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Zweiter Weltkrieg Zweiter Weltkrieg: Foto von Torgau ging um die Welt

Von Erik Nebel 18.04.2005, 05:59
Händedruck zwischen US-Soldaten (l.) und Rotarmisten (r.) auf der zerstörten Brücke über die Elbe bei Torgau (Archivfoto vom April 1945). Das berühmte Foto vom ersten Handschlag ging um die Welt.
Händedruck zwischen US-Soldaten (l.) und Rotarmisten (r.) auf der zerstörten Brücke über die Elbe bei Torgau (Archivfoto vom April 1945). Das berühmte Foto vom ersten Handschlag ging um die Welt. Archiv/dpa Lizenz

Torgau - «Bei den kleinen Soldaten herrschte fast überschwängliche Freude, dagegen betrachteten die sowjetischen Generäle die freundschaftlichen Szenen sehr distanziert», sagt der Torgauer Historiker Uwe Niedersen. «Ein Schwur für den Frieden, von dem oft gesprochen wird, ist wohl nicht abgeleistet worden, davon ist weder in amerikanischen noch in sowjetischen Archiven etwas zu lesen», sagt der Historiker. «Das tut der friedlichen Botschaft von Torgau aber keinen Abbruch», sagt Stadtsprecher René Vetter.

Dabei trafen Amerikaner und Russen in Torgau nicht zum ersten Mal aufeinander, sondern schon dreieinhalb Stunden früher in Strehla, 30 Kilometer südöstlich. Der US-Leutnant Albert Kotzebue hatte mit fünf Soldaten vom amerikanischen Hauptquartier in Wurzen aus die Gegend erkundet. Sie stießen bis zur Elbe vor und überquerten in einem Segelboot den Fluss.

«Auf der Ostseite angekommen stand Kotzebue mit seiner Gruppe inmitten von 300 Leichen - Frauen, Kinder, alte Menschen», sagt Niedersen. «Die sowjetischen Kämpfer winkten den Amerikanern freudig zu.» Der Kontrast hätte kaum größer sein können. «Jeder erkannte, dass dies nicht der Ort für eine historische Begegnung war.»

Stattdessen ging Torgau in die Geschichte ein. Ein zweiter vom US-Leutnant William Robertson geleiteter Erkundungstrupp der 60. US-Division sollte die Flüchtlingsströme östlich von Leipzig erkunden. Die Amerikaner hatten Leipzig am 20. April erobert. Eine Kontaktaufnahme mit den Sowjets war zunächst nicht vorgesehen. Wehrmachtssoldaten, die freiwillig ihre Waffen abgaben, und die Flüchtlingtrecks, die den Amerikanern als Befreier zuwinkten, beflügelten den Leutnant jedoch und er zog weiter.

Kurz vor Torgau erfuhr er, dass in der Stadt eine sowjetische Einheit Stellung bezogen hatte. An der Elbe angekommen, nahm Robertson ein Bettlaken, malte darauf das Sternenbanner und schwenkte es auf dem Turm von Schloss Hartenfels. Dann ging alles ganz schnell. Die Sowjets eilten zur zerstörten Elbbrücke und Robertson reichte dem sowjetischen Leutnant Alexander Silwaschko die Hand.

Das berühmte Foto von Torgau zeigt allerdings nicht den legendären Augenblick. «Das Foto wurde einen Tag später, am Mittag des 26. April, gemacht», sagt Niedersen. Der Fotograf ließ die Szene nachstellen. Dabei schüttelten sich ganz andere Soldaten die Hände. Noch am gleichen Tag brachten die Amerikaner den Film nach Paris, von wo aus das Foto um die Welt ging. «Schon damals waren Bilder als Symbole wichtig», meint Niedersen.

Die legendäre Brücke gibt es heute nicht mehr. Nach dem Krieg wieder aufgebaut, wurde sie nach der Wiedervereinigung wegen Baufälligkeit abgerissen. Nur ein Pfeiler als Symbol für den Frieden ist übrig geblieben. Silwaschko und Robertson wurden vor zehn Jahren am 50. Jahrestag der ersten Begegnung Ehrenbürger von Torgau. Der Amerikaner ist 1999 gestorben, der heute 83 Jahre alte Silwaschko wird zu den Feierlichkeiten in diesem Jahr in der Elbestadt erwartet. (dpa)