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Architektur Architektur: Dresdner Frauenkirche neu geweiht

30.10.2005, 13:02
Infokarte zur Weihe der Dresdner Frauenkirche (Grafik: dpa)
Infokarte zur Weihe der Dresdner Frauenkirche (Grafik: dpa) dpa

Dresden/dpa. - Vor derKirche verfolgten am Mittag mehr als 60 000 Menschen die Feier aufgroßen Leinwänden. Der Bischof von Coventry, Colin Bennetts, rief amAbend in einem ökumenischen Gottesdienst zur Versöhnung derChristen auf.

Unter großem Andrang öffnete das Gotteshaus nach der offiziellenWeihe für die ersten Besucher, die seit dem frühen Morgen auf diesenAugenblick gewartet hatten. An der Zeremonie nahmen zahlreicheEhrengäste teil, darunter Bundespräsident Horst Köhler unddie Botschafter der vier Siegermächte. Das englische Königshaus wardurch den Herzog von Kent vertreten. Unter den rund 1700 geladenenGästen waren auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seinedesignierte Nachfolgerin Angela Merkel (CDU).

Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl bezeichnete denWiederaufbau als «Werk der Versöhnung und Mahnung zum Frieden». Indem von den Briten geschenkten Kuppelkreuz könne jeder ein großes,anrührendes Werk der Versöhnung sehen. «Auch eine tiefe, lange Zeitblutende Wunde kann geheilt werden. Aus Feindschaft kann versöhnteGemeinschaft erwachsen, die Frieden möglich macht.» BundespräsidentKöhler würdigte den Wiederaufbau als gesamtdeutsche Leistung. «Washier in Dresden erreicht wurde, sollte Deutschland insgesamt Mutmachen», sagte er in seiner Festrede. Die Kirche sei auch ein«Signal, dass nie wieder Krieg sein darf».

Die zwischen 1726 und 1743 erbaute Kirche war nach Bombenangriffenbritischer und amerikanischer Flugzeuge im Februar 1945 eingestürzt.Mit der Wende in der DDR kehrte die Hoffnung der Dresdner auf einenWiederaufbau zurück. Nachdem die Trümmer aus der Ruine geräumt waren,begann 1994 der Wiederaufbau. Rund 600 000 Spender aus aller Weltgaben reichlich 100 Millionen Euro für das Vorhaben. Insgesamtkostete die originalgetreu wiedererrichtete Kirche 179,7 MillionenEuro. Sie gilt auch als große Gemeinschaftsleistung einstigerKriegsgegner.

Für US-Botschafter William R. Timken gibt die Frauenkirche ein«Beispiel für das, was die Menschheit bewirken kann, wenn sie esrichtig anpackt». Schröder nannte sie ein «Mahnmal gegen Krieg». Essei zugleich Verpflichtung, für den Frieden zu kämpfen. Merkel sprachvon einem Signal für die deutsch-britische Freundschaft. BischofBennetts wandte sich in seiner Predigt entschieden gegen Gewalt undHass im Namen Gottes. «Das Streben nach politischer Macht vollziehtsich allzu leicht unter dem Deckmantel der Religion.» Die Folge seischreckliche Gewalt. Bennetts mahnte zum Miteinander von katholischerund evangelischer Kirche. «Schuldbeladen sind wir alle, wirvergessen allzu gern das bittere Erbe unserer Gespaltenheit», sagteer. «Die ökumenische Einsicht sagt uns, dass uns viel mehr vereintals trennt.»

Das Aufeinander-zu-Gehen erfordere echte Toleranz, die mit Respektvor der Verschiedenheit des Anderen einhergehen müsse. Zudem solltenBrücken zu nichtchristlichen Glaubensgemeinschaften in der Weltgebaut werden. Religion werde oft verständlicherweise verachtet. «Wirkönnen das nur ändern, wenn Religionen ihre Furcht voreinander undihr Misstrauen gegenüber abbauen.» Auf dem Platz vor der Kirchewarteten in der Dunkelheit zahlreiche Menschen auf eine Gelegenheit,einen Blick in die Kirche zu werfen. Sie wird nach dem ersten,ausverkauften Orgelkonzert zwei Stunden vor Mitternacht bis zumMorgengrauen für «gestaltete Besichtigungen» geöffnet. Stündlichkönnen dann wieder 1200 Menschen bei Orgelmusik und Psalmtexten innehalten.