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Angabe von Nährwerten Kalorien- und Nährwerteangaben: Alkohol darf nicht länger einen Sonderstatus haben

Von Stefan Sauer 02.04.2018, 12:00
Bisher müssen Hersteller keine Kalorien- und Nährwerteangaben auf die Rückseite ihrere alkoholischen Getränke drucken. (Symbolbild)
Bisher müssen Hersteller keine Kalorien- und Nährwerteangaben auf die Rückseite ihrere alkoholischen Getränke drucken. (Symbolbild) dpa

Berlin - Frau Herr, mit der Fastenzeit endet auch die Enthaltsamkeit, die viele Menschen sich in den vergangenen Wochen mit Blick auf Genussmittel auferlegt haben. Auch Alkohol ist wieder erlaubt. Wie viele Kalorien verstecken sich in alkoholischen Getränken?

Frau Herr: Die Frage nach dem Kaloriengehalt alkoholischer Getränke gestaltet sich wie die Ostereier-Suche, nur ohne Erfolgserlebnis. Klar, der Blick ins Internet oder in einschlägige Literatur verrät, wie viele Kalorien bestimmte Alkoholika im Durchschnitt pro 100 Milliliter enthalten können. Doch das Etikett schweigt dazu.

Verbraucher und Verbraucherinnen können auf der Verpackung nicht erkennen, wie viele Kalorien sie aufnehmen. Bei Schokolade oder anderen Lebensmitteln ist das anders. Informationen über den Kaloriengehalt und der weiteren Nährwerte wie Zucker, Salz und Fett sind dort verpflichtend auf der Verpackungsrückseite zu finden.

Darüber ob der Gehalt an Fett, Zucker oder Salz als hoch, mittel oder niedrig zu bewerten ist, bleibt der Verbraucher dennoch im Unklaren. Aus diesem Grund fordert der vzbv seit Jahren die Einführung einer farblich unterlegten Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen auf der Basis von 100 Gramm oder 100 Milliliter.

Geht es bei der Kennzeichnung nur um Kalorien?

Nein, es geht bei der Kennzeichnung nicht nur um die Kalorienangabe. Obwohl die es bei Alkohol in sich hätte! Zusätzlich zu den Kalorien interessieren Verbraucher bei Lebensmitteln auch Informationen über Zucker, Fett, Salz und andere Inhaltsstoffe. Diese können grundsätzlich der Nährwerttabelle entnommen werden. Und es gibt ja gesetzliche Anforderungen an die Kennzeichnung von Zutaten. Alkoholische Getränke genießen hier aber leider einen Sonderstatus und sind von einer Kennzeichnungspflicht bislang ausgenommen.

Seit 2016 gibt es aber doch eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung.

Das stimmt. Die Europäische Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) regelt, dass vorverpackte Lebensmittel verpflichtend den Brennwert und die Nährwerte, wie zum Beispiel Zucker, Fett und Salz, pro 100 Gramm oder Milliliter angeben müssen. Auch ein Zutatenverzeichnis muss auf jedem Lebensmittel zu finden sein.

Zu Recht kommt die Frage auf, wieso diese verpflichtende Kennzeichnung nicht für alkoholische Getränke gilt. Tatsächlich enthält die Lebensmittelinformationsverordnung mehrere Ausnahmeregelungen. Eine davon betrifft alkoholische Getränke. Diese sind nicht zur Angabe einer Zutatenliste und einer Nährwerttabelle verpflichtet.

Gibt es dafür Gründe?

Keine, die wir nachvollziehen könnten.

Um die richtige Kaufentscheidung treffen zu können, müssen Verbraucher erkennen, was in einem Produkt enthalten ist und wie viele Kalorien sie mit dem Konsum dieses Lebensmittels zu sich nehmen. Das gilt natürlich auch für alkoholhaltige Getränke.

Aber die Industrie hat doch nach einer Aufforderung der EU-Kommission einen Vorschlag zur Kennzeichnung von Alkoholika gemacht.

Die EU-Kommission hat im letzten Jahr die europäischen Hersteller alkoholischer Getränke und deren Verbände aufgefordert, gemeinsam eine freiwillige Selbstverpflichtung zu erarbeiten: Wie wollen sie in Zukunft Informationen über Zutaten und Nährwerte auf der Verpackung angeben? Diese Selbstverpflichtung liegt seit Mitte März vor. Neben einer gemeinsamen Erklärung hat jeder Industriezweig für sich eine eigene Kennzeichnungsregelung erarbeitet. Da ist doch die Verwirrung für den Verbraucher schon programmiert.

Die Selbstverpflichtung der Industrie enthält somit viel Spielraum und dadurch auch Potenzial für Irreführung. Die Angaben zu Nährwerten oder Zutaten können auf dem Etikett oder online angegeben werden, zum Beispiel durch Weblinks oder QR-Codes. Außerdem kann entschieden werden, ob nur der Energiehalt oder der Energiegehalt plus weitere Nährwerte angegeben werden. Zusätzlich zu einer Angabe der Nährwerte pro 100 Milliliter sind auch die Angaben von Portionsgrößen im Rennen.

Was muss sich ändern?

Alkoholhaltige Getränke dürfen nicht länger einen Sonderstatus gegenüber anderen Getränken haben. Der vzbv fordert eine verpflichtende Angabe der Nährwertangaben auf alkoholischen Getränken pro 100 ml. Damit haben Verbraucher die Möglichkeit, die Nährwerte der Getränke zu vergleichen. Zudem sollte die komplette Liste von Zutaten angegeben werden, damit Verbraucher wissen, was sie zu sich nehmen. Und für eine transparente und informierte Kaufentscheidung müssen die Angaben auf dem Etikett stehen und sollten nicht nur online zur Verfügung gestellt werden.

Da der Vorschlag der Industrie zu einer Selbstverpflichtung keine verbraucherfreundliche Lösung ist, muss nun die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf vorlegen, um die Sonderstellung von alkoholischen Getränken zu beenden und eine Gleichstellung mit nicht-alkoholischen Getränken zu schaffen.