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Norbert Blüm wird 70 Jahre alt Norbert Blüm wird 70 Jahre alt: «Jetzt werden wir am See frühstücken»

19.07.2005, 16:44

Berlin/MZ. - Was fehlt Ihnen zum Glück?

Blüm: Glück? Das sind Augenblicke und kein Lebenszustand. Insofern geht es nicht um Glück, sondern um Übereinstimmung mit sich.

Gelangen Sie zur Identität eher in finnischen Wäldern als zu Hause?

Blüm: Finnland gehört zu den Inseln, auf denen ich diesen Zustand suche. Ein Dauerzustand wäre Finnland auch nicht. Denn ein Mensch, der nur mit sich beschäftigt ist, ist krank.

Wofür kämpft Blüm heute?

Blüm: Für Gerechtigkeit. Soziale Ordnung kann nicht nur in Rivalität bestehen. Es gibt keinen Menschen, der in allen Situationen stark ist. So ein Mensch ist eine Karikatur.

Ziehen Sie mit 70 Bilanz?

Blüm:Ich bin kein Buchhalter. Die Momente der Rechenschaft kommen in extremen Situationen, in Krankheit und Glück. Insofern muss man den Tag nicht so hoch hängen. Das ist ein Anknüpfungspunkt, um mit anderen zusammen zu sein.

Mit Freunden aus der Politik?

Blüm: Freundschaft ist was Privates, politische Freundschaft was Öffentliches. Das sind Bündnisse mit Leuten, die denken wie man selbst, einen aber nicht hindern dürfen, sich kritisch zu betrachten. Freundschaft sieht über alles hinweg. Finnland ist mehr eine Fahrt zu den Sternen. Das ist hier kein Rummelplatz. Zudem feiere ich nicht Geburtstag als politische Versammlung. Ich feiere hier mit Beeren und Bären, mit Fischen, mit Wasser, mit Sonne, mit Wald und mit Familie. Es sind auch Freunde aus Deutschland da.

Daheim gäbe es einen Empfang.

Blüm: Ich bin kein Messdiener meiner selbst.

An Empfängen zum 75. Geburtstag Helmut Kohls war kein Mangel.

Blüm: Dem gönne ich's auch. Der hat viel geleistet in seinem Leben. Nur an einer Stelle bin ich elementar anderer Meinung als er.

In der Spendenaffäre.

Blüm: Ja. Ich ziehe den Hut vor ihm. Doch der Rechtsstaat ist eine der größten Menschheits-Erfindungen.

Derzeit gibt es wieder viele Politiker, die nicht loslassen können. Leiden Sie mit den Süchtigen?

Blüm: Zu meinen guten Vorsätzen gehört, bis ans Ende neugierig zu bleiben. Das schaffst du nicht, ohne neu anzusetzen zu einem dritten Lebensabschnitt. Den musst du mit Saft beginnen.

Hatten Sie in der Politik mal Angst?

Blüm:Ja, im Kampf um die Pflegeversicherung beispielsweise.

Kann ein Politiker Angst zugeben?

Blüm: Nicht wenn daraus geschlossen wird, man hätte aufgegeben. Man kann zugeben, dass man unsicher ist. Sicher ist der liebe Gott.

Wovor hat man mit 70 Angst?

Blüm: Ich vor einer Krankheit, die mir den Verstand nehmen würde, und davor, jemanden aus der Familie oder Freunde zu verlieren. Dafür habe ich die Angst verloren, nichts zu werden oder nichts zu gelten.

Was bringt Ihnen der Tag?

Blüm: Jetzt werden wir am See frühstücken. Dann werden wir rausfahren mit dem Boot und die Reusen besichtigen. Ich hoffe, es sind keine Fische drin. Ich bringe sie ungern um.