Bilderberg-Treffen Bilderberg-Treffen: Worüber die 150 prominenten Teilnehmer sprechen bleibt geheim

Dresden - Großer Bahnhof in Dresden, ein Prominentenauflauf, wie ihn die sächsische Landeshauptstadt zuletzt erlebte, als US-Präsident Barack Obama zu Besuch war. Damals war die Innenstadt abgesperrt, die Weltpresse berichtete über jede Bewegung von Obama und Angela Merkel zwischen Grünem Gewölbe und Goldenem Buch.
Ganz anders sechs Jahre später. Wenn sich am kommenden Wochenende rund 150 hochrangige Vertreter von Regierungen, Organisationen, Weltkonzernen, aus Generalstäben und von Think Tanks bei der alljährlichen Bilderberg-Konferenz an der Elbe treffen, steht Dresden still und schweiget. „Es tut uns leid, aber für die gewünschten Reisedaten sind keine Zimmer frei“, heißt es auf der Internetseite des Hotels Taschenberg-Palais, in dem die Zusammenkunft ab Donnerstag stattfinden wird. In der Rubrik Pressemitteilungen kein Hinweis auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Innenminister Thomas de Maizière, die ihre Teilnahme in diesem Jahr zugesagt haben.
„Aristokratische Zustände“
Keine Spur auch von den übrigen Gästen, zu denen in den zurückliegenden Jahren Prominente wie Microsoft-Gründer Bill Gates, Google-Chef Eric Schmidt, Ex-US-Außenminister Henry Kissinger, der Bankier David Rockefeller und der ehemalige britische Premier Tony Blair gehörten.
„Die Bilderberg-Konferenz steht für aristokratische Zustände“, schimpft vorab Linkspartei-Chefin Katja Kipping in der Heilbronner Stimme. Die meisten Teilnehmer des Treffens seien nicht demokratisch legitimiert, sondern aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit bessergestellt. „Solche Treffen nützen nur einigen wenigen, die einen privilegierten Zugang zur Politik haben“, klagt Kipping über das heimliche Event in ihrer Heimatstadt.
Die Veranstalter selbst bleiben wortkarg. Die Bilderberg-Konferenz sei eben eine „private Veranstaltung“, betonen sie. Sie diene allein dem internen Meinungsaustausch und sei deshalb für die Öffentlichkeit auch nicht von Interesse.
Eine Argumentation, die über Jahrzehnte verfing. Nach einer Untersuchung des Medienwissenschaftlers Marcus B. Klöckner gab es „über Jahre ein Missverhältnis zwischen der medialen Aufmerksamkeit und der Bedeutung der Bilderberg-Konferenz“. Bis vor fünf Jahren, als das Treffen in Spanien erstmals von größeren Protesten begleitet wurde, gab es in deutschen Medien keinerlei inhaltliche Berichterstattung, zumeist nicht einmal Hinweise auf Termin und Tagungsort. Auch diesmal ist das nicht viel anders. Doch das Innenministerium in Sachsen bestätigt immerhin, dass es das Treffen geben wird und dass die Vorbereitungen auf den Geheimgipfel laufen, der so geheim wie früher nicht mehr ist, weil sowohl die linke Occupy Wall-Street-Bewegung als auch rechte Populisten die Bilderberger als Thema entdeckten.
Kleine Blogs und obskure Nachrichtenseiten berichteten, bei Wikileaks tauchten Protokolle und Teilnehmerlisten auf - und so wurde aus dem Mythos der Konferenz, die es bis dahin offiziell nicht gab, ein Gegenstand, den seriöse Medien nicht mehr übersehen konnten.
Eine ganze Stadt abgeriegelt
Wie auch: Bei dem Treffen im vergangenen Jahr in Telfs in Österreich wurde eine ganze Stadt über Tage abgeriegelt, für Einwohner galt Passpflicht auch bei der Fahrt zum Supermarkt. 2 000 österreichische und 300 deutsche Polizisten waren im Einsatz. Rund um das Tagungshotel galt ein Platzverbot.
