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Bundeswehr im Ausland Bundeswehr im Ausland: Schlechte Bedingungen für kranke Soldaten

Von Bettina Grachtrup 16.03.2007, 07:40
Durch die neue Intensivstation des deutschen ISAF-Einsatzkontingents geht Oberstarzt Ulrich Schwiederski-Menke im Lager Marmal in Masar-i-Sharif (Afghanistan). (Foto: dpa)
Durch die neue Intensivstation des deutschen ISAF-Einsatzkontingents geht Oberstarzt Ulrich Schwiederski-Menke im Lager Marmal in Masar-i-Sharif (Afghanistan). (Foto: dpa) dpa

Koblenz/dpa. - Wiederholt haben jedoch Sanitätsoffiziere deutlich gemacht, dass siedie Versorgung im Inland und der rund 7800 Soldaten im Ausland inGefahr sehen. Von einem Personalmangel ist die Rede, vielenÜberstunden und jungen Medizinern, die schlecht vorbereitet undunerfahren in den Einsatz gehen. Während die Bundeswehrführungbeteuert, dass die medizinische Betreuung sichergestellt ist, fühlensich die Kritiker nicht ernst genommen. «Es bessert sich nichts»,klagt das «Forum Sanitätsoffiziere» mit Sitz in Koblenz und rund 150Mitgliedern.

Mit öffentlicher Kritik an der Bundeswehr halten sich Soldateneigentlich zurück. Im vergangenen Herbst jedoch war der Vorsitzendedes Forums, der Chirurg und Oberarzt am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus, Wolfgang Petersen, an Medien herangetreten. Erhabe dies aus Sorge um die Soldaten im Ausland getan, weil dieFührung die seit langem intern angeprangerten Missstände nicht zumAnlass für konstruktive Gespräche genommen habe. Es gehe nicht umPanikmache, sondern darum, Schlimmeres zu verhindern: «Als Arzt hatman eine moralische und ethische Pflicht, auf bestimmte Dingeaufmerksam zu machen», sagt er.

So berichteten die Medien über eine angehende Hautärztin, dieunzureichend ausgebildet als Notfallmedizinerin in Afghanistanarbeiten musste und vergeblich versuchte, zwei schwer verletztezivile Patienten künstlich zu beatmen. Und über Operationssäle in denBundeswehrkliniken in Deutschland, die nicht mehr besetzt werdenkönnen, weil sich zu viele Sanitätssoldaten im Ausland aufhalten.

«Trotz der langjährigen Auslandserfahrung (des Sanitätsdienstes)gibt es immer noch Einsatzplanungen ohne Sinn und Verstand»,kritisiert Petersen. Grund dafür seien mangelnde Absprachen unter denTeilstreitkräften sowie die vielen Führungsebenen. Häufig mangele esan nötigem Nachschub auch für medizinische Ausrüstung. Ein andererChirurg berichtet, dass er im Ausland notgedrungen auch zu unüblichenLösungen greife. «Man macht einsatzorientiert viele Dinge, die mitdeutschem Recht nicht mehr vereinbar sind.»

Gerade im Jahr 2006 war der Sanitätsdienst unter anderem wegen deshinzu gekommenen Einsatzes im Kongo und der Hilfestellung bei derFußball-WM außergewöhnlich belastet - das bestreitet auch die Führungnicht. Doch Kern des Problems ist, dass der Sanitätsdienst sich wiedie gesamte Bundeswehr in einer Umstrukturierung befindet. Die Zahlder zivilen Dienstposten soll bis Ende 2010 um rund 2800 auf etwa2650 reduziert werden. Der Befehlshaber des Sanitätsführungskommandosin Koblenz, Wolfgang Bick, erklärte, die Differenz werde durchSoldaten kompensiert, die aber zum Großteil noch ausgebildet werdenmüssten. Auch gebe es keine zusätzlichen Soldatenstellen - untermStrich bleibe es bei rund 25 000.

Der Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Kurt-Bernhard Nakath, sah sich zur Stellungnahme veranlasst. Das«Spannungsfeld zwischen laufenden Verpflichtungen und noch nichtvollständig aufgestellten Kräften und Mitteln» führe «teilweise zuerheblichen Belastungen für den Einzelnen», schrieb Nakath in derZeitschrift des Bundeswehrverbandes. Die Hinweise aufUnzulänglichkeiten würden sehr ernst genommen. Es werde mit denAbteilungen der Bundeswehrkrankenhäuser nach Möglichkeiten gesucht,um die «Engpässe» und «Belastungsspitzen» abzufangen.

Der Sanitätsdienst gilt gerade im Ausland als Aushängeschild derBundeswehr. So bauten die Deutschen nach der Tsunami-Flut im Dezember2004 im indonesischen Aceh ein mobiles Rettungszentrum auf und halfenbeim Wiederaufbau der medizinischen Versorgung der dortigenBevölkerung. Der Lazarett-Airbus MedEvac, der Soldaten und Zivilistennach Hause fliegen kann, gilt mit seiner Ausstattung als weltweitführend. «Ein tolles System», sagt Petersen. «Da sitzen häufig sehrgut ausgebildete und erfahrene Notärzte aus den großenBundeswehrkrankenhäusern.» Viele andere Kollegen hätten aber aufGrund der angeprangerten Missstände bereits innerlich gekündigt.