Werk in Genthin Werk in Genthin: Waschmittelfirma wankt
Halle/Genthin/MZ - Dem Wasch- und Putzmittel-Hersteller Hansa Group AG mit seinem großen Produktionswerk in Genthin steht das Wasser offenbar bis zum Hals. Wie das börsennotierte Unternehmen aus dem Landkreis Jerichower Land mitteilte, konnten „die Vereinbarungen zur Reduzierung der Finanzverbindlichkeiten bei Hansa Group AG unerwartet und überraschend nicht vollständig umgesetzt werden.“ Der Vorstand prüfe nun „weitere Sanierungsoptionen ergebnisoffen“.
Die Kreditgeber haben den bereits vereinbarten Sanierungsplan so nicht mitgetragen. Dieser sah vor, die Finanzverbindlichkeiten in Höhe 109 Millionen Euro auf 46 Millionen Euro im Spätsommer 2014 zu reduzieren. Auf MZ-Nachfrage, ob nun eine Insolvenz des Unternehmens drohen könnte, sagte Hansa-Sprecherin Silvia Kostova: „Der Vorstand hält das Unternehmen weiter für sanierungsfähig und -willig.“ Dafür holt sich Hansa den Sanierungsexperten Bernd Depping ins Haus. Die bisherigen Vorstände Thomas Pfisterer und Dominik Müser wurden „mit sofortiger Wirkung als Vorstandsmitglieder abberufen.“
Land fördert Investition
Depping ist in Sachsen-Anhalt kein unbekannter. Der Essener Rechtsanwalt sollte 2012 als Sachverwalter helfen, das insolvente Solarfirma Sovello in Bitterfeld-Wolfen zu sanieren - hatte aber keinen Erfolg.
Die Hansa-Gruppe galt lange als Vorzeige-Unternehmen. Die Firma übernahm 2009 Teile des Henkel-Werkes in Genthin. Henkel hatte den Traditionsstandort aufgegeben. Im Jahr 2011 wurde das Waschmittelwerk ausgebaut. Für 50 Millionen Euro entstand eine neue Tensidanlage. Tenside werden in Wasch- und Spülmittel eingesetzt, sie unterstützen das Ablösen von Schmutzteilen aus festen Stoffen. Das Land Sachsen-Anhalt förderte die Investition. Über die Höhe konnte das Wirtschaftsministerium gestern noch keine Auskunft geben. Finanziert haben das Projekt zudem nach früheren Angaben die Nord/LB und die Sparkasse.
Das Waschmittelwerk Genthin steht in der Nachfolge einer großen Tradition und übernimmt ein Stück deutscher Chemiegeschichte: Das Werk Genthin wurde 1921/22 von Henkel erbaut. Bereits 1923 rollte in Genthin das erste Persil-Waschmittel für Henkel vom Band. In der DDR wurden in Genthin jährlich 210 000 Tonnen Waschmittel etwa der Marke Spee hergestellt. Im November 1990 erwarb Henkel den Standort zurück und baute ihn für einen dreistelligen Millionenbetrag aus. Überraschend zog sich der Konzern 2009 zurück. Hansa übernahm einen Teil der Anlagen.
In Genthin werden mit 150 Mitarbeitern Vorprodukte und Waschmittel hergestellt. Ebenfalls 2011 wurde Hansas juristischer Firmensitz von Duisburg nach Genthin verlegt. Die Verwaltung arbeitet aber weiter am Rhein. Eine weitere Hansa-Sparte, die Produktion von Putzmitteln, ist in Greven (Nordrhein-Westfalen) angesiedelt. Hansa stellt die Produkte nicht unter einer eigenen Marke her, sondern im Auftrag von großen Handelsunternehmen.
In die Verlustzone gerutscht
Die wirtschaftliche Entwicklung blieb in der Vergangenheit jedoch hinter den gesteckten Zielen zurück. Im Geschäftsbericht für das 3. Quartal 2013 schreibt das Unternehmen: „Im bisherigen Geschäftsverlauf ist das von uns erwartete Wachstum in den Segmenten Chemicals und Consumer Products ausgeblieben.“ Der Umsatz in den ersten neun Monaten 2013 schrumpfte wegen des Verkaufs von Geschäften um 22 Prozent auf rund 251 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Nach Unternehmensangaben fiel ein Verlust von 13,6 Millionen Euro an. Im Vorjahr hatte noch ein Gewinn (EBIT) von knapp zwölf Millionen Euro zu Buche gestanden.
Ende April informierte die Hansa Group AG die Deutsche Börse, dass sich die Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2013 verzögert. Bisher wurde er noch nicht veröffentlicht. In den letzten Monaten trennte sich Hansa bereits von vielen Leiharbeitern. Die Zahl der festen Mitarbeiter wurde nach Firmenangaben weitgehend stabil gehalten. Der Betriebsrat im Waschmittelwerk Genthin wollte sich gestern nicht zur Situation äußern.
Die Aktionäre reagieren auf all diese Nachrichten geschockt. Vor einem Jahr kostete die Aktie noch mehr als drei Euro, nun sind es etwa 92 Cent. Allein gestern sackte die Kurs zeitweise um mehr als 25?Prozent ab.