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Afrika Afrika: Das Trauma der Kindersoldaten in Uganda

09.09.2005, 07:34
Der 15 Jahre alte Francis Oyugi war vier Jahre lang Kindersoldat in der ugandischen Rebellenarmee LRA. Er wurde entführt und zum Töten gezwungen. Wenn er sich geweigert hätte, wäre er selbst gefoltert und getötet worden. Vor zwei Wochen gelang ihm die Flucht. (Foto: dpa)
Der 15 Jahre alte Francis Oyugi war vier Jahre lang Kindersoldat in der ugandischen Rebellenarmee LRA. Er wurde entführt und zum Töten gezwungen. Wenn er sich geweigert hätte, wäre er selbst gefoltert und getötet worden. Vor zwei Wochen gelang ihm die Flucht. (Foto: dpa) dpa

Pajule/dpa. - Er hat dabei die Arme hinter der Stuhllehne verschränkt und starrt auf den Boden.

Vor zwei Wochen gelang ihm die Flucht. Seitdem wird er in einemAuffanglager in der Ortschaft Pajule betreut, das von derOrganisation Caritas international finanziert wird. Noch hat erniemandem genau erzählt, was er erlebt hat. Die Sozialarbeiter müssen erst allmählich sein Vertrauen gewinnen. «Viele kommen irgendwann an einen Punkt, an denen alles aus ihnen heraussprudelt», sagt die ugandische Trauma-Expertin Grace Arach. Sie hat Kinder betreut, die auf Befehl ihre Eltern ermordet oder das eigene Dorf überfallen und dort Hütten angezündet haben.

Im Norden Ugandas kämpft seit fast zwei Jahrzehnten die«Widerstandsarmee des Herrn» (LRA) gegen die ugandischen Streitkräfteund terrorisiert dabei die Zivilbevölkerung. Die Rebellenarmeebesteht zum größten Teil aus entführten Kindern, die wie Francis zuGewalttaten gezwungen werden und mit ansehen müssen, wie diejenigenzu Tode geprügelt werden, die nach einem misslungenen Fluchtversuchwieder gefangen werden. Ihr Anführer, Joseph Kony, versteht sich nachBerichten von Ex-Rebellen zugleich als spiritueller Führer. Erversteckt sich seit Jahren im Südsudan, und niemand weiß genau,welches politische Ziel er eigentlich verfolgt.

«Kony hat im Busch Gottesdienste gefeiert, bei denen auch Tieregeschlachtet wurden», erzählt Francis. «Ich war stolz, dass ich ihnsehen konnte, aber ich hatte auch Angst vor ihm, weil er so vieleMenschen getötet hat.» Über Kony gibt es zahlreiche Legenden, die ihnals unbesiegbar darstellen. Er stammt aus einer katholischen Familie,hat aber mittlerweile seinen eigenen Kult entwickelt, mit dem erseine Führerschaft in der Rebellenbewegung festigt.

«Das Trauma kann viele Formen haben», sagt Arach. Manche Kinderhätten schlimme Albträume, andere seien angespannt oder scheinbargrundlos aggressiv. «Ich habe ein Kind erlebt, dass zwei Jahre langam ganzen Körper zitterte», erzählt die Sozialarbeiterin. Viel Zeitbleibt nicht, jedes einzelne Kind intensiv zu begleiten. «Manchmalmuss ich mich an einem Tag hintereinander um 30 traumatisierte Kinderkümmern. Sie brauchen alle Hilfe, da kann ich ja nicht sagen, dassich müde bin», sagt die zarte Frau.

In ihrer Arbeit greift sie manchmal auf traditionelleReinigungsriten des Acholi-Volkes zurück. Dazu gehört zum Beispiel,dass Kinder ein Ei zertreten müssen, um symbolisch mit ihrerVergangenheit zu brechen. Manche verbringen mehrere Tage bei einemtraditionellen Heiler, der ein Tier schlachtet und dessen Eingeweideauf dem Körper des Kindes verteilt. «Das hat nicht viel mit Religionzu tun, es ist eher eine psychologische Methode, die oft hilft,schlimme Erlebnisse zu verarbeiten», meint Arach.

Der geflohene Kindersoldat Francis zeigt nach einer Weile einzaghaftes Lächeln, als er gefragt wird, was er sich für seine Zukunftwünscht. «Ich glaube, mein Kopf ist nicht mehr gut genug, um in dieSchule zu gehen», sagt er. «Aber vielleicht kann ich ja eine Arbeitfinden.» Soldat möchte er jedenfalls nie wieder sein.