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Verspätung Verspätung: Bahnkunden haben Anspruch auf Entschädigung

Von Peter Kirnich 26.09.2013, 09:06
Eine junge Frau wartet in Berlin auf dem Bahnhof-Wedding auf die S-Bahn.
Eine junge Frau wartet in Berlin auf dem Bahnhof-Wedding auf die S-Bahn. dpa Lizenz

Berlin/MZ - Unwetter, Erdrutsch, Suizid, Streik: Es gibt viele Gründe, die zu Zugverspätungen führen, für die man die Bahn jedoch nicht direkt verantwortlich machen kann. Dennoch muss das Unternehmen künftig seine Kunden auch in solchen Fällen entschädigen, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag entschieden. Das Urteil betrifft die Deutsche Bahn ebenso wie alle ihre Wettbewerber in Deutschland und in Europa.

Nach dem Urteil haben Bahnreisende bei Verspätungen von ein bis zwei Stunden das Recht auf Erstattung von mindestens einem Viertel des Fahrpreises. Ab zwei Stunden muss das Bahnunternehmen mindestens die Hälfte des Preises erstatten. Dies gelte auch bei Verspätungen wegen höherer Gewalt, betonten die Richter. Klauseln in den Beförderungsbedingungen, die Entschädigungen bei höherer Gewalt ausschließen, sind demnach ungültig.

Entscheidung wird „unverzüglich“ umgesetzt

In dem verhandelten Fall hatte die Nationale Bahnaufsicht in Österreich die Bahngesellschaft ÖBB aufgefordert, eine entsprechende Passage aus ihren Beförderungsbedingungen zu streichen. Nach einem Streit über mehrere Instanzen wurde schließlich der Europäischen Gerichtshof um Hilfe gebeten. Die Deutsche Bahn erklärte nach der Urteilsverkündung, die Entscheidung werde „unverzüglich“ umgesetzt. Es sei zu begrüßen, dass mit dem Luxemburger Urteil Rechtssicherheit für die Verbraucher und Eisenbahnen geschaffen worden sei. Zwar kommen auf die Bahn nunmehr zusätzliche Kosten zu, aber das sieht man dort offenbar gelassen: „Wir lassen auch jetzt schon bei vielen Kunden in Fällen von Verspätungen wegen höherer Gewalt Kulanz walten“, sagte ein Bahnsprecherin.

„Kosten werden sicher draufgeschlagen“

Verbraucherschützer äußerten sich zum Teil verwundert über das Urteil des EuGH: „Ich finde das Urteil überzogen“, sagte die Bahnexpertin des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Heidi Tischmann. „Es wäre unverantwortlich von der Bahn, wenn sie etwa bei einem Orkan oder bei Hochwasserschäden ihre Züge einfach nach Fahrplan weiterfahren lassen würde. Sicherheit geht vor. Dafür kann man die Bahn nicht auch noch zur Kasse bitten.“

Zudem sei es wettbewerbsverzerrend, da das Urteil nicht für Verspätungen im Flug-, Schiffs- oder Omnibusfernverkehr gelte. Von Vorteil sei es dagegen, dass man nun höhere Gewalt nicht einfach als Grund für eine Verspätung vorschieben und sich um eine Entschädigung drücken könne. Der Bahnexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Holger Krawinkel, nannte das Urteil „zweischneidig“. Es bringe „den betroffenen Kunden zwar Vorteile, aber die Kosten werden sicher auf den Ticketpreis draufgeschlagen und somit von allen Bahnkunden mitbezahlt“.

Eine Anzeigetafel zeigt am 27.12.2010 in Hamburg am Hauptbahnhof «etwa 80 Min später» an.
Eine Anzeigetafel zeigt am 27.12.2010 in Hamburg am Hauptbahnhof «etwa 80 Min später» an.
dpa Lizenz