Nach der Wahl im Seeland CDU im Seeland stärkste Kraft und keine AfD
Meinungen und Besonderheiten am Tag danach: Wieso die AfD im neuen Seeland-Stadtrat nicht vertreten ist, es eine Nachwahl gibt und Schadeleben eine exorbitante Wahlbeteiligung hat.
Seeland/MZ - Bis spät in die Nacht haben die Wahlhelfer auch im Seeland gesessen. Die letzte Meldung – über die Briefwahl-Ergebnisse für den Ortschaftsrat in Hoym – gingen um 1.55 Uhr ein. Kurz davor, um 1.53 Uhr, kamen die Zahlen für den Kreistag aus dem Ortsteil Frose. „Sie hatten sich verzählt und mussten noch einmal von vorne anfangen“, sagt Wahlleiterin Gabriela Listemann, die auch am Tag nach der Wahl noch im Stress ist. Sie muss alles überprüfen, ein paar Daten weiterleiten. „Und der Bauhof“, sagt sie, „baut gerade wieder die Wahllokale in den sechs Ortsteilen zurück.“
Mehr als die Hälfte wählt
Dort haben die Seeländer – mit einer Wahlbeteiligung von immerhin 61,54 Prozent – am Sonntag neben Europaparlament, Kreistag und den einzelnen Ortschaftsräten auch ihren Stadtrat neu gewählt. Der, so zeigen es die aktuellen Ergebnisse, ist bunt gemischt. Und besteht laut Listemann nur noch aus 18 Plätzen statt der möglichen 20. Denn der aus Frose stammende Einzelkandidat Norman Träger und der als einziger für die Wählergemeinschaft Gatersleben angetretene Jörg Erdmenger haben so viele Stimmen erhalten, dass ihnen jeweils zwei Plätze zustehen würden. Weil das rein körperlich aber nicht geht, fällt je einer für den Rat weg.
Stärkste Kraft im neuen Stadtrat ist die CDU. Sie hat sich fünf der Sitze geholt. Drei Plätze gehen an die Unabhängige Wählergemeinschaft Nachterstedt, je zwei an die Wählergemeinschaft Frisch, die Wählervereinigung Froser Bürger und HoymZukunftZusammen, je einen Platz besetzen Die Linke, die Wählergemeinschaften Hoym und Gatersleben sowie Einzelbewerber Norman Träger. Dass der Seeland-Stadtrat AfD-frei ist, war schon im Vorfeld klar. Hier hatten sich nämlich keine Kandidaten aufstellen lassen.
Was es sonst noch für Besonderheiten im neuen Rat und bei den Wahlen gibt? Mit 95,96 Prozent haben die Schadelebener eine Wahlbeteiligung vorgelegt, die an DDR-Zeiten erinnert. Hier sind immerhin 499 der 520 Wahlberechtigten an die Wahlurne geschritten, um die Geschicke in ihrem Ort mitbestimmen zu können. Die meisten ungültigen Stimmzettel – 85 – gab es in Gatersleben.
Fast alle Ortsteile vertreten
Der einzige Ortsteil, der künftig nicht direkt im Rat vertreten ist, ist der kleinste: Friedrichsaue. Wobei der Seeland-Bürgermeister Robert Käsebier Friedrichsauer ist und eine Stimme bei Beschlüssen hat und der Ortsteil zudem gemeinsam mit Schadeleben in der WG Frisch verbunden ist.
Die einzige Frau im Rat ist Doris Kiwel (Die Linke). Die meisten Stimmen hat Tim Hase (CDU – 1.471 Stimmen), gefolgt von Jörg Erdmenger (WG Gatersleben – 1.097) und Norman Träger (Einzelbewerber – 949). Träger hat auch im Ortschaftsrat von Frose so viele Stimmen bekommen – mehr als die anderen drei Ratsmitglieder zusammen –, dass ihm da ebenfalls zwei Sitze zustehen. Deshalb werden dort künftig von fünf Plätzen nur vier besetzt.
In seinem Umfeld hätten sich alle so gefreut, erzählt Träger am Tag danach. „In Frose hatte ich ja auf ein bis zwei Sitze gehofft, dass ich aber auch noch zwei Sitze im Stadtrat kriege, damit habe ich nicht gerechnet“, gesteht der Politik-Neuling, der durch den Fußball und seine Arbeit als Froser Bäcker viele Kontakte hat. Er wolle jetzt erst einmal alles sacken lassen und dann Gespräche führen. Die Mitarbeit in einer Fraktion könne er sich nämlich sehr gut vorstellen. „Ich will sehen, was die anderen für Ansichten haben“, meint er und freut sich darauf, gute Sachen zu unterstützen.
