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Spezialfahrzeuge Spezialfahrzeuge: Der Multicar soll als Mungo fliegen lernen

Von Eike Kellermann 08.04.2003, 10:18

Waltershausen/MZ. - Das veränderte Einsatz-Konzept der Bundeswehr erschließt dem Thüringer Spezialfahrzeuge-Hersteller Multicar möglicherweise ein völlig neues Geschäftsfeld. Das Unternehmen aus Waltershausen produziert derzeit gemeinsam mit der Münchner Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann die ersten acht Modelle eines Klein-Transporters für Fallschirmjäger. Das Fahrwerk für den "Mungo" wird von Multicar auf der Basis seiner Zivilfahrzeuge hergestellt.

Dass Bundeswehr-Spezialkräfte zukünftig weltweit agieren - Verteidigungsminister Struck sprach jüngst vom "Einsatz am Hindukusch" -, wird offenbar von den Militärs schon länger geplant. Bereits vor drei Jahren meldete sich ein Bundeswehr-Offizier wegen eines neuen Fahrzeugs in Waltershausen. Um den ersten Kontakt rankt sich bis heute eine gern erzählte Anekdote. Die Sekretärin, die den Anruf entgegennahm, wandte sich damals verdutzt an ihren Chef: "Da ist ein Verrückter, der will den Multicar aus einem Flugzeug abwerfen."

Kurze Zeit später traf sich dieser Offizier der Bundeswehr-Luftlandeschule bereits mit den Leute von Multicar und Krauss-Maffei in Waltershausen, um das Projekt voran zu treiben. Die Münchner Firma ermittelte einen großen Bedarf an einem solchen Fahrzeug. "In dieser Nische ist weltweit nichts Vergleichbares", sagt Projektleiter Rajko Trostorf von Krauss-Maffei. In dem knapp über vier Meter langen Fahrzeug können bis zu zehn Soldaten mitfahren. Entscheidend ist aber die Möglichkeit, ihn im Hubschrauber Sikorsky CH 53 zu transportieren. Bislang setzt die Bundeswehr solches Gerät nur mit der Transall ab.

Die mit Geldmangel kämpfende Truppe hat im Mungo inzwischen auch ein Sparmodell entdeckt. Weil er auf dem zivilen Fahrgestell eines Multicars beruht, wird er zwischen 150.000 und 200.000 Euro kosten und damit erheblich weniger als eine komplette Neuentwicklung. Überdies ist der Mungo leicht, kann viel zuladen und für vielfältige Einsätze umgerüstet werden. So lassen sich Arbeitsbühnen, Dekontaminationstanks oder Werkstatt-Aufbauten montieren. Unter anderem mit Seilwinde und Bergeschere ausgestattet, erweitert er in großem Umfang die Möglichkeiten von Luftlandetruppen, die bislang zu Fuß unterwegs waren.

Flexibilität ist die erklärte Strategie in Waltershausen: "Beim Mungo stechen alle Trümpfe, die Multicar auszeichnen", meint Geschäftsführer Benedict Dunkelberg. Für sein Unternehmen habe das Fahrzeug "große Bedeutung", weil damit ein völlig neues Geschäftsfeld erschlossen werden könnte. Der Anteil von Multicar an dem Projekt beläuft sich auf etwa 20 Prozent. Die Firma, die in der DDR rund 100.000 Stück der Arbeitsbienen mit dem treuherzigen Blick herstellte, verkauft heute ihre neuen Zivilmodelle zunehmend auch in den alten Bundesländern und in Westeuropa. Im Jahr 2002 lag der Umsatz bei rund 50 Millionen Euro.

Der Mungo soll seinem Namensgeber, einem in Extremgebieten lebenden, schlangenfressenden und blitzschnellen Raubtier, durchaus nacheifern. Krauss-Maffei hat erstmals einen Designer beschäftigt, der ihm einen grimmigen Blick verpassen sollte. "Wir wollten kein Pizza-Auto. Der Mungo ist zwar klein, aber respekteinflößend", erklärt Projektleiter Trostorf.

Voraussichtlich bis Spätsommer wird die Bundeswehr entscheiden, ob sie den Mungo einführt. Bis dahin wird er auf Herz und Nieren getestet, unter anderem in Afghanistan. Genauso ergeht es dem Konkurrenz-Modell von Rheinmetall. Bei Krauss-Maffei und Multicar ist man aber vom eigenen Konzept überzeugt und optimistisch, den Zuschlag zu erhalten. Der Bedarf der Bundeswehr wird auf bis zu 1.000 Stück geschätzt. Darüber hinaus haben Fallschirmjäger anderer europäischer Länder sowie US-Spezialeinheiten bereits Interesse signalisiert. In Waltershausen hofft man jetzt, dass auch amerikanische Marines bald Multicar fahren.