Obamas Bilanz Obamas Bilanz: Der coolste Präsident der Geschichte hat den Mund zu voll genommen

Washington - Die Abschiedsrede an das Volk ist am Dienstagabend noch zu halten. Dann ist es vorbei. Die Amtszeit von Barack Obama ist zu Ende. Der 44. Präsident der USA hat sein Land und auch die Welt verändert. Obama, daran gibt es keinen Zweifel, war der coolste Präsident in der Geschichte der USA. Aber eine glückliche Hand hatte er dabei nicht immer. Er startete mit dem Slogan „Hoffnung und Wandel“. Nach acht Jahren muss man sagen: Obama hat viele Hoffnungen geweckt. Der Wandel hat sich allerdings nur teilweise eingestellt.
Das zeigt sich am deutlichsten in der Außenpolitik. Obama hat seine Versprechen eingehalten und die kriegsmüden USA nicht in neue militärische Abenteuer mit unklarem Ausgang geführt. Er hat die Zahl der US-Soldaten in Afghanistan dramatisch reduziert und die Truppen aus dem Irak abgezogen - allerdings sind dort inzwischen wieder so viele sogenannter Militärberater im Einsatz, das man schon wieder vom Einsatz von Bodentruppen sprechen kann. Er schickte die USA auf Annäherungskurs zu Kuba, handelte mit dem Iran einen Atom-Deal aus. Das waren zweifelsohne Erfolge, die bis zu Obamas Amtsantritt undenkbar waren und unter Obamas Nachfolger Donald Trump wieder in Frage stehen.
Kein Pazifist
Aber ein Pazifist war der heute 55 Jahre alte Obama nicht. Er führte Kriege im Verborgenen. Wenn das Osloer Komitee, das ihm 2009 den Friedensnobelpreis verliehen hat, geahnt hätte, wie kriegerisch Obama sein würde, hätte er die Auszeichnung wahrscheinlich gar nicht bekommen. Der 44. US-Präsident, der über die Jahre viel von seinem jugendlichen Elan verloren hat und im Amt grau geworden ist, war ein Schattenkrieger. Statt in die Schlacht zu ziehen wie noch sein Vorgänger, verlegte sich Obama auf Drohnen-Attacken und den Einsatz von Spezialkommandos gegen Terrorpaten wie Osama bin Laden.
Doch Obamas Doktrin der militärischen Zurückhaltung ließ manche Konflikte erst recht eskalieren. Libyen und vor allem Syrien sind die Schauplätze, auf denen Obamas außenpolitische Zögerlichkeit Probleme schaffte, nicht löste. Es ist ihm nicht gelungen, Guantanamo zu schließen. Die NSA-Abhöraffäre zeigte gerade den Deutschen, dass der Mann, den sie 2008 an der Siegessäule in Berlin bejubelt hatten wie einen überirdischen Heilsbringer, eben doch nur ein Mensch ist, der die Interessen seines eigenen Landes über alle anderen stellt.
Innenpolitisch war Obama der Mann der großen Worte, die nach einer Zukunft klangen, wie man sie seinen Kindern wünscht. Kurz nach seinem Sieg über Hillary Clinton bei den demokratischen Vorwahlen des Jahres 2008 sagte der ehemalige Professor für Verfassungsrecht in blumigen Bildern: „Ich bin absolut sicher, dass wir in einigen Generationen zurückblicken und unseren Kindern sagen können, dass dies der Moment war, als wir begannen, den Kranken Pflege und den Arbeitslosen gute Jobs zu geben. Dass dies der Moment war, als sich der Anstieg der Ozeane zu verlangsamen und unser Planet zu heilen begann. Dass dies der Moment war, als wir einen Krieg beendeten und unsere Nation sicherten und unser Bild als die letzte, beste Hoffnung auf Erden wiederherstellten.“ Das klang verlockend nach Aufbruch. Schnell war von einem schwarzen Kennedy die Rede.
