Stadtratswahl in Aschersleben Mehr Stimmen als Kandidaten bei der AfD: Warum im Ascherslebener Stadtrat Plätze frei bleiben
Die Besonderheit aus dem Jahr 2019 wiederholt sich: Auch im neuen Ascherslebener Stadtrat bleiben Sitze leer. Warum das so ist und wie die Parteien und politischen Vereinigungen das Ergebnis bewerten.
Aschersleben/MZ - Nur 31 von 36: Fünf Sitze im neuen Ascherslebener Stadtrat bleiben leer. Denn genau wie bei der Wahl 2019 kann die AfD so viele Stimmen auf sich vereinen, dass sie mehr Plätze besetzen könnte, als sie Kandidaten vorhalten kann. „Wir hätten gern eine längere Kandidatenliste angeboten, doch wir konnten niemanden finden“, so der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Rausch am Montag.
Höhenflug der AfD
Er gehört zwar nicht zur Ascherslebener AfD-Liste, fungiert aber als eine Art Sprachrohr für die drei gewählten Kandidaten David Hartung, René Gurr und Michael Krebs. Letzterer hat bereits fünf Jahre als Stadtrat hinter sich. Jedoch war er aufgrund seiner Fraktionslosigkeit als Einzelkandidat in keinem Ausschuss vertreten. Und auch seine Mitarbeit im Stadtrat sei eher verhalten gewesen, berichten andere Stadträte: kaum Redebeiträge, Anträge oder Anfragen.
Viele Ascherslebener Wähler scheinen allerdings mit der Arbeit des AfD-Mannes zufrieden gewesen sein, schließlich bekommt er 4.316 Stimmen. Oder woran liegt der große Zuspruch? „Auch Kommunalwahlen haben etwas mit der Bundespolitik zu tun. Die Leute haben genug von der Ampelregierung“, meint Daniel Rausch. Die neue AfD-Fraktion will laut ihm aktiv mitarbeiten und sich lokalen Themen widmen.
Neu im Stadtrat: Die Bafa
Und könnte es ein Einlassen mit der Bafa-Mandatsträgerin Colette Rink geben, die vor allem durch ihre Wortbeiträge bei den Montagsdemos in Aschersleben bekannt ist? „Das müssen wir sehen, dazu kann ich jetzt noch nichts sagen“, so Rausch.
Colette Rink ist jedenfalls zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn sie gern ihren Bafa-Kollegen Michael Blankenburg an ihrer Seite gesehen hätte. „Wir haben aus dem Kalten ein Mandat bekommen. Es zeigt, der Widerstand gegen die aktuelle Politik ist wichtig.“
CDU holt auf
