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Konsum Konsum: Glühwein-Wirtschaft auf Erfolgskurs

Von STEFFEN HÖHNE 23.12.2010, 21:57

DESSAU-ROSSLAU/Halle (Saale)/MZ. - Ludwig Wittler beeilt sich mit dem Abbau seines Standes. Lebkuchenherzen und gebrannte Mandeln werden in Plastik-Behältern verstaut, Töpfe und Kessel geschrubbt. Vier Wochen stand der Schausteller mit seinem bunten Süßwaren-Wagen auf dem Dessauer Weihnachtsmarkt - in bester Lage gegenüber dem Rathaus-Center. "Ich bin mit dem Geschäft sehr zufrieden", zieht Wittler Bilanz. "Es waren mehr Menschen als sonst da." Seit 16 Jahren kommt Wittler mit seiner Familie auf den Dessauer Weihnachtsmarkt. "Für uns ist das Geschäft wichtig. Die Volksfeste, die wir sonst besuchen, beginnen erst wieder zu Ostern", sagt der Mann aus Rheinberg in Nordrhein-Westfalen. Vor Weihnachten wird das Einkommen für zwei Wintermonate verdient.

Die rund 2 500 deutschen Weihnachtsmärkte sind ein Milliardengeschäft. In Sachsen-Anhalt wurden dieses Jahr rund 50 größere Märkte veranstaltet. Die Umsätze können nur geschätzt werden. Laut einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Schausteller und Marktkaufleute gibt jeder Weihnachtsmarktgast durchschnittlich zwölf Euro pro Besuch aus. Rechnet man die Einnahmen des örtlichen Einzelhandels, der Gastronomie und Hotellerie mit ein, liegen die Ausgaben je Besucher sogar bei 30 Euro.

Weihnachtsmärkte haben einen größeren Zulauf als noch vor einigen Jahren. Freizeitforscher von der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg meinen: "Weihnachtsmärkte sind ein gesellschaftliches Ereignis geworden. Die Gemeinschaft steht im Vordergrund."

Was für die einen Vergnügen bedeutet, ist für die anderen ein hartes Geschäft. In Dessau gab es 70 Stände. Der Verkauf ist extrem vom Wetter abhängig, sagt Händlerin Ines Szamosari, die zusammen mit ihrem Mann einen Stand für Korbwaren und Gestecke betreibt. "Am ersten Wochenende haben wir viele Adventskränze verkauft." Den halben Tag stand sie bei Wind und Kälte in ihrem unbeheizten Stand. Sie hat zwei Hosen und drei Jacken an: "Wenn wir gut verkaufen wie am Wochenende, macht es Spaß. Es kann aber auch manchmal deprimierend sein." Das Geschäft auf dem Weihnachtsmarkt sei nicht einfach. Supermärkte würden Weihnachtsdeko schon im Oktober anbieten - da hätten sich viele Kunden schon eingedeckt. Am begehrtesten sind für die Händler die Glühweinstände. Ein Großteil der Buden ist seit Jahren fest vergeben - neue Anbieter haben es schwer, auf den Markt zu kommen. Hier wird jedoch die höchste Standgebühr fällig. So zahlt in Halle ein Glühweinstand-Betreiber am Tag zwölf Euro pro Quadratmeter plus einmaliger Miete für eine Hütte von 520 Euro. Der Händler, der Dekowaren anbietet, muss nur 5,50 Euro plus Hüttenmiete berappen.

Lohnt sich das Geschäft in Halle? Schausteller Steffen Rißland ist zufrieden: "Unser Glühweinstand lief gut." Zwei Euro kostet der Becher. Davon müssen laut Rißland Einkauf, Standmiete, Energie und Personal bezahlt werden. Wie viel Gewinn ein Becher abwirft, verrät er nicht. Unter der Hand sprechen einige Händler von 80 Cent. Rißland betreibt über das Jahr ein Kinderkarussell und eine Schießbunde. "Früher war der Weihnachtsmarkt ein Zusatzgeschäft, heute ist es ein bedeutender Faktor", sagt der Schausteller. Dies sieht auch Jochen Neutzsch, der eine sogenannte Jaguar-Bahn betreibt, so. "Der Weihnachtsmarkt ist Wirtschaftsfaktor Nummer eins geworden." Vier Wochen gebe es regelmäßige Einnahmen. Zudem seien die Menschen eher bereit auch Geld auszugeben. "Wer einen Glühwein für zwei Euro trinkt, spendiert seinem Kind auch eine Karussellfahrt."

Davon profitieren nicht nur die Händler, sondern auch viele Arbeitslose und Studenten. Denn die meisten Verkäufer sind für kurze Zeit angestellt. So wie der 60-jährige Klaus Dieter Buchhold. Er verkaufte in einer Deko-Hütte Schwibbögen und Beleuchtung. "In meinem Alter findet man nur schwer eine feste Stelle. Hier kann ich einen Monat gutes Geld verdienen." Für den Verkauf bekam er eine kurze Einweisung und dann ging es los. Die Schwibbögen kosten zwischen 60 und 100 Euro. "Wenn es gut läuft, gehen zwei bis drei pro Tag weg", sagt Buchhold. Weihnachtsmarkt könnte für ihn und viele andere Händler das ganze Jahr sein.