Obama als Versöhner
Obama, das wurde schon Jahre vor seinem Amtsantritt im Januar 2009 deutlich, wollte ein Versöhner sein - der Mann, der die auseinander driftende Gesellschaft in den USA vereint. Ein kluger Idealist mit pragmatischem Intellekt, ein Weltbürger mit schwarzem Vater aus Afrika, weißer Mutter aus Kansas, der gewissermaßen auf drei Kontinenten gleichzeitig zu Hause war.
Sein Selbstbewusstsein demonstrierte Obama schon lange vor seiner ersten Wahl zum Präsidenten. Vor mehr als zwölf Jahren stand er als junger Senator des Bundesstaats Illinois auf einer Bühne in Chicago und sprach vor den Delegierten des Demokraten-Parteitags, die John Kerry zum Präsidentschaftskandidaten ausrufen sollten. Barack Obama sagte einen Satz, den er in späteren Jahren immer wieder in Abwandlungen wiederholen würde: „Es gibt kein weißes Amerika, es gibt kein schwarzes Amerika, kein Amerika der Latinos, keines der Asiaten - es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika.“
Das Land ist gespalten
Heute muss man sagen: Den großen Versöhnungsakt hat er nicht geschafft. Das Land ist gespalten wie eh und je. Der Rassismus grassiert. Die Armen sind in Obamas Amtszeit nicht reicher geworden, die Reichen dagegen schon. Obamas Partei liegt erschöpft am Boden. Der Präsident ist gescheitert. Seine innenpolitischen Erfolge könnten sich als kurzlebig erweisen. Er hat zwar eine Krankenversicherung eingeführt, den Umweltschutz zum Thema gemacht, eine moderne Energiepolitik betrieben und ein vergleichsweise mildes gesellschaftliches Klima nach den langen Bush-Jahren geschaffen. Doch all das kann Donald Trump schnell, vor allem aber nachhaltig beseitigen. Schärfere Waffengesetze, für die sich Obama in seiner Amtszeit vergeblich eingesetzt hat, muss Trump gar nicht erst beseitigen. Es gibt sie nicht.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Bushs Erblast aus Kriegen und Wirtschaftskrise gewaltig drückte. Obama musste gegen Widerstände ankämpfen wie kaum ein anderer Präsident vor ihm. Es war das erklärte Ziel vieler Republikaner im Land, Obama scheitern zu sehen - koste es, was es wolle. Kompromisse wurden für falsch erklärt und deswegen gar nicht erst angestrebt. Aber solche Hinweise zählen nicht in der politischen Wirklichkeit der USA. Obama war der Präsident, er durfte entscheiden, er war verantwortlich.
Vermutlich hätten sie ihn wieder gewählt
Paradoxerweise genießt Obama kurz vor dem Ausscheiden aus dem Amt hohe Beliebtheitswerte im Volk. Neulich hat er gesagt, er wäre, wenn es denn die Verfassung hergäbe, von den Amerikanern auch ein drittes Mal gewählt worden. Er hat wahrscheinlich Recht. Das Original hätte es noch einmal geschafft.
Hillary Clinton schaffte es nicht. Die Amerikaner zogen es vor, gleich einen radikalen Schnitt zu machen und Trump zu wählen. Ein skandalumwitterter Immobilienmilliardär zieht demnächst ins Weiße Haus. Der Verfassungsrechtler, der in seinen acht Amtsjahren von keinem einzigen Skandal um seine Person oder Familie geplagt wurde, geht. Die Wählerinnen und Wähler in den USA haben sich für Antithese zu Obama entschieden. Clinton blieb der Wahlsieg versagt, obwohl sie fast drei Millionen Stimmen mehr als Trump erhielt. Dafür ist das Wahlsystem in den USA verantwortlich.
Immerhin: Barack Obama, Nummer 44 in der Liste der US-Präsidenten, wird als erster afro-amerikanischer Präsident in die Geschichtsbücher eingehen. Das kann ihm niemand nehmen, so sehr sich auch Nummer 45 bemühen wird, das Vermächtnis Obamas zu schleifen.
Am Ende drängen sich zwei Fragen geradezu auf. Hat der Schönredner Obama wirklich alle Chancen genutzt, die ihm das Amt geboten hat? Nein. Hat Obama den Mund zu voll genommen? Ja