Getec-Firmenchef Karl Gerhold Getec-Firmenchef Karl Gerhold: Der stille Patriarch
Magdeburg - Karl Gerhold ist einer der erfolgreichsten Unternehmer Sachsen-Anhalts. Karl wer? Das dürften sich viele fragen. Außerhalb Magdeburgs ist der 64-Jährige, der so viele Posten innehat, in der Öffentlichkeit kaum bekannt.
Beim Besuch seiner Firmenzentrale geht Gerhold durch das Atrium, in dem sich eine Kantine befindet. Die moderne Einrichtung ist hell gehalten. In der Mitte stehen grüne Sitzecken. Er bleibt stehen: „Gleich nebenan befindet sich der Betriebskindergarten, haben Sie den schon gesehen?“ Es macht ihm sichtlich Freude, den Gast durch den Neubau zu führen; zu zeigen, was er und seine Mitarbeiter geschaffen haben. Mit drei Mann hat er 1993 in einer Baracke den Energie-Dienstleister Getec gegründet. Heute hat das Magdeburger Unternehmen rund 1.100 Mitarbeiter.
Doch der Unternehmer ist niemand, der sich gerne zur Schau stellt. Bei größeren Veranstaltungen tritt er eher leise und zurückhaltend auf. Pressekonferenzen der Firma gab es in der Vergangenheit selten. Viel lieber, sagen Menschen, die mit ihm zu tun haben, zieht er im Hintergrund die Fäden.
Unternehmer zu sein, ist eigentlich seine zweite Karriere. Die erste machte er in der Politik. Karl Gerhold stammt aus Altenhasungen in Nordhessen, sein Vater führte eine Tischlerei. Nach dem Volkswirtschaftsstudium in Göttingen ging er in die Verwaltung. Als Beamter stieg er schnell im niedersächsischen Innenministerium auf und wurde 1990 Beauftragter der Landesregierung für Sachsen-Anhalt. Er tat dies gern. Beim Skilaufen im Westharz schaute er schon in den 80er Jahren sehnsüchtig in den Ostharz. Nun konnte er dorthin - und nicht nur zum Sport.
Damals kamen viele Beamte aus den niedersächsischen Ministerien, darunter auch Herrmann Onko Aeikens, heute Agrarminister, oder Rainer Robra, heute Chef der Staatskanzlei. 1990 wurde Gerhold unter dem ersten Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, Gerd Gies, Chef der Staatskanzlei. Doch Gies’ politische Karriere dauerte nicht lang. 1991 trat er zurück.
Auf Öko-Energien gesetzt
„Nach vielen Jahren als Beamter in der politischen Verwaltung wollte ich mit Anfang 40 noch etwas Neues wagen“, erzählt Gerhold heute. Schon in Niedersachsen beschäftigte er sich mit dem Gedanken, in Umwelttechnologien zu investieren. „In den neuen Ländern waren Umweltsünden an allen Ecken sichtbar, die Energieversorgung war vielerorts hoffnungslos veraltet“, sagt der Getec-Chef.
Die Firmenphilosophie war ein einfaches Motto, das bis heute besteht: „Äußerst effizient mit Energie umgehen.“ Die Mitarbeiter arbeiteten zunächst daran, alte Kraft- und Heizwerke durch moderne dezentrale Gas-Anlagen zu ersetzen. Dazu wurden zunächst Verträge mit Wohnungsunternehmen abgeschlossen. „Die Kosten der Wärmeversorgung ließen sich so um die Hälfte verringern“, erinnert sich Gerhold. Das Geschäftsmodell sicherte Getec vom ersten Jahr an gute Ergebnisse. Schritt für Schritt baute der Unternehmer das Geschäft mit Wärme und Kälte aus. So versorgt das Unternehmen über dezentralen Anlagen heute unter anderem viele Bahnhöfe wie den Berliner Hauptbahnhof.
Mit der Liberalisierung der Energiemärkte 1998 begann die Getec, den Strom selbst zu verkaufen. Gerhold baute eine Stromvermarktung auf und Getec handelte als eine der ersten ostdeutschen Firmen an der neugegründeten Leipziger Energiebörse. „Als damals kleiner Player hat er die Marktchancen früh erkannt“, sagt ein ehemaliger Börsen-Manager.
