25 Jahre Mauerfall 25 Jahre Mauerfall: Wer sagt heute noch "Jammerossi" und "Besserwessi"?

Mannheim/dpa. - Viele Wörter, die um die Zeit des Mauerfalls in Mode waren, sind heute fast vergessen, andere haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Manche klingen inzwischen nicht mehr so abwertend wie vor 25 Jahren. Sprachwissenschaftler forschen zu Fragen nach dem Aufkommen und Verschwinden von Wörtern rund um die deutsche Teilung sowie zu deren Bedeutungswandel.
"Aus der russischen Besatzungszone wurde eben die DDR"
Die „Zone“ zum Beispiel geht auf die Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. „Aus der russischen Besatzungszone wurde eben die DDR, die der Westen nicht anerkennen wollte. Bei den Ostdeutschen kam das Wort gar nicht gut an“, sagt Sprachwissenschaftlerin Doris Steffens vom Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS).
Die jahrzehntelange Teilung hinterließ ihre Spuren, auch im Vokabular der Menschen - viele von ihnen erzählen eine Geschichte. „Ossi“ und „Wessi“ seien zum Beispiel Inbegriffe für die Schwierigkeiten des Vereinigungsprozesses, erläutert die Forscherin, die sich schon in der DDR an der Akademie der Wissenschaften mit Sprache beschäftigte. Ihren sehr negativen Zungenschlag haben die beiden Begriffe aus ihrer Sicht inzwischen weitgehend eingebüßt.
Wie Ostdeutsche von einigen Westdeutschen nach der Wende gesehen wurden - undankbar und jammernd - zeigt der Ausdruck „Jammerossi“. Andersherum war es nicht besser: Das Klischee vom besserwisserischen, arroganten Westler brachte den „Besserwessi“ hervor. Beide Begriffe sind heute seltener zu hören als direkt nach dem Mauerfall.
„Wende“ mittlerweile ein neutraler Ausdruck
Andere Wörter aus dem Dunstkreis der deutschen Teilung sind hingegen noch immer sehr präsent, mit am stärksten wohl die „Wende“: „Wenn wir heute „Wende“ hören, denken wir sofort an 1989“, sagt Steffens. „Das Wort hat also ganz schön Karriere gemacht. Es steht sogar mit dieser Bedeutung im Duden.“ Der letzte Staatschef der DDR, Egon Krenz, gelte als der Erstverwender des Wortes. „Er sprach im Oktober 1989 davon, eine Wende einzuleiten, wollte aber keine wirkliche Richtungsänderung.“
Bürgerbewegung und SED hätten beide für sich beansprucht, die „Wende“ eingeleitet zu haben, erläutert Sprachforscher Manfred Hellmann. „Die Bürgerbewegung hat gewonnen - auch den Kampf um die Hoheit über die Wörter.“ Heute habe sich die „Wende“ eingebürgert als relativ neutraler, wenn auch blasser Ausdruck für ein sehr emotionales Ereignis. „Das Wort Wende hat sich so weitgehend durchgesetzt, weil es so wenig aussagt über die politische Einstellung des Sprechers.“
„Antifaschistischen Schutzwall“
Manchen Begriffen ist hingegen ihr ideologischer Gehalt stark anzumerken. „Die Bürgerbewegung sprach von revolutionärer Erneuerung, später von Umbruch oder demokratischem Aufbruch“, erläutert Hellmann. „Die Westzeitungen sprachen vom Zusammenbruch des SED-Regimes.“ Friedliche oder sanfte Revolution, Wandel, Veränderung, Umsturz, Reform, Wiedervereinigung - neben „Wende“ gibt es viele Möglichkeiten, das zu benennen, was 1989 passierte. „Später kam noch Zusammenbruch dazu, aber erst im Nachhinein“, sagt Hellmann. Und was im Westen der „Eiserne Vorhang“ war, nannte das Ost-Regime „Antifaschistischen Schutzwall“.
Seit den späten 60er Jahren bis zum Mauerfall wurde in Westdeutschland sogar diskutiert, ob die Teilung am Ende auch die deutsche Sprache teilen würde, wie der Mannheimer IDS-Forscher Albrecht Plewnia erzählt. „Es war der Ausdruck einer politischen Sorge: Wenn nicht bald etwas passiert, bekommen wir sogar zwei unterschiedliche Sprachen.“ Das habe aber wohl niemand ganz ernsthaft geglaubt. Die Teilung habe denn auch die deutsche Sprachlandschaft nicht grundlegend durcheinandergewirbelt. „Die Ost-West-Teilung läuft den historischen Dialektgrenzen total zuwider.“