Architektur Architektur: Frühere Villa von Thomas Mann wird jetzt nachgebaut

München/dpa. - Die legendäre Münchner Villa, in der Thomas Mann mit seinerFamilie 20 Jahre lang lebte, wurde 1952 abgerissen. Nun baut einkunstsinniger Bankmanager auf dem Gelände ein Privathaus, dessenFassade aussieht wie das einstige Dichterdomizil. Bis Ende des Jahreswill Bauherr Alexander Dibelius, Deutschland-Chef der internationalenBank Goldman Sachs, die Rekonstruktion fertig stellen lassen.
Die Villa der Familie Mann im feinen Stadtteil Bogenhausen warEntstehungsort von Weltliteratur und Schauplatz vieler Erzählungendes Schriftstellers. Im Arbeitszimmer des Hauses schrieb Thomas Mannden «Zauberberg» und die ersten beiden «Joseph»-Romane. Die Villaselbst schilderte er in der Erzählung «Unordnung und frühes Leid» alsgeborgenes Zuhause.
Anders als in anderen Städten entsteht in München keinöffentliches Museum auf dem ehemaligen Besitz des Nobelpreisträgers.«München und Thomas Mann, das ist ein schwieriges Verhältnis,» sagtDirk Heißerer. In seinem Buch «Im Zaubergarten. Thomas Mann inBayern» befasst sich Heißerer, Vorstand des Thomas-Mann-Förderkreisesin München, auch mit der «Poschi», wie die Mann-Kinder die Villaliebevoll nannten.
Von 1933 an diente das beschlagnahmte Gebäude den Nazis als«Lebensborn» für die «Züchtung nordischen Geblütes», wie Klaus Mannangeekelt schreibt, als er 1945 als amerikanischer Soldat daszerbombte Elternhaus wiedersieht. Thomas Mann verkaufte dasGrundstück 1952. Nach mehreren Besitzern wurde das GrundstückDibelius 2001 von einer Maklerin angeboten. Der 45-Jährige griff zuund die Stadt erlaubte den nach Originalbauplänen aus derStaatsbibliothek angelehnten Wiederaufbau. Die Fassade der neuen«Poschi» sieht der alten zum Verwechseln ähnlich.
Für den neuen Besitzer wurde der Hausbau zur Passion: Der Thomas-Mann-Förderkreis darf die Villa bereits für Veranstaltungen nutzen.Autor Dirk Heißerer führt literarische Spaziergänge an derweltbekannten Fassade vorbei. Eine Besonderheit unter denBogenhausener Villen wird die Poschingerstraße 1 also bleiben, auchwenn die Stadt es versäumt hat, ein Thomas-Mann-Haus zu gründen.