Dresden, der erste Ort im ehemaligen Ostblock, an dem die Konferenz Station macht, wird anders werden. Einzelheiten werden zwar nicht genannt. Aber das „Versammlungsgeschehen im Umfeld der Konferenz solle "durch lageangepasste Maßnahmen begleitet" werden, die die Öffentlichkeit nicht beeinträchtigen, heißt es im Innenministerium. "Die Sicherheit für Schutzpersonen des Bundes und der Länder sowie hochrangige internationale Gäste" werde "durch Beamte des Personenschutzes des BKA und des LKA realisiert".
Laut Polizei werden etwa 400 Beamte im Einsatz sein, vor dem Hotel wird zudem ein hoher Zaun aufgestellt, den Sachsen im vergangenen Jahr zum G 7-Treffen angeschafft hatte.
Teilnehmer schweigen sich aus
Nichts Genaueres weiß man nicht. Und so soll es auch sein. Seit der ersten Konferenz, 1954 im Hotel de Bilderberg im niederländischen Oosterbeek durchgeführt, halten es die Bilderberger so. Politik, Wirtschaft, Militär und Finanzwelt sprechen hinter fest verschlossenen Türen miteinander. Weltbanker wie Paul Volcker und Paul Wolfowitz trafen seinerzeit auf Politiker wie Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Colin Powell. „Zeit"-Chef Josef Joffe und Springer-Boss Mathias Döpfner diskutieren mit IWF-Chefin Christine Lagarde und Ex-EU-Boss Romano Prodi. Ganz privat. Nach außen sagt niemand, worüber mit welchem Ergebnis gesprochen wurde.
Eine schönere Vorlage für Verschwörungstheoretiker lässt sich kaum denken. Mangels Berichterstattung wurde aus den bis heute rund 2 500 Bilderberg-Teilnehmern eine geheime Weltregierung. In der Fantasie von Kritikern werden bei den Treffen nichts weniger als Beschlüsse über das Schicksal der Menschheit getroffen.
Doch die Liste der Themen, die das Organisationskomitee in einer Art Transparenzoffensive seit einigen Jahren im Nachgang zu den Treffen auf einer eigenen Internetseite veröffentlicht, spricht dagegen. In den drei Juni-Tagen von Telfs wollen sich die Bilderberger sich beispielsweise mit einer ganzen Liste sehr komplexer Fragen beschäftigt haben. Von künstlicher Intelligenz über chemische Waffen, die Krise der EU, den Austrittswunsch Großbritanniens, Terrorismus, den Zwist mit Russland und die anstehenden US-Wahlen reicht die Palette - und noch so viel weiter, dass eine tiefgründige Beschäftigung mit all diesen Themen kaum vorstellbar scheint.
Dennoch gelten die Bilderberger, wie sie in einschlägigen Internetforen genannt werden, als innerster Zirkel der weltweiten Machtelite. Seit der US-Autor Des Griffin die Bilderberger vor fast 40 Jahren als "Luzifers fünfte Kolonne" bezeichnete, haben Verschwörungstheoretiker wie Jan van Helsing, aber auch eher linke Globalisierungskritiker wie Daniel Estulin und Gerhard Wisnewski oder der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger die "Drahtzieher der Macht" (Wisnewski) als abgehobenen Klub ohne demokratische Legitimation oder Kontrolle kritisiert. Die Bilderberger übten "soft power" aus, es werde "mit Meinungen experimentiert" und Konsens unter Eliten gesucht, glaubt Krüger. "Bilderberg sollte mehr in den Fokus der Öffentlichkeit kommen."
Die Aussichten sind nicht gut, aber besser als noch vor einigen Jahren. In diesem Jahr hat die offizielle Internetseite das Treffen in Dresden selbst angekündigt, wenn auch ohne den genauen Ort zu nennen. Auch werden Teilnehmerlisten in jüngster Zeit vorab veröffentlicht. Selbst die auffallend sparsame Öffentlichkeitsarbeit begründet die Tagungsleitung: Ganz früher habe es einmal jährlich eine Pressekonferenz gegeben. Die habe man dann aber abgesagt, weil es kein Interesse von Journalisten gegeben habe, daran teilzunehmen.