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Sachsen Sachsen: Der Steiger kommt zurück ins Erzgebirge

06.07.2008, 14:09
Ein ehemaliger Bergmann steht im Besucherbergwerk Zinnkammern in Pöhla in einer teilweise mit Wasser gefüllten Zinnkammer. Der vor 18 Jahren zum Erliegen gekommene Erzbergbau im Erzgebirge steht vor einer Wiederbelebung. (Foto: ddp)
Ein ehemaliger Bergmann steht im Besucherbergwerk Zinnkammern in Pöhla in einer teilweise mit Wasser gefüllten Zinnkammer. Der vor 18 Jahren zum Erliegen gekommene Erzbergbau im Erzgebirge steht vor einer Wiederbelebung. (Foto: ddp) ddp

Freiberg/ddp. - Im Ort Niederschlag unweit desFichtelbergs soll dann eine Grube eröffnet werden, in der Fluss- undSchwerspat gefördert werden. Es wäre ein historisches Ereignis: DerErzbergbau im Erzgebirge, der vor 18 Jahren nach 800-jährigerGeschichte eingestellt wurde, käme wieder in Gang. Die Menschen inder vom Bergbau geprägten Region sind elektrisiert. Schon gehenBewerbungen ehemaliger Bergleute ein. «Die Reaktion im Gebirge», sagtIngenieur Richter sachlich, «ist sehr positiv.»

Noch steht Richter nicht in einem Stollen des Bergwerks, sondernsitzt in einem Büro in Freiberg. Im Regal liegen Erinnerungsstücke,darunter das Modell einer Grubenlampe. Richter hat das vermeintlichletzte Kapitel Bergbaugeschichte im Erzgebirge, das 1991 mit derSchließung der Zinngrube Altenberg zu Ende ging, miterlebt: AlsMitarbeiter eines DDR-Erkundungsbetriebes untersuchte er eineVielzahl von Lagerstätten. Die habe er «nie aus den Augen verloren».Für die Öffentlichkeit indes war der Erzbergbau zwischen Altenbergund Aue mit dem Ende der DDR Geschichte: Die Erzgänge, hieß es, seienerschöpft oder enthielten Metalle nur noch in so geringerKonzentration, dass sich der Abbau nicht mehr lohnt.

Das hat sich gründlich geändert - vor allem dank explodierenderNachfrage auf dem Weltmarkt. Der Preis für Flussspat, der zurHerstellung von Fluor und als Flussmittel in der Metallindustriedient, sei binnen eines halben Jahres von 270 auf 340 Dollar je Tonnegestiegen, sagt Richter: «Eine Preisentwicklung, die ermutigt.»Ähnlich ist die Lage bei anderen Metallen. Zinn, von dem allein umAltenberg im Osterzgebirge rund 130 000 Tonnen vermutet werden,kostet 12 000 Euro je Tonne, dreimal mehr als noch vor wenigenJahren. Die Förderung könnte sich vor diesem Hintergrund wiederlohnen, sagt Peter Horler, Sprecher des Sächsischen Oberbergamtes inFreiberg. «Das entscheidende Kriterium sind die Preise auf demWeltmarkt.»

Horler belegt das gestiegene Interesse an Rohstoffen im Freistaatmit einer Karte, auf der an einem Dutzend Stellen die gekreuztenHämmer als Symbol für Bergbau eingezeichnet sind. Eingetragen sindLagerstätten mit Zinn und Wolfram ebenso wie ein spektakuläresKupfervorkommen in der Lausitz, wo in einem Kilometer Tiefe Erz miteinem Kupfergehalt von 1,5 Millionen Tonnen vermutet wird. Fürinsgesamt zehn Lagerstätten seien bei seiner Behörde Anträge aufErkundung gestellt worden, sagt Horler. Für das Vorkommen inNiederschlag hat die GEOS-Tochter «Erzgebirgische Fluss- undSchwerspat-Company» sogar die Bewilligung erhalten: Aufschluss undFörderung können dort beginnen.

Nicht nur beim Oberbergamt wird nun ein altehrwürdiger Begriffwieder hervorgeholt: «Neues Berggeschrey», ist die Karteüberschrieben. Mit dem Terminus wurde im Mittelalter der Ansturm vonGlückssuchern und Unternehmern auf das Erzgebirge bezeichnet, nachdemdort ab 1168 Lagerstätten mit Silber, Zinn und anderen Metallenerschlossen wurden. Für das neue «Berggeschrey» sind dieVoraussetzungen gut. Wo aussichtsreiche Vorkommen lagern, ist genaubekannt. Das Erzgebirge sei die «geologisch am besten untersuchteRegion der Welt», sagt Uwe Lehmann, Referatsleiter beim SächsischenLandesamt für Umwelt und Geologie (LfUG). Die Behörde hat das Wissenneu bewertet und will demnächst das Ergebnis vorlegen: einePublikation namens «Rosa» (Rohstoffe Sachsen) mit Angaben zuLagerstätten ebenso wie verschiedenen Fachbeiträge. Eine sosystematische Erfassung der Daten, sagt Lehmann, gebe es «in keinemanderen Bundesland». Aufgeführt werden 136 Spat- und Erzvorkommen.

Tatsächlich ausgebeutet werden dürften freilich auch künftig nurdie wenigsten. Ein «Hauptknackpunkt», sagt Lehmann, sei dieAufbereitung des Erzes. Dafür müssten, wie GEOS-Geschäftsführer HorstRichter bekräftigt, teilweise noch Technologien erfunden oderindustriell erprobt werden. Für alle Lagerstätten, bei denen Aussichtauf wirtschaftliche Förderung besteht, hätten sich aber bereitsInteressenten gefunden: «Die besten Claims», sagt Richter, «sindverteilt.»

Im Erzgebirge weckt die Entwicklung große Erwartungen. In denGruben könnten jeweils Arbeitsplätze «in niedriger dreistelligerZahl» entstehen, sagt Bergamts-Sprecher Horler. Damit sie auchbesetzt werden können, werden an einer Berufsschule der Regionbereits wieder «Berg- und Maschinenmänner» ausgebildet, von denen dieersten 15 ihre Lehre bald abschließen. In Anspielung auf dasberühmteste Bergmannslied kann es daher nun im Erzgebirge heißen:«Glück auf! Der Steiger kommt - zurück.»