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Künstler Rummelsnuff Rummelsnuff: Muskelberg mit Herz für Hantelbank und Matrosenballade

Von Steffen Könau 29.04.2017, 12:00
Würde das Leben der Comicfigur Popeye verfilmt werden, könnte nur einer die Titelrolle spielen: Rummelsnuff.
Würde das Leben der Comicfigur Popeye verfilmt werden, könnte nur einer die Titelrolle spielen: Rummelsnuff. dpa

Halle (Saale)/Großenhain/Berlin - Er ist ein Berg von einem Mann, allerdings eher breit als hoch. Er singt mit Grabesstimme, allerdings auch mal mit breitem Lächeln. „Bratwurstzange“ heißt ein Lied, „Harzer Käse“ ein anderes, das dritte dann „Brüder“.

Roger Baptist, der sich seit einem Jahrzehnt Rummelsnuff nennt, ist ein Künstler ganz eigener Ästhetik: Der 50-Jährige liebt Elektrobeats und Seemannsromantik.

Er singt mit freiem Oberkörper und hat Reime so hart wie die von Rammstein. Neuerdings lässt er seinen tiefen und verboten schiefen Bass von seinem „Maat“ genannten Begleiter Christian Asbach im Tenor abfedern.

Künstler Rummelsnuff: Eisengott mit langer Orientierungsphase

Komischer Kerl, so komisch, dass Roger Baptist über 15 Jahre brauchte, um seine Nische auf dem Pop-Markt zu finden. Nach einem Start mit den seinerzeit erfolgreichen Freunden der italienischen Oper war schnell wieder Schluss.

Baptist, künstlerisch vorbelastet durch Mutter Reni, die beim Gerd-Michaelis-Chor gesungen hatte, schlug sich mit allerlei Jobs durch und pflegte seine geliebte Elektromugge nur noch als Hobby.

Erst 18 Jahre später erschien das CD-Debüt des Muskelmenschen mit der Elbschiffer-Mütze. „Halt durch!“ ist Appell an sich selbst und Aufbruchssignal, die 13 Songs definieren den selbst ernannten Käpt’n als Speerspitze der „derben Strommusik“, wie der „Eisengott“ (Rummelsnuff über sich selbst) sein Schaffen nennt.

Künstler Rummelsnuff: Kindheit in Sachsen bei den Großeltern

Wer aber ist der  Kerl im Matrosenhemd? Dieser wandelnde Muskel mit dem Popeye-Kopf? Der „Oger“ (Liedtitel), der Hymnen auf „Gerüstbauer“ und „Minderleister“ singt?

In „Rummelsnuff - Das Buch“  erzählt Roger Baptist selbst seine Geschichte, die im sächsischen Großenhain beginnt. Hier wird den beiden Musikstudenten Reni und Peter im Sommer ’66 ein Sohn geboren: Ro-ger genannt, nicht Rotscher.

Ein Kind, das wegen der künstlerischen Verpflichtungen der Eltern überwiegend bei seinen Großeltern in Sachsen aufwächst, während die Eltern in Berlin leben oder auf Tour sind.

Künstler Rummelsnuff: Seine Musik beunruhigt die Stasi

Kleinstadtjahre, die Rummelsnuff prägen. In Großenhain entdeckt er seine kraftsportliche Leidenschaft und trainiert sich die ersten dicken Muskelstränge an.

Hier säbelt er sich schließlich auch als erster im Freundeskreis die Haare ab: Es sind die 80er, das letzte Jahrzehnt der DDR, und Roger Baptist und seine Freunde sind die letzte Generation, die noch in der untergehenden Republik erwachsen wird.

Aber richtig da sind sie nicht mehr, allerhöchstens noch anwesend. Der spätere Rummelsnuff pilgert zu Konzerten verbotener Bands, er lässt sich Punkrock predigen und gründet selbst die Band „Kein Mitleid“. Die Stasi ist beunruhigt, lässt aber doch wieder ab von den mit Dada-Texten arbeitenden Nachwuchskräften.

Künstler Rummelsnuff: Mehr als bloßer Muskelmann

Ein Leben im Zeichen der Suche nach dem Eigenen, ein Leben, in dem es nie um Schönheit geht, „sondern um Kraftgewinn“, wie es Rummelsnuff in einem Liedtext nennt. 

Losgelöst von allen Zeitgeistströmungen bastelt er nach seinem Umzug nach Berlin in einem provisorischen Studio aus Computerbeats und Ernst-Busch-Anleihen, Hans-Albers-Melodik und der rabiaten Körperlichkeit von  Rammstein die ersten Rummelsnuff-Werke, die Kollegen wie Arzt Bela B. und Leather-Strip-Chef Claus Larsen begeistern.

Stücke wie „Lauchhammer“  zeigen den martialischen Musiker mit den Mega-Muskeln heute als feingeistigen Ironiker: der beste Mann seiner Fans, eine Ikone ohne Sockel, ein Muskelberg mit Herz. (mz)

„Rummelsnuff - Das Buch“, Verlag Neues Leben, 191 Seiten, 19,99 Euro