Mitgliederschwund bei der Gewerkschaft Mitgliederschwund bei der Gewerkschaft: Verdi muss Gürtel enger schnallen
Berlin/MZ. - Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will wegen ihres steten Mitgliederschwunds und sinkender Beitragseinnahmen in den kommenden Jahren massiv Personalkosten einsparen. Von den heute rund 5200 Stellen bei der Gewerkschaft stehen bis 2007 rund 1000 zur Disposition, sagte Gewerkschaftssprecher Harald Reutter.
Aus einem internen Verdi-Papier geht hervor, dass bei der mit 2,7 Millionen Mitgliedern größten Einzelgewerkschaft der Welt eine Vier-Tage-Woche ohne Lohnausgleich und ein Verzicht hauptamtlicher Mitarbeiter auf das 13. Monatsgehalt und das Weihnachtsgeld im Gespräch ist, um Kündigungen zu vermeiden. Reutter bestätigte die Überlegungen, sprach aber von einem "Arbeitspapier" des Personalressorts, das in den kommenden Wochen vom Vorstand beraten werden soll. In die Gespräche soll dann auch der Betriebsrat einbezogen werden. Verdi hat sich bei der Gründung vor zwei Jahren zum Ziel gesetzt, den Anteil der Personalkosten an den Beitragseinnahmen bis 2007 auf 50 Prozent zu senken, um nicht das eigene Vermögen für Personalkosten aufzehren zu müssen. Durch natürliche Fluktuation und Altersteilzeit allein sei dies aber nicht zu schaffen, sagte Reutter.
In diesem Jahr ergibt sich ein Pesonalkostenüberhang von 59 Millionen Euro. Allein durch die sinkenden Beitragseinnahmen beläuft sich der Personalüberhang in diesem Jahr auf rund 200 Vollzeitstellen. Gehen die Mitgliedszahlen weiter im gleichen Ausmaß zurück wie bisher, hat Verdi dieser Maßgabe zufolge in den kommenden zwei Jahren weitere 400 Stellen zu viel. "Nun zeigt sich, dass Verdi den Funktionärsapparat nicht aufrecht erhalten kann", sagte der Gewerkschaftsforscher Manfred Wilke.
Alarmiert reagierte der Betriebsrat. Verdi-Gesamtbetriebsratschef Bernd Bajohr sagte, dass Gremium sei dabei, eigene Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Auf betriebsbedingte Kündigungen will Verdi verzichten, eine Betriebsvereinbarung schließt solche bis 2007 aus. Durch eine Vier-Tage Woche ohne Lohnausgleich könnten Angaben der Gewerkschaft zufolge 37 Millionen Euro gespart werden, durch einen Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld würden weitere 20 Millionen Euro weniger fällig.
Bei der Fusion der fünf Einzelgewerkschaften ÖTV, DAG, HBV, IG Medien und der Postgewerkschaft vor zwei Jahren war Verdi mit einem erheblichen Personalüberhang gestartet, weil schon die Einzelgewerkschaften vergleichsweise üppig mit Personal ausgestattet waren und nach der Fusion viele Stellen doppelt besetzt waren. Von der Entwicklung bei Verdi kann darum nicht automatisch auf die Beschäftigungssituation der anderen großen Einzelgewerkschaften geschlossen werden.
Ein Sprecher der IG BCE sagte, von 1998 bis 2003 sei die Beschäftigtenzahl von 1200 auf 1060 gesunken. "Betriebsbedingte Kündigungen aber hat es bei uns nicht gegeben und wird es auch nicht geben." Die IG BCE verfolge seit 1997 einen finanziellen Konsolidierungskurs, der Personalabbau werde im Wesentlichen durch natürliche Fluktuation und Altersteilzeit bewältigt. Ähnlich sieht es bei der IG-Metall aus. Seit 1993 ist hier der Personalbestand um 15 Prozent auf heute 2700 Beschäftigte gesunken. Voraussichtlich werde es weiteren Personalabbau geben, sagte eine Sprecherin. Aber ohne betriebsbedingte Kündigungen.