Gaterslebener Einzelkandidat ist überrascht
Auch zwei Sitze im Rat würden Jörg Erdmenger (WG Gatersleben) zustehen. „Ich war überrascht und freue mich sehr“, so der Gaterslebener Unternehmer. Warum sich so viele Wähler für ihn ausgesprochen hätten, könne er gar nicht sagen. „Vielleicht, weil ich für den Ort und für das Seeland da bin“, überlegt er. Ortsbürgermeister für Gatersleben, wehrt er ab, möchte er aber nicht werden. Das sollte erst später geklärt werden. „Es gibt ja eine Nachwahl und wir haben noch Anwärter, die nachrücken wollen.“
„Die Nachwahl in Gatersleben wird es Ende des Jahres geben, wahrscheinlich im November“, kündigt die Wahlleiterin an. Der genaue Termin müsse aber erst noch mit dem Landkreis abgesprochen werden. Notwendig sei diese, da es in Gatersleben für sieben zu vergebene Plätze im Ortschaftsrat nur drei Kandidaten gegeben hat. Weitere Interessenten würden aber schon in den Startlöchern stehen. Sie hätten, heißt es aus dem Ort, es fairer gefunden, wenn die BIG Seeland ihren Rückzug bereits vor Meldeschluss für die Kandidatur bekanntgegeben hätte. Dann wären mehr andere Bewerber angetreten, was der Stadt Geld für die Nachwahl gespart hätte.
Die meisten Stimmen für den Stadtrat, 1.471, konnte Tim Hase (CDU) einheimsen, der das Seeland auch im Kreistag vertritt. „Ich musste in paar Mal gucken, weil ich es gar nicht fassen konnte“, berichtet der Hoymer am Tag danach und freut sich über das große Vertrauen. „Ein schöner Zuspruch aus allen Bereichen. Das zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg war und stärkt mich für die Zukunft“, sagt Hase, der als Schulleiter der Seeland-Schule vielen Leuten kein Unbekannter ist. Für die CDU freut er sich, dass sie ihre fünf Sitze im Rat verteidigen konnte. Sie ist so die stärkste Kraft und will in den nächsten Tagen in Sachen möglicher Fraktionen Gespräche führen. „Da gibt es ja die unterschiedlichsten Konstellationen.“
Wenig Frauenpower
Zweitgrößte Kraft ist die UWG Nachterstedt mit drei Plätzen. „Das hätten wir nicht gedacht“, gibt Steffen Groß (UWG) zu. „Wir hoffen, dass wir in der Vergangenheit nicht viel falsch gemacht haben und hatten mit Uwe Bode und Siegfried Hampe auch zwei große Stimmenfänger.“ Die UWG wolle sich Donnerstagabend über mögliche Koalitionen beraten. Groß, der bisher noch Ortsbürgermeister von Nachterstedt ist, findet es jedoch schade, dass es so wenige Frauen gibt im neuen Rat. „Positiv überrascht bin ich von der WG Frisch, die sind richtig gut durchgestartet.“
Die einzige Frau im Stadtrat, das ist Doris Kiwel. „Ich freue mich, auch für Die Linke, über meinen Einzug. Ich wünsche mir, dass es gelingt, einige meiner Wahlschwerpunkte erfolgreich im Sinne meiner Wähler in der Zukunft umzusetzen.“ Dazu hoffe sie auf eine „gute, sachliche und erfolgreiche Zusammenarbeit mit allen anderen demokratisch gewählten Stadträten“ im Sinne einer Weiterentwicklung der Stadt. „Entsetzt und traurig bin ich über das starke Wahlergebnis der rechtspopulistischen Parteien zur Europawahl.“
Gute Mischung
„Das ist ein Problem, das wir im Seeland-Stadtrat nicht haben“, freut sich Dieter Kienast (HZZ) und glaubt: „Wer die AfD wählt, wählt nur Überschriften.“ Die Konstellation im Seeland zwischen Alt, Neu und Schon-einmal-drin-Gewesen bezeichnet der Architekt als interessant. „Das kann eingefahrene Gleise aufbrechen.“ Auch für den Hoymer Ortschaftsrat findet er das Ergebnis toll. „Hier sind noch ein paar alte Hasen, neue sind dazugekommen, es gibt einige Wählergruppen – das ist eine tolle Mischung“, sagt er und hofft auf eine gute Zusammenarbeit.
Neu im Stadtrat ist André Bormann, der für die WG Hoym ins Rennen gegangen ist. „Ich würde gern neuen Wind reinbringen und bin froh, dass die Wählergemeinschaft weiter vertreten ist.“ Er wolle, wie sein Vorgänger Marcel Bertram, Dinge hinterfragen. „Ich finde es gut, dass die Gruppen im Rat breit gefächert sind“, meint er weiter. Das verspreche viele Ideen für konstruktive Lösungen.
Alfred Malecki für die WG Frisch und die Wählergemeinschaft Froser Bürger waren bis Redaktionsschluss nicht für ein Statement zu erreichen.
Ob es nun bei den gemeldeten Ergebnissen bleibt, bei der Wahl im Seeland alles mit rechten Dingen zugegangen ist, darüber wird der Wahlausschuss entscheiden, kündigt Gabriela Listemann an. Die erste konstituierende Sitzung des Stadtrates ist für den 2. Juli geplant.