Reinhard Heydrich Vor 75 Jahren wurde der Hallenser und Judenschlächter Reinhard Heydrich getötet

Prag - Im Schatten der Dunkelheit springen kurz vor Neujahr 1942 zwei Fallschirmspringer über der deutsch besetzten Tschechoslowakei ab. Der Auftrag ist streng geheim, der Tod ihnen fast sicher. Fünf Monate später, am 27. Mai 1942, stehen Jozef Gabcik und Jan Kubis an einer Haarnadelkurve im Norden Prags. Der aus Halle stammende SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich fährt dort jeden Morgen im offenen Wagen durch. Sie wollen ihn töten.
Hallenser Reinhard Heydrich bekam den Spitznamen „Henker von Prag“
Die Szene ist chaotisch: Im entscheidenden Augenblick blockiert Gabciks Maschinenpistole, doch Kubis trifft das Hinterrad mit einer Handgranate. Granatsplitter treffen Heydrich, er bricht zusammen. Nach tagelangem Todeskampf stirbt er am 4. Juni 1942 an den Folgen der Attacke.
Bis zum Kriegsende blieb es das einzige erfolgreiche Attentat auf einen ranghohen NS-Funktionär. Heydrich war ein begabter Musiker, ging in Halle auf das Reformgymnasium, das heutige Herder-Gymnasium. Im NS- Staat stieg er schnell auf, war die rechte Hand von Heinrich Himmler, Chef des Reichssicherheitshauptamts und stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. In letzterer Funktion bekam er bei der Prager Bevölkerung den Spitznamen „Henker von Prag“. Auch hatte er, mit 37 Jahren jung und ehrgeizig, die Wannseekonferenz geleitet und war maßgeblicher Organisator des Massenmords an den europäischen Juden.
Auf der sogenannten Wannsee-Konferenz kamen am 20. Januar vor 75 Jahren in einer Villa am Wannsee in Berlin 15 hochrangige Vertreter der nationalsozialistischen Reichsregierung, der NSDAP und der SS zusammen, um unter dem Vorsitz von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, dem Chef der sogenannten Sicherheitspolizei, den begonnenen Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren und die Zusammenarbeit der beteiligten Instanzen zu koordinieren.
Auf den Anschlag reagierten die Nationalsozialisten mit einer massiven Terrorwelle. Die Attentäter wurden in einer Kirche eingekesselt und getötet. Tausende Tschechen wurden standrechtlich erschossen. Viele Unschuldige wurden verhaftet, darunter auch der damals 16-jährige Schüler Miroslav Kubik. Mit seiner Klasse des Gymnasiums in Roudnice (Raudnitz) an der Elbe geriet er unter falschen Verdacht.
Attentat auf Heydrich: Noch heute entdecken Forscher Einzelheiten zu Planung und Ablauf
Ein etwas eigenartiger Mitschüler habe sich wohl bei einem Mädchen wichtig machen wollen und behauptet, er habe den Attentätern geholfen, sagte Kubik vor einiger Zeit. Davon bekam die Geheimpolizei Wind. „Wir waren unschuldig“, sagte Kubik, als er noch einmal das ehemalige Gestapo-Gefängnis in Theresienstadt besuchte. Er zeigte auf ein kleines Dachfenster: „In dieser Zelle, da oben, da war ich drei Monate.“ Später überlebte er die Konzentrationslager Auschwitz und Dachau.
Auch heute, 75 Jahre nach dem Attentat, entdecken Forscher noch immer neue Einzelheiten zu dessen Planung und Ablauf. Wichtige Akten der britischen Sondereinsatztruppe SOE, welche die Attentäter ausgebildet hatte, sind noch nicht lange zugänglich. Ein großes Rätsel sei ungelöst, sagt der Historiker Jan Nemecek: „Bis heute wissen wir nicht, wer das Attentat angeordnet hat, denn das ist nirgendwo in den Papieren vermerkt.“
Das Computerspiel „Attentat 1942“ soll an die Geschichte erinnern
Angesichts der grausamen Repressalien der Nazis, wie der Vernichtung des Dorfes Lidice, wollte auch nach dem Krieg niemand einräumen, den Befehl gegeben zu haben. „Das hätte bedeutet, auch die Verantwortung für die Toten zu übernehmen“, sagte Nemecek. Der tschechoslowakische Exil-Präsident Edvard Benes und sein Exil-Geheimdienstchef Frantisek Moravec behaupteten demnach, der jeweils andere habe das Kommando gegeben.
Mit einer Sonderbriefmarke, Ausstellungen und Zeitungsartikeln wird dieser Tage in Tschechien an Gabcik und Kubis erinnert. Ein ungewöhnliches Projekt soll ihre Tat jungen Menschen näherbringen. Vit Sisler von der Karls-Universität in Prag hat mit seinen Kollegen ein Computerspiel entwickelt, das im Herbst auch auf Deutsch erscheint. Es heißt „Attentat 1942“. In Tschechien habe bereits jeder fünfte Geschichtslehrer das Spiel heruntergeladen, sagt Sisler: „Die Rückmeldungen von Schülern und Lehrern sind sehr positiv.“
Der Spieler tritt in die Rolle eines Enkels oder eine Enkelin des Postbeamten Jindrich Jelinek, der unmittelbar nach dem Attentat von der Gestapo verhaftet wird. Gespräche und Dokumente müssen geführt und gelesen werden. Sisler sagt: „Es ist am Spieler, herauszufinden, was tatsächlich geschehen ist.“ (dpa)