Experten erklären Experten erklären: Warum lagen Meinungsforscher vor der Wahl so daneben?

Washington - Die Meinungsforscher lagen falsch. Noch Stunden vor der Wahl lag bei den großen Meinungsforschungsinstituten wie „Survey Monkey“ , „Ipsos“ oder „ABC/Washington Post“ Hillary Clinton in den Prognosen weit vor Donald Trump.
Die „New York Times“ lag falsch, genauso wie „NBC News“ und die meisten anderen Medien und Webseiten. Von 67 Umfragen in den vergangenen Tagen hatten nur vier Trump vorne gesehen.
Schmach der Demoskopen?
Kaum einer hatte damit gerechnet, dass Trump am Ende der neue Präsident der USA werden wird. Warum? Wie können sich Demoskopen und Analysten so sehr täuschen? Die Gründe sind vielfältig.
Eine Erklärung findet Mona Chalabi, Datenjournalistin des „Guardian“: Sie schreibt, dass sie schon seit langem besorgt darüber sei, wie viel Vertrauen die Öffentlichkeit in Umfrageergebnisse lege.
Der „Shy Trump Effekt“
Menschen würden ihre Meinung aber ändern, sie verweigern oder sogar lügen. Experten nannten dieses Phänomen bezüglich der US-Wahl schon vor dem 9. November als „Shy Trump Effekt“: Eingeschüchterte Wähler äußerten sich nicht mehr öffentlich zu Trump oder sagten den Meinungsforschern schlichtweg nicht die Wahrheit.
Fast zwei Jahre habe Chalabi für die Internetseite FiveThirtyEight gearbeitet, eine Homepage, die ihren Schwerpunkt auf Meinungsumfragen und -analysen legt.
Dort sei sie „desillusioniert“ worden. „Es sah manchmal so aus, als sei die Interpretation der Daten nicht frei von subjektiver Beeinflussung“, kritisiert Chalabi. Sie beobachtete eine gewisse Arroganz bei den Menschen, die sich offenbar zu einer Elite zugehörig fühlten, weil sie diese Daten erhoben.
Dies hätte dazu geführt, dass nicht sauber geprüft wurde, schreibt die Journalistin weiter. Alle lagen falsch, weil „sie der Versuchung nicht widerstehen konnten, das Wahlverhalten der Wähler erraten zu wollen“, glaubt die Autorin.
Eine andere Erklärung: Der Wahlmänner-Effekt
Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner, ehemaliger Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid, erkennt andere Gründe in den fehlerhaften Prognosen. „Man darf nicht vergessen, dass wir in Amerika ein ganz anderes Wahlrecht haben. Ich nenne das den Wahlmänner-Effekt“, erklärt er.
Wie bekommt man representative Ergebnisse?
Bei 50 Bundesstaaten müsse man jeden Staat getrennt untersuchen und auch mehr Interviews führen, um repräsentative Ergebnisse zu bekommen. Interessanter seien die absoluten Zahlen der Wählerstimmen und nicht die Wahlmänner-Ergebnisse.
„Wenn die sehr weit auseinander liegen würden, könnte man auf die Demoskopen schimpfen. Ich denke nicht, dass die Meinungsforschungsinstitute schlechter arbeiten als wir“, ist sich Schöppner sicher.
Findet nur Mainstream Beachtung?
Fakt ist allerdings auch, dass abweichende Umfragen zur US-Wahl in den Medien kaum Beachtung fanden. Die Prognosen von IBDT/IPP (eine Zusammenarbeit zwischen Investor's Business Daily und TechnoMetrica Market Intelligence), die auf Grundlage aktueller Meinungen einer Stichproben-Gruppe erstellt wurden, hatte ebenso Donald Trump vorn wie die University of Southern California in Zusammenarbeit mit der Los Angeles Times.
IBD/TIPP gehört zu den besten Instituten
Beide lagen während des Wahlkampfs quer zum Mainstream – und damit richtig. IBD/TIPP hatte sogar die Reputation mit in die Wahl 2016 gebracht, bei der US-Wahl vier Jahre zuvor eines der am besten liegenden Institute gewesen zu sein.
Der Erfolg des LA Times stützt die These vom „Shy Trump Effekt“, denn die Umfrage war anonym. „Es liegt der Verdacht nahe, dass Clinton-Anhänger mit einer höheren Wahrscheinlichkeit das auch so sagen, Trump-Anhänger weniger“, sagte Arie Kapteyn, Leiter der Studie. (mit dpa)