Die Energiewende brachte dann einen weiteren Schub. Das Unternehmen errichtete zahlreiche Biogas-Anlagen und Solarparks. Zusammen mit der früheren Q-Cells AG baute Getec in Zerbst (Anhalt-Bitterfeld) einen der größten Solarparks Europas. Um das Unternehmen trotz des rasanten Wachstums stabil zu halten, versuchte Gerhold möglichst ausgewogen mehrere Geschäftsfelder im Energiemarkt zu besetzen. „Das ist notwendig, da aufgrund der staatlichen Eingriffe in diese Märkte immer wieder einzelne Geschäftsansätze entfallen - wie zum Beispiel die Möglichkeit, große Solar-Parks zu bauen, während gleichzeitig woanders neue Marktnischen entstehen“, sagt Gerhold. Markteinbrüche haben Getec daher auch nie so hart getroffen wie manch hoch spezialisierten Konkurrenten.
Auf der nächsten Seite: Warum Gerhold in der Branche viele Skeptiker hat und warum 2012 die Staatsanwaltschaft zu Besuch bei Gerhold und Getec war.
In der Branche wird Gerhold dennoch von vielen skeptisch beäugt - vor allem wegen seiner Nähe zur Politik. Seit mehr als zehn Jahren ist er Schatzmeister des CDU-Landesverbandes. Gerhold sagt: „Die CDU ist meine politische Heimat, der will ich auch weiter helfen.“ Kritiker meinen, mit seinen politischen Kontakten hilft er vor allem sich selbst und seiner Firma, um frühzeitig Geschäfte anzubahnen. Diese macht er auch mit der eigenen Partei. So mietet die CDU eine Immobilie in Magdeburg, die zu einer seiner Firmen gehört.
Gerhold kontert Angriffe gelassen damit, dass sein Unternehmen heute nur noch einen kleinen Teil des Neugeschäfts überhaupt in Sachsen-Anhalt tätigt.
In die Schlagzeilen geriet Gerhold 2012, als die Staatsanwaltschaft Geschäfts- und Privaträume mehrerer Geschäftsleitungsmitglieder von Getec durchsuchen ließ. Darunter Gerholds Haus in Hannover. Es gab den sich später als haltlos erweisenden Verdacht, dass leitende Mitarbeiter der Deutschen Bahn bestochen worden waren, um Aufträge zu ergattern. Monatelang ermittelte die Staatsanwaltschaft, um dann mitzuteilen: „Die Beschuldigten sind nach dem Ergebnis der Ermittlungen unschuldig.“ Gerhold sagt heute, es habe ihn getroffen, „kriminalisiert und instrumentalisiert“ zu werden. Während dieser Zeit legte er sein ehrenamtliches Mandat als Verwaltungsratschef des MDR nieder. „Es war eine schwere Zeit, aber unsere Mitarbeiter und Kunden haben hinter uns gestanden“, sagt er.
Inzwischen ist das Kapitel abgeschlossen. Als geschäftsführender Gesellschafter steht er der Getec Energie-Holding vor, unter dieser gibt es, nach Geschäftsbereichen geordnet, sechs Tochter-Gesellschaften. Diese wachsen deutlich. „Im Jahr 2016 planen wir, erstmals einen Umsatz über einer Milliarde Euro zu erwirtschaften“, sagt Gerhold. Der 64-Jährige denkt noch nicht daran, in Rente zu gehen. „Das Unternehmen würde aber auch ohne mich gut weiterlaufen.“
Großsponsor von Handballclub
Da sich Gerhold immer mehr aus der operativen Arbeit herauszieht, hat er mehr Zeit für strategische Aufgaben. Und es bleibt mehr Zeit für den Sport. Getec ist seit Jahren Hauptsponsor des Handball-Bundesligisten SC Magdeburg (SCM). Für die ehemalige Bördelandhalle erwarb die Firma die Namensrechte. Gerhold findet das Engagement wichtig: „Große ostdeutsche Städte wie Magdeburg waren nach der Wende wirtschaftlich arg gebeutelt“, sagt er. „Mit dem SCM sind wir deutsche Spitze.“ Das stärke das Selbstvertrauen der Region. Auch wenn es nicht so gut läuft, steht das Unternehmen zum Club. Selbst den früheren SCM-Manager Bernd-Uwe Hildebrandt, der wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten beruflich abstürzte, fing Gerhold auf. Am Ende zahlt sich das Engagement für Getec wohl aus. Denn die Bekanntheit sorgt auch dafür, dass Getec als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird - mit Gerhold als stillem Patriarchen. (mz)