Interview Wolfgang Bosbach: "Müssen gegenüber dem Scharia-Islamismus klare Kante zeigen"

Bergisch Gladbach - Wolfgang Bosbach platzte bei der Talk-Show Anne Will der Kragen. Wie der CDU-Politiker die Aussagen der radikalen Muslima Nora Illi interpretiert.
Diskussionen leben davon, dass die Gesprächspartner unterschiedliche Positionen vertreten. In der Sendung von Anne Will zum Thema „muslimische Radikalisierung“ aber wurden offen auch ganz radikale Positionen wie eine Unterstützung von Kampfeinsätzen in Syrien propagiert. Haben Sie so etwas schon mal erlebt?
Wolfgang Bosbach: Ich habe schon an einigen turbulenten Talkshows teilgenommen, aber solch eine offene Werbung eines Teilnehmers für den gewaltbereiten Islamismus habe ich noch nicht erlebt. Ich bin mir aber auch ganz sicher, dass die Redaktion nicht für den Djihad werben wollte.
Sie saßen in der Runde direkt neben Nora Illi, der vollverschleierten „Frauenbeauftragten“ des Zentralrats der Muslime in der Schweiz. Sie sahen ziemlich verärgert aus. Kannten Sie Frau Illi und ihre Thesen vorher?
Wolfgang Bosbach: Persönlich kannte ich sie nicht, aber natürlich habe ich mich im Vorfeld über die Teilnehmer der Talkrunde informiert. Und – ehrlich gesagt – habe ich, als ich hörte, dass Nora Illi vollverschleiert an der Diskussion teilnehmen würde, schon gefragt: Gehst Du dahin oder sagst du aus Protest ab?
Warum?
Wolfgang Bosbach: Das passt überhaupt nicht zu unserer offenen Gesellschaft. Zum einen gehört zu einer Diskussion Offenheit der Diskussionspartner. Denn es geht ja nie nur um das gesprochene Wort, es geht auch um Mimik und Gestik und die gesamte Persönlichkeit, mit der man diskutiert. Und zum anderen passen Totalverhüllung und Fernsehen nicht zusammen. Die Zuschauer wollen völlig zu Recht wissen, wer zu ihnen spricht. Und „Anne Will“ kommt ja im TV und nicht im Radio.
Warum haben Sie dann doch nicht aus Protest abgesagt?
Wolfgang Bosbach: Weil ich dieser Frau und ihren Thesen nicht widerspruchslos das Feld überlassen wollte und weil ich gar nicht erst den Eindruck erwecken wollte, als hätte man Scheu, mit einer solchen Person zu diskutieren oder gar Angst vor einer klaren inhaltlichen Auseinandersetzung. Würde man aus Protest absagen, dann würde die Sendung von solchen Menschen dominiert, die brandgefährliche Thesen vertreten.
Wolfgang Bosbach: Musste mir Mühe geben, sachlich zu bleiben
Bei solchen Thesen sachlich zu argumentieren, dürfte aber nicht einfach sein.
Wolfgang Bosbach: Ich musste mir Mühe geben, betont sachlich zu argumentieren. Denn wenn man aus der Haut fährt, hat man verloren. Weil dann die Emotion die Argumentation total verdeckt.
Sie haben schon in der Sendung auch einen Einspieler mit Frau Illi kritisiert, in dem diese Syrien-Einsätze von freiwilligen Kämpfern als Ausdruck von „Zivilcourage“ bezeichnete.
Wolfgang Bosbach: Es ging nicht nur um den an dieser Stelle völlig absurden Begriff der „Zivilcourage“, es geht im Kern um die Bagatellisierung eines Terrors, der an barbarischer Grausamkeit kaum zu überbieten ist.
Wolfgang Bosbach: „Wir hatten leider nicht mehr die Zeit, die nötig gewesen wäre“
War es ein Fehler, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender Frau Illi und ihren Positionen eine solche Plattform geboten hat?
Wolfgang Bosbach: Ich habe mich nach der Sendung lange mit dem Redaktionsleiter Andreas Schneider unterhalten, den ich seit vielen Jahren kenne und persönlich und fachlich sehr schätze. Er hat genau andersherum argumentiert und hat gesagt: Wenn wir schon eine so umstrittene Person wie Frau Illi einladen und sie dann nicht mit diesen ihren Thesen konfrontieren, dann hätten wir sofort den Vorwurf bekommen, warum wir in der Sendung nicht darauf hingewiesen haben, welche absurden Thesen von ihrem Verein vertreten werden.
Aber diese Absurdität der Thesen wurde dann am Ende in der Runde nicht mehr so ganz deutlich.
Wolfgang Bosbach: Es war leider gegen Ende der Sendung, so dass es kaum noch möglich war, Satz für Satz so kritisch zu würdigen, wie das eigentlich nötig gewesen wäre – um auch dem Publikum deutlich zu machen, warum ein solcher Text nicht nur abwegig, sondern brandgefährlich ist.
Hätte die Moderatorin da stärker gegenhalten können, ja vielleicht sogar müssen?
Wolfgang Bosbach: Ich habe Frau Will angemerkt, dass sie beherrscht und dem Gast gegenüber höflich bleiben wollte. Und sie hat dann wohl darauf gesetzt, dass die anderen Gäste in der Runde so wie ich auch hart dagegen argumentieren. Aber da hatten wir leider nicht mehr die Zeit, die nötig gewesen wäre. Was der Zuschauer ja nicht sieht: Im Studio wird immer die Zeit angezeigt, die noch bleibt.
Hätte man da nicht überziehen können?
Wolfgang Bosbach: Die Tagesthemen warteten. Und wir waren ja nicht bei „Wetten dass …?!“.
Wolfgang Bosbach: Auseinandersetzung hatte nichts mit Islamophobie zu tun
Haben Sie durch die Diskussionen – auch im Nachgang zu der Sendung – das Gefühl, dass Ihre Kritik angekommen ist?
Wolfgang Bosbach: Ich hoffe, dass deutlich geworden ist, dass die harte Auseinandersetzung mit Frau Illi nichts mit Islamophobie zu tun hat und nichts mit mangelnder Toleranz gegenüber anderen Meinungen, sondern dass wir eine klare Grenze ziehen müssen gegen jede Form von Bagatellisierung von Gewalt und dass wir klare Kante zeigen müssen gegenüber dem Scharia-Islamismus.
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