Kraftstoffe Kraftstoffe: «Kampagne gegen Biosprit»
Halle (Saale)/MZ. - Viele deutsche Autofahrer tanken den neuen Biosprit E10 nicht. Die Einführung des neuen Benzins mit einem zehnprozentigen Bioethanol-Anteil steht auf der Kippe. Ein Scheitern würde auch den größten deutschen Biosprit-Hersteller, die Südzucker-Tochter Crop-Energies, treffen. Vorstandschef Lutz Guderjahn klagt über Fehlinformationen und eine Kampagne. Mit ihm sprach MZ-Redakteur Steffen Höhne.
Rechnen Sie damit, dass das neue Super E10 wieder vom Markt genommen wird?
Guderjahn: Nein, zumindest wäre das nicht zielführend. Denn Deutschland hat sich im Rahmen der EU bestimmte Klimaschutzziele gesetzt. Bis zum Jahr 2020 sollen im Transportsektor zehn Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbare Energien stammen. E10 ist ein wichtiger Baustein dafür.
Aber die Autofahrer kaufen den Sprit nicht ...
Guderjahn: ...weil sie nicht ausreichend informiert sind. Ich habe es selbst an der Tankstelle erlebt, dass die Autofahrer nicht wussten, ob ihr Auto den neuen Kraftstoff verträgt. Die Verunsicherung wird teilweise durch Falschinformationen und eine Kampagne in der Presse noch erhöht.
Falschinformationen?
Guderjahn: Ein gutes Beispiel ist die Aussage von BMW am Sonntag, dass sich die Ölwechsel-Intervalle durch E10 erhöhen. Noch am selben Tag rudert der Autohersteller zurück.
Aber es ist unbestritten, dass sich durch E10 der Spritverbrauch erhöht. Dadurch rechnet sich der Kauf des neuen Sprits kaum.
Guderjahn: Es wurde mehrmals nachgewiesen, dass sich der Verbrauch um maximal 1,5 Prozent erhöht. Statt zehn Liter auf 100 Kilometern verbraucht man 10,15 Liter. Da kann sich jeder ausrechnen, ob es sich lohnt, den fünf bis acht Cent teureren Kraftstoff Superplus zu tanken. Es lohnt nicht.
Nicht nur die Ölindustrie, auch Umweltverbände sprechen sich gegen Bioethanol aus. Ihr Bioethanolwerk in Zeitz benötigt rein rechnerisch ein Fünftel der Getreideernte Sachsen-Anhalts im Jahr. Ist es sinnvoll, für etwas mehr Klimaschutz aus Weizen Benzin herzustellen? Gib es nicht eine massive Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion?
Guderjahn: Derzeit werden nur etwa drei Prozent der europäischen Getreideernte für die Bioethanol-Herstellung verwendet. Dies ist überschaubar. Zudem produzieren wir mit jedem Liter Bioethanol in unserem Zeitzer Werk gleichzeitig ein Kilogramm hochwertiges Eiweißfuttermittel. Dies wird oft in der Bilanz vergessen. Pro Hektar erhält man die Menge Eiweiß wie von einem Hektar Soja. Die Herstellung ist also quasi flächenneutral.
Viele Fachleute machen Biosprit dennoch für steigende Lebensmittelpreise weltweit verantwortlich.
Guderjahn: Diesen Vorwurf gab es vor zwei Jahren. Doch er ist nicht haltbar. Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen der Biosprit-Produktion und den Nahrungsmittelpreisen.
Die riesigen Flächen in den USA und Brasilien, die für die Produktion von Rohstoffen für Biosprit genutzt werden, haben also keinen Einfluss auf den Markt?
Guderjahn: Wenn die Rohstoff-Preise deutlich steigen, dann werden weltweit stillgelegte Agrarflächen in die Produktion genommen. Dies war zuletzt etwa in Europa so. Es lohnt sich für die Bauern, mehr zu produzieren. Ich gehe davon aus, dass dies auch künftig so ist. Die Schwankungen sind aus meiner Sicht temporäre Phänomene.
Hat Biosprit überhaupt das Potenzial, in größerem Umfang Erdöl zu ersetzen?
Guderjahn: Wir gehen davon aus, dass wir im Transportsektor mindestens zehn Prozent ersetzen könnten, ohne in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion zu kommen.
Seit Jahren kündigt die Industrie auch Biosprit etwa aus Stroh an. Bisher tut sich jedoch wenig. Wieso?
Guderjahn: Die Produktion ist derzeit noch zu teuer. Es wird sicher noch einige Jahre dauern, bis es eine industrielle Herstellung geben wird. Wichtig sind dafür vor allem zuverlässige Rahmenbedingungen.