Neuauflage Interregio-Express Neuauflage Interregio-Express: Deutsche Bahn will Fernbussen Konkurrenz machen

Stendal/Berlin/MZ - Es ist eine Kampfansage: 19,90 Euro verlangt die Deutsche Bahn für eine einfache Fahrt im neuen Interregio-Express von Berlin nach Hamburg. In etwas mehr als drei Stunden verbindet der Zug die beiden Metropolen und fährt dabei quer durch die Altmark und das nördliche Niedersachsen. „Wir wollen den Fernbus-Anbietern Paroli bieten“, sagt Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter für Sachsen-Anhalt.
Leicht aufgehübscht
Mit dem IRE kehrt ein Zug zurück auf die deutschen Schienen, der von vielen Kunden schmerzlich vermisst wird: der Interregio. Zwar trägt er nun zusätzlich ein „E“ im Kürzel, die Waggons sind rot gestrichen, nicht mehr weiß-blau wie früher. Doch innen dominiert, leicht aufgehübscht, das lindgrün-eierschalengelbe Design vom Ende der 1980er Jahre mit viel Glas. Bis 2007 verband der Interregio auch viele kleinere und mittelgroße Städte, die mittlerweile längst vom Fernverkehr abgekoppelt sind. Weißenfels, Merseburg oder Dessau waren über Jahre Interregio-Haltepunkte, auch zwischen Magdeburg und Berlin verkehrte ein IR.
Mittelstädte werden zunehmend auch von Fernbussen angesteuert - eine Herausforderung für die Bahn, die an der neuen Konkurrenz zu knabbern hat: Nach eigenen Angaben hat der Konzern durch die Wettbewerber auf der Straße im vorigen Jahr rund 20 Millionen Euro Gewinne eingebüßt.
Ob der Versuch aufgeht, mit dem neuen alten Interregio dagegenzuhalten, ist offen. Der Festpreis für die Strecke Berlin-Hamburg - die Hin- und Rückfahrt kostet 29,90 Euro - liegt zwar weit unter dem für ein ICE-Ticket (78 Euro für die einfache Fahrt ohne Bahncard). Doch mit dem Fernbus geht es, je nach Angebot und Buchungszeitpunkt, noch ein paar Euro günstiger als mit dem IRE.
ICE: Intercity-Express, der Schnellzug der Bahn schlechthin, konzipiert für hohes Tempo.
IC/EC: Intercity, innerdeutscher Fernzug. Der EC, steht für Eurocity, ist das grenzüberschreitende Pendant.
RE: Regionalexpress, Nahverkehrszug, der nicht überall hält.
RB: Regionalbahn, stoppt deutlich öfter als ein RE.
S-Bahn: Nahverkehrszug in Ballungsräumen, hält in der Regel in kurzen Abständen.
IRE: In Süddeutschland heißen so vereinzelt Regionalzüge, die lange Strecken zurücklegen. Auch zwischen Magdeburg und Berlin gab es zeitweise einen solchen IRE. Mit dem neuen IRE Berlin-Hamburg haben sie außer dem Kürzel nichts gemein.
Auf Seite 2 lesen Sie: Auf die Versuchslinie Berlin-Hamburg sollen weitere Strecken folgen.
Zwei Monate nach dem Start des IRE Mitte April ist die Bahn dennoch zufrieden: „Der Zug wird gut angenommen, vor allem an den Wochenenden“, sagt Bahn-Sprecher Holger Auferkamp. Der IRE, der Platz für knapp 400 Passagiere biete, sei im Schnitt zu 50 Prozent ausgelastet. Für ein neues Angebot acht Wochen nach dem Start sei das gut, meint Auferkamp.
Ohne Klimaanlage
Einige im Fernverkehr gewohnte Standards finden die Kunden allerdings nicht. So verfügen die leicht modernisierten IRE-Waggons weder über barrierefreie Einstiege noch über rollstuhlgerechte Toiletten. Auch klimatisiert ist der IRE nicht. „Dafür kann man die Fenster öffnen“, sagt Auferkamp - eben ganz wie früher im alten Interregio. Ein Plus: Gegen Aufpreis und Reservierung können im IRE Fahrräder mitgenommen werden. Im ICE ist das nicht möglich, zum Ärger vieler Reisender.
Der Bahnchef will mehr
Derzeit pendelt der Interregio-Express nur einmal am Tag zwischen Berlin und Hamburg, mit Zwischenstopps unter anderem in Stendal und Salzwedel, ab Freitag bis Ende Juli baustellenbedingt nur in Stendal. Ob das Angebot ausgebaut werde, sei noch nicht entschieden, sagt Bahnsprecher Auferkamp: „Das hängt von der weiteren Nachfrage ab.“ Nach den Worten von Bahnchef Rüdiger Grube soll die Linie Berlin-Hamburg aber kein Exot bleiben: Wenn der IRE auf Dauer erfolgreich sei, könne man sich vorstellen, weitere Strecken anzubieten, hatte Grube bereits Anfang Mai erklärt. Einen zweiten Versuchsballon hat die Bahn derweil mit einem IRE von Berlin nach Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz gestartet, allerdings nur samstags in der Sommersaison.
Für die Bahn ist der IRE-Betrieb eine Geldfrage. Im Reigen der diversen Bahn-Angebote ist der Interregio-Express ein Zwitter: Er legt eine Distanz zurück wie ein Fernzug, wird aber von der Nahverkehrstochter DB Regio Nordost auf eigene Rechnung und eigenes Risiko betrieben. Normalerweise zahlen die Bundesländer für den Nahverkehr, in diesem Fall nicht.