Architektur Architektur: Ist das noch Gaudi?

Barcelona/Madrid/dpa. - Bis zur Fertigstellung dürften noch weitere 20Jahre vergehen. Aber das Bauwerk ist schon jetzt zu einem Wahrzeichender zweitgrößten spanischen Stadt geworden. Es lockt 2,8 MillionenBesucher im Jahr an, fast ebenso viele die Alhambra in Granada,Spaniens bedeutendste Touristenattraktion.
Der Erfolg scheint den Bauherren Recht zu geben. Dennoch wurde inletzter Zeit heftige Kritik laut. Ein Zusammenschluss von Künstlernund Architekten hält den Bauherren vor, die ursprünglichen Idee desBaumeisters Antoni Gaudí verraten zu haben. «Die Planungen stehen imGegensatz zu denen von Gaudí», heißt es in einem Manifest der Gruppe.«Die Arbeiten sind ein einziges Ärgernis. Niemand kann mehr sagen, wodas Werk des Autors anfängt und wo es aufhört.»
Zu den mehr als 100 Unterzeichnern des Manifests gehöreneinflussreiche Intellektuelle wie die Direktorin der Miró-Stiftung,Rosa Malet, oder der Präsident der Tàpies-Stiftung, Miquel Tàpies.Der Direktor des Madrider Königin-Sofía-Museums, Manuel BorjaVillell, meinte: «Was da entsteht, hat mit Gaudí nicht mehr viel zutun. Es geht es nur noch darum, eine touristische Attraktionhochzuziehen.»
Die Kirche der Sagrada Familia (Heilige Familie) ist ursprünglichein Werk des großen katalanischen Baumeisters Gaudí. Der Mitbegründerder Stilrichtung des «Modernisme» - des katalanischen Gegenstück zumdeutschen Jugendstil oder des französischen Art Nouveau - war 1926unter den Rädern einer Straßenbahn ums Leben gekommen. Seitherführten verschiedene Architekten das Projekt fort.
Die Nachfolger beteuerten immer wieder, das Vorhaben «im GeisteGaudís» vollenden zu wollen. Sie standen dabei allerdings vor einerSchwierigkeit. Ein großer Teil der ursprünglichen Baupläne war imspanischen Bürgerkrieg (1936-1939) verloren gegangen. Außerdem hatteGaudí sich durch eine exzentrische Arbeitsweise ausgezeichnet undseine Entwürfe während der Arbeiten immer wieder spontan geändert.
Nur ein kleiner Teil der Basilika wurde zu Gaudís Lebzeitenerrichtet. Heute erstreckt sich das Bauwerk auf eine dreimal so großeFläche. Das Hauptschiff ist überdacht, und es können dortGottesdienste abgehalten werden. Von den 18 Türmen, die die Kirchebekommen soll, stehen acht. Der höchste Turm soll 170 Meter hoch sei,13 Meter höher als der Kölner Dom.
Gegen das Bauvorhaben hatte es auch früher schon Proteste gegeben.In den 50er Jahren forderte eine Unterschriftenaktion, die Arbeiteneinzustellen und das Bauwerk unvollendet zu lassen. Der Initiativeschlossen sich auch die berühmten Baumeister Le Corbusier und WalterGropius an. In den 90er Jahren entbrannte ein heftiger Streit um dieStatuen, die der Künstler Josep Josep Maria Subirachs für eineFassade erstellte und die nach Ansicht von Kritikern nicht zum StilGaudís passen.
Die in einer Stiftung zusammengeschlossenen Bauherren plagtderzeit noch ein anderes Problem. In unmittelbarer Nähe der Basilikasoll ein Eisenbahntunnel für die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke vonBarcelona nach Frankreich gebaut werden. Die Stiftung sieht in demVorhaben eine Gefahr für die Basilika.