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SPD-Debakel Landtagswahl: NRW wird zum bösen Omen für SPD und Martin Schulz

Von Tobias Peter 14.05.2017, 19:47
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nach der Wahl.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nach der Wahl. AFP

Berlin - Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat steht leicht gebeugt über dem Rednerpult im Willy-Brandt-Haus. Und er hält sich daran fest. „Das ist ein schwerer Tag für die SPD, ein schwerer Tag auch für mich persönlich“, sagt der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat seiner Partei. Schließlich komme er selbst aus dem Land, in dem die SPD gerade „eine krachende Niederlage“ eingefahren habe. In langsam intonierten Worten gratuliert Schulz dem CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet. Dann dankt er Hannelore Kraft, die in Düsseldorf gerade als SPD-Landeschefin zurückgetreten ist. Sie habe Größe gezeigt, sagt Schulz.

Lange ging es für die Sozialdemokraten bei einer Wahl nicht mehr um so viel. Es war von vorneherein klar: Ein Sieg in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, wäre eine Chance, die Schulz-Kampagne im Bund nach den verlorenen Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein wieder in Fahrt zu bringen. Genauso klar war aber auch: Es würde schwierig sein, sich von einer Niederlage im eigenen Stammland schnell zu erholen.

Chancen der SPD bei der Bundestagswahl verschlechtern sich

Ist die Bundestagswahl jetzt also mit einem Schachspiel vergleichbar, das zwar noch länger andauert, das aber aller Voraussicht nach verloren geht? Diese Frage steht jetzt für die Sozialdemokraten im Raum. Der einstige Schwung der Schulz-Kampagne nach dessen Nominierung als Kanzlerkandidat lebte auch davon, dass dieser mit Überzeugungskraft sagte: „Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Jetzt steht es 0:3 in Landtagswahlen.
Greift man das Bild vom Schachspiel auf, so gilt jetzt: Bei der SPD müssen sie jetzt auch darauf hoffen, dass der Gegner einen Fehler macht. Vielleicht auch darauf, dass etwas Unvorhergesehenes passiert. So, wie wenn jemand im Vorbeigehen das Spielbrett plötzlich umschmeißt. Abgesehen davon gilt natürlich: Der Wählerwille ist schnelllebig und volatil geworden.

Die Bedeutung von Nordrhein-Westfalen für die SPD hat sich in der Vergangenheit am drastischsten im Jahr 2005 gezeigt: Als die Partei im Zuge der Debatte über die Agenda 2010 die Wahl in dem Land verlor, zog Kanzler Gerhard Schröder die Reißleine. Er entschied sich für eine vorzeitige Neuwahl im Bund. Angela Merkel wurde Kanzlerin.
Als Sigmar Gabriel sich entschied, den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur in die Hände von Martin Schulz zu legen, dürfte er gewusst haben, welche Risiken gerade in den Landtagswahlen in diesem Frühjahr liegen können. Die Schlappe im Saarland – nun gut. Aber schon mit der Niederlage in Schleswig-Holstein hätten dem umstrittenen Gabriel als Vorsitzendem heftige innerparteiliche Debatten gedroht. Schulz hat durch die anfängliche Euphorie nach seiner Nominierung und mehr als 16.000 Parteieintritte viel politisches Kapital für sich in der SPD gesammelt. Jetzt, nach dem historischen Tief in NRW, muss er sehen, was es wert ist – und ob die Partei ihm weiter geordnet folgt.

Dass es bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auch um Schulz ging, war nach den zwei verlorenen Landtagswahlen zuvor unvermeidlich. Das mag einerseits nicht zwingend stimmig erscheinen, da es nicht zuletzt stark um die landespolitische Bilanz bei Themen wie Bildung, innere Sicherheit und Infrastruktur ging. Andererseits hat Schulz einen ähnlichen Politik-Ansatz wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Sie inszenierte sich als Kümmerin, sein Credo lautet: Die Sozialdemokraten müssten den Menschen zeigen, dass sie an ihre Probleme denken. Dieses Gefühl zu vermitteln sei wichtiger als manches geschliffene Argument.

In der SPD tun die Spitzenkräfte am Wahlabend alles, um Schaden von Schulz fernzuhalten. Im Willy-Brandt-Haus gibt es viel Applaus, als auf den Bildschirmen das Statement von Hannelore Kraft in Düsseldorf gezeigt wird. In diesem erklärt sie, einen Wahlkampf geführt zu haben, „in dem es fast ausschließlich um landespolitische Themen ging“. SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann sagt, Schulz könne jetzt „einen von der Landespolitik unbeschwerten Wahlkampf“ führen.
Und was macht der Kanzlerkandidat selbst? Er sagt sehr wohl, „dass wir nachdenken müssen, was wir hier in Berlin ändern müssen“. Dann aber schwenkt Schulz auf Zuversicht. Die Partei werde jetzt in der Wahlauseinandersetzung um die Bundestagswahl einsteigen. Und: „Es geht darum, dass dieses großartige, unser reiches Land gerechter gestaltet wird.“
Jetzt hat Schulz die Hände nicht mehr am Pult, sondern er gestikuliert wieder – wenn auch recht zurückhaltend, halbhoch über dem Rednerpult.