuratoren ein kleiner Fauxpas gelungen. Ein Aquarell, das den Blick durch eine Greifswalder Innenstadt-Gasse auf den Dom zeigt, hat Feininger irrtümlich mit "Stralsund I" betitelt. In der Ausstellung aber sucht man es vergebens. Nur als Kunstdruck ist es am Ausgang im Museumsladen zu haben - ein wunderbar ironischer Fingerzeig auf die Lücke in einer Schau, die man ansonsten belehrt und bereichert verlässt.
Bis zum 28. Oktober, geöffnet Di-So 10-18 Uhr