Haldensleben Haldensleben: Antrieb für Ferrari
HALDENSLEBEN/MZ. - Clemens Aulich hebt gerne mal ab. In der Freizeit. Der Geschäftsführer des Automobilzulieferers IFA-Rotorion aus Haldensleben ist ein passionierter Flieger und Sammler. Eine MIG 21 und Hubschrauber nennt er unter anderem sein Eigen. In Wernigerode betreibt Aulich auch ein eigenes, kleines Flugzeug-Museum. "Fliegen ist Freiheit und Geschwindigkeit", sagt der 50-Jährige. In seinem Job mag es der Automobil-Manager aber lieber bodenständig.
IFA steht für beides: Bodenständigkeit und Geschwindigkeit. Während viele deutsche Autozulieferer noch mit den Folgen der Wirtschaftskrise kämpfen, nutzt das Haldenslebener Unternehmen die Zeit zur Expansion. Durch einen Zukauf 2009 stieg IFA zum führenden europäischen Gelenkwellen-Hersteller auf. "Wir beliefern alle großen deutschen Autohersteller", sagt Aulich. Autos mit Gelenkwellen "Made in Sachsen-Anhalt" fahren rund um den Globus.
Großer Zukauf im Jahr 2009
Welche Personen und Produkte sind für den Erfolg verantwortlich? Die Marke IFA (Industrieverband Fahrzeugbau) stand in der DDR als Symbol für Fahrzeugbau. In Haldensleben wurden die Gelenkwellenwerk unter anderem für den Lkw W 50 hergestellt. Doch nach der Wende brach der Absatz zusammen. 1992 übernahm Heinrich von Nathusius, zuvor Geschäftsführer der Krupp-Stahlhandelsgesellschaft in Duisburg, das Unternehmen und richtete es neu aus. Als erster großer Kunde wurde Volkswagen gewonnen. "IFA hat davon profitiert, dass die Hersteller zunehmend ihre eigene Gelenkwellen-Produktion ausgelagert haben", sagt Aulich. Zudem haben die Haldenslebener auf Produkte für Allrad-Fahrzeuge gesetzt. "Als wir damit anfingen, war dies ein absoluter Nischenmarkt. Doch Allrad wird bei den Käufern immer beliebter", so Aulich. Die IFA-Führung hatte den richtigen Riecher.
Gelenkwellen sind dafür verantwortlich, die Kraft des Motors auf die Räder zu übertragen. Dabei ist es besonders wichtig, dass dies mit geringem Leistungsverlust und geräuscharm passiert. "Es kommt auf hohe Präzession an", sagte Aulich. Und damit können die Haldenslebener punkten. So bekam IFA etwa bei einem schon verloren geglaubten Neuauftrag noch den Zuschlag, weil die Wellen eines Konkurrenten nicht optimal liefen. Das ist ungewöhnlich in der Branche.
Um so weit zu kommen, wurde viel geforscht und investiert: Im Haldenslebener Werk presst etwa eine mannshohe Maschine die Einzelteile für eine Gelenkwelle aus Stahl zusammen. Das Zulieferprodukt ist ein Leichtbau und wiegt deutlich weniger als Konkurrenzprodukte. IFA bringt dies Vorteile im Wettbewerb und damit auch neue Kunden. Nicht nur VW, Daimler oder Audi setzen mittlerweile auf die Gelenkwellen von IFA. Beliefert wird auch die italienische Nobelmarke Ferrari. "Ferrari ist eine normale Kundenbeziehung. Die Italiener schätzen unsere Qualität", sagt Aulich nüchtern.
Das Unternehmen IFA richtete seine Strategie auf Wachstum und Internationalisierung aus. Für den Sprung in die erste Liga der Zulieferer stemmte man 2009 eine große Übernahme. Das Unternehmen kaufte den Gelenkwellenspezialisten Rotorion GmbH in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) von der Tognum AG. Der Umsatz von IFA schnellte damit von 100 auf knapp 400 Millionen Euro in die Höhe. Angst, sich an dem großen Brocken zu verschlucken, hatte Aulich nach eigenen Worten nicht. "Wir brauchen einen Umsatz von über 300 Millionen Euro, um auch einmal einen Auftragsverlust zu verkraften", sagt der Manager.
Die Produktion aus Friedrichshafen wird nun schrittweise nach Sachsen-Anhalt verlagert. "800 Arbeitsplätze sind 2010 so entstanden", sagt Aulich. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Haldensleben alter Sitz der Familie Nathusius ist. Dem Kaufmann Johann Gottlob Nathusius gehörten im 19. Jahrhundert um Magdeburg 30 Gewerbebetriebe mit damals über 4 000 Mitarbeitern. Ein erster Industriekonzern sozusagen. An diese Tradition knüpft die Familie an. "Es sollen vor allem Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden", so Aulich.
Expansion im Ausland läuft
Daneben wird aber auch im Ausland expandiert. Durch den Rotorion-Kauf verfügt IFA nun auch über ein Werk in den USA. Dort werden jährlich rund eine Million Gelenkwellen für deutsche Autobauer - aber auch für Ford oder GM - gefertigt. Über eigene Aktivitäten in Asien wird bereits nachgedacht. "70 Prozent der Autos, in denen unsere Produkte stecken, werden derzeit exportiert", sagt Aulich. Künftig würden deutsche Hersteller noch mehr in den Absatzmärkten wie China, Indien oder den USA produzieren. Und IFA will da nicht fehlen. Vielleicht bekommt Aulich so sogar mehr Zeit für sein Hobby. Denn weite Firmenreisen legt er bevorzugt mit dem eigenen Flugzeug zurück.
Im nächsten Teil: Formel-1-Rennfahrer setzen Helme aus Magdeburg auf