Bundeswehr-Skandal Bundeswehr-Skandal: Ursula Von der Leyen gerät nach Truppen-Schelte selbst in die Kritik

Berlin - Mit einer drastischen Rüge an der Bundeswehr hat deren oberste Dienstherrin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), auf die neuesten Enthüllungen im Bundeswehr-Skandal reagiert – und damit selbst Kritik auf sich gezogen. „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“, sagte von der Leyen am Sonntag im ZDF.
Wenn die Vorgesetzten nicht ihre Verantwortung wahrnähmen, „dann werden Dinge aus falsch verstandenem Korpsgeist schöngeredet“, sagte sie: „Es wird weggeschaut, das gärt dann, bis es zum Eklat kommt.“
Vorangegangen waren neue Enthüllungen im Fall des vorige Woche festgenommenen Oberleutnants Franco A., der sich monatelang als syrischer Flüchtling ausgegeben und offenbar einen Anschlag geplant hatte, der dann wohl auf Asylbewerber in Deutschland zurückfallen sollte.
Am Wochenende wurde unter anderem bekannt, dass die Ermittler bei ihm auf eine Liste mutmaßlicher Ziele für Angriffe gegen linke Organisationen und Politiker.
Bundeswehr hatte schon drei Jahre lang Hinweise
Der Spiegel berichtete unter Berufung auf ungenannte Sicherheitskreise, dass bei Hausdurchsuchungen am Mittwoch eine Liste gefunden worden sei, die nun ausgewertet werde. Ob es sich tatsächlich um eine Zielliste handele oder Franco A. aus anderen Gründen Organisationen aufgeführt habe, die sich gegen rechte Gewalt und extremistisches Gedankengut einsetzen, sei noch nicht ermittelt. Allerdings informierten die Behörden Personen und Organisationen auf der gefundenen Liste.
Darunter war nach eigenen Angaben auch die Berliner Linken-Politikerin Anne Helm. Sie sagte dem RBB, sie sei vom Landeskriminalamt informiert worden: „Ich versuche, mich nicht einschüchtern zu lassen, aber das ist natürlich eine Extremsituation.“ Außerdem habe das LKA auch bei die Berliner Organisation „Zentrum für politische Schönheit“ gewarnt, die für Aktionen gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rüstungsexporte bekannt wurde.
Vor allem stellte sich am Wochenende aber auch heraus, dass der Bundeswehr schon seit 2014 Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung des fraglichen Offiziers vorlagen – aber zu keinerlei Konsequenzen führten.
Masterarbeit enthielt völkisches Gedankengut
Die während seines Studiums an der französischen Elitehochschule Saint-Cyr geschriebene Masterarbeit von Franco A. enthielt „ganz klar völkisches, dumpfes Gedankengut“, sagte dazu von der Leyen. Dies sei auch damals aufgefallen, doch „dann hat man das Ganze schöngeredet“ und nicht in die Personalakte aufgenommen und auch nicht dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) gemeldet. Aus ihrer Sicht weist der Fall das gleiche Muster auf wie die Vorfälle sexualisierter Herabwürdigung in Pfullendorf sowie übelster Schikane in Sondershausen. Die Ministerin räumte strukturelle Probleme in der Bundeswehr ein und kündigte weitere Aufklärung an.
Die harschen Äußerungen von der Leyens riefen aber auch Kritik an ihrem eigenen Führungsstil hervor. „Gute Führung fängt zuallererst ganz oben bei der Ministerin selbst an“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, dieser Zeitung. „Angesichts der ungeheuerlichen Skandale sollte eine Ministerin ehrliches und selbstkritisches Krisenmanagement betreiben, statt sich nur um ihre Eigen-PR zu kümmern.“
Die Grüne warf der Ministerin vor, sich erneut „über möglichst markige Verurteilungen billig aus der Verantwortung zu stehlen“. Tatsächlich sei es von der Leyen in ihren gut drei Jahren als Ministerin aber nicht gelungen, Konsequenzen aus Fehlern zu ziehen und die Innere Führung der Bundeswehr zu verbessern. Es brauche Schritte, die „ein für alle Mal deutlich zu machen, dass man bei Missständen nicht wegschauen und verharmlosen darf“, so Brugger.
Sicherheitsprüfung für Soldaten geplant
Auch SPD-Vize Ralf Stegner warf seinerseits der Ministerin „Führungsversagen“ vor. Sein Parteikollege, der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels, wies dagegen auf Lehren aus früheren Skandalen hin. Weil die Bundeswehr „strukturell anfälliger“ für Rechtsextremismus sei als andere Bereiche der Gesellschaft, würden ab Juli alle neuen Soldaten einer Sicherheitsprüfung unterzogen, um bereits auffällig gewordene Nazis oder Islamisten abweisen zu können.
Auch Clemens Binninger (CDU), der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, das auch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr überwacht, nahm MAD und Ministerin dagegen in Schutz. Das Verteidigungsministerium habe das Gremium sofort über den neuen Stand der Dinge informiert – „und der MAD kann nur tätig werden, wenn er selbst informiert wurde“, so Binninger. Er habe aber zuvor keine Hinweise auf eine rechtsextremistische Gesinnung des 28-jährigen Oberleutnants der Bundeswehr gehabt. (mit mdc)