Malaysia Malaysia: Unabhängig, reich und auf dem Weg zur Spaltung

Singapur/Kuala Lumpur/dpa. - Die Nation ist wirtschaftlich und politischstark, aber in der Bevölkerung wächst ein Graben zwischen denethnischen Malayen und den indisch- und chinesischstämmigenEinwohnern. Die Diskussion über die Rolle des Islam im Landverunsichert die 40 Prozent der Bevölkerung, die anderen Religionenangehören.
Als Malaysia 1957 nach mehr als 140 Jahren unter britischemEinfluss die Unabhängigkeit erlangte, war das rohstoffreiche Landein Agrarstaat. Vor allem Premierminister Mohamed Mahathir betriebdie rigorose Industrialisierung. In seinen 22 Amtsjahren bis 2003verwirklichte er seine Vision eines modernen Staates, inklusivezahlreicher kostspieliger Prestigeobjekte wie der heimischenAutoindustrie und der bei ihrer Fertigstellung 1998 größtenWolkenkratzer der Welt, der Petronas Towers. Malaysia ist den meistenNachbarn in Südostasien heute weit voraus. Die Wirtschaft läuft - mitWachstumsraten von sechs Prozent in diesem und im nächsten Jahr.
Mit der florierenden Wirtschaft und seiner guten Infrastruktursieht Malaysia sich als Brückenkopf zwischen westlichen undislamischen Ländern. Der Direktor der deutsch-malaysischen Handelskammer sieht großes Potenzial. «Malaysia ist daseinzige islamische Land mit einer modernen Volkswirtschaft», sagtRainer Herret. «Es könnte das Zentrum des modernen Islam werden.»Malaysia gehört inzwischen zu den weltweit wichtigsten Finanzplätzenfür Gelder aus islamischen Ländern. Sie werden unter religiösenGesichtspunkten nicht in Firmen mit Alkohol- undGlücksspielverbindungen investiert und ohne Zinszahlung angelegt. DieHauptstadt Kuala Lumpur und die Urlaubsorte an der Westküste lockenerfolgreich zahlungskräftige Urlauber aus dem Nahen Osten an.
Doch die schleichende Islamisierung ist genau der Stein desAnstoßes für viele Malaysier. 60 Prozent der Bevölkerung sindUreinwohner der Halbinsel, ethnische Malayen; 25 Prozent sindchinesischstämmig und neun Prozent indischstämmig. Verwunderung riefder stellvertretende Ministerpräsident Najib Razak im Sommer mitseiner Feststellung hervor: «Malaysia ist immer schon ein islamischerStaat gewesen.» In der Verfassung steht es anders. Mit Befremdenreagieren Nicht-Muslime auch auf manchen neuen Erlass.
So dürften nicht-muslimische Kinder keine gekochten Mahlzeitenmehr mit in die Schule bringen - weil darin Muslimen verbotenesSchweinefleisch enthalten sein könnte, sagt Oysim Chin von derFrauenhilfsorganisation «Women's Aid Organisation»: «Viele Elternwollen ihre Kinder nicht mehr auf staatliche Schulen schicken.» Einindischstämmiger Industriemanager in Bintulu fragt sich, ob seineKinder eine Zukunft in Malaysia haben. «Sie fühlen sich in der Schuleausgegrenzt», sagt er. «Wir haben diesen Unsinn eigentlich langegenug mitgemacht.»
«Die Einheit bröckelt», stellte das malaysische ForschungsinstitutASLI unlängst fest. «Ethnische, linguistische und religiöse Gräbensind tiefer geworden. Das hätte nach 50 Jahren Aufbau einer Nationnicht passieren dürfen.» Davon will die Regierung nichts wissen. Siewies den ASLI-Bericht zurück. «Ein cleverer Versuch, das Land zuentzweien», meinte Informationsminister Zainuddin Maidin spitz.
Zumindest bei den Feierlichkeiten dieser Woche dürften solcheSpannungen in den Hintergrund treten. Bei Festen und Feuerwerkenschwenken die Malaysier alle die gleiche Flagge. «Vielleicht willauch niemand so richtig am Status Quo rütteln», sagt Chin. «Wir habenja alle ein ziemlich gutes Leben hier.»
