Antony Hermus Antony Hermus: Reiseleiter im Reich der Töne
DESSAU/MZ. - Die wichtigste Frage anjeden Dessauer Generalmusikdirektor beantwortetbereits die Visitenkarte: Als Leitsatz desDirigenten findet sich dort Richard WagnersAusspruch "Musik ist die Sprache der Leidenschaft".Und weil Antony Hermus glaubhaft versichert,dass er dieses Zitat nicht erst mit Blickauf sein künftiges Engagement am AnhaltischenTheater gewählt hat, ist er im "Bayreuth desNordens" nun offenbar am richtigen Ort angekommen.
Mit Beginn der kommenden Saison wird der35-jährige Niederländer hier die Nachfolgevon Golo Berg antreten, dem er nach seinenersten Begegnungen mit dem Orchester ein großesKompliment macht. Die Anhaltische Philharmoniesei flexibel und offen, bei der ersten Begegnungwären die Musiker spontan seinen Vorstellungengefolgt und hätten sich in Bestform präsentiert.Das war einer der Beweggründe, warum Hermusseine eben erst gewonnene Freiheit zugunsteneines festen Engagements aufgab. Ebenso wichtigaber waren seine Erfahrungen mit "flüchtigenMomenten", auf die man als Gastdirigent reduziertwird: "Ich bin einer, der gern baut!"
Diese Eigenschaft hat der 1973 in Oosterhoutgeborene und parallel zum Wirtschaftsinformatikersowie zum Dirigenten ausgebildete Antony Hermusbislang im westfälischen Hagen erproben können.1998 kam er als Praktikant an das Theater,wurde quasi aus dem Stand Korrepetitor, dannerster Kapellmeister - und war nach nur fünfJahren schon Generalmusikdirektor. 2007 wurdeer von den nordrhein-westfälischen Kritikernzum zweitbesten Chefdirigenten in dem orchesterreichenBundesland gewählt, nahm aber wegen der dauerndenFinanzkrise zugleich seinen Abschied aus Hagen.Dass seine Agentur seither keine Mühe hatte,den Terminkalender zu füllen, sorgt nun fürÜberschneidungen mit den Dessauer Plänen:"Das ist natürlich ein Problem - aber eigentlichmüsste man stutzig werden, wenn es diese Sorgennicht gäbe. Denn das hieße ja, dass ich keineAlternativen hätte."
So denkt Antony Hermus: An jeder Herausforderungkann und muss man wachsen. Und Theaterarbeitist immer ein Prozess, den man nur zusammengestalten kann - mit den Musikern und Sängern,aber auch mit dem Publikum. Deshalb lobt erauch das "gemeinsame Energieniveau" und die"gleiche Wellenlänge", die er im Team deskünftigen Generalintendanten André Bückergefunden hat. Und deshalb hat er schon imVorfeld viele Fragen gestellt, die ihm späterseinen Einstieg in Dessau erleichtern sollen:"Je kompletter das Bild, desto leichter dieArbeit", sagt der Mann mit dem jungenhaftenLachen, der sich trotz seiner im Steigflugabgebrochenen Informatik-Karriere nicht alsKopfmensch sieht. "Bei mir kommt alles vomHerzen."
Dass sein Repertoire inzwischen weit über200 sinfonische Werke und mehr als 40 Opernumfasst, spricht für den generalistischenAnspruch des Dirigenten: "Spezialismus", sagter, "wäre in dieser Phase meines Lebens beängstigend".Natürlich interessieren ihn - auch auf Grundder starken niederländischen Barock-Tradition -die mitteldeutschen Großmeister des 18. Jahrhunderts.Aber auch Kurt Weill ist ihm nahe, "Mahagonny"hat er dirigiert und die "Dreigroschenoper"als Pianist begleitet. Diese Bandbreite befähigtAntony Hermus auch zu dramaturgisch ausgefeiltenKonzert-Planungen. Sein Prinzip erklärt erkulinarisch: "Auf Krabbencocktail darf mankeine Pommes servieren."
Dass er damit freilich nicht der deutschenSchubladen-Trennung von E- und U-Musik dasWort redet, hat Antony Hermus in Hagen immerwieder gezeigt: Neben Beethoven und Bruckner,Mozart und Tschaikowski gab es Konzerte mitdem Deep-Purple-Pianisten Jon Lord und derDeutschrock-Band Extrabreit, mit einem Zigeunergeigerund einem Kabarettisten. Im "Scratch-Konzert"studierte er mit 500Laien Orffs "CarminaBurana" ein. Und auf CD liegt eine Orchester-Adaptionvon Wagners "Tristan und Isolde" vor, dieder niederländische Schlagzeuger Henk de Vliegerkomponiert hat.
Dass Antony Hermus all das in sich vereinenkann, liegt an einem einfachen Rezept: "Manmuss den eigenen Weg immer wieder in Fragestellen". Die Konstante seiner Reise, aufdie er möglichst viele Hörer mitnehmen will,ist jedoch die Musik - Wagners "Sprache derLeidenschaft" oder (laut Hermus) "die universalsteSprache" in der man Menschen begeistern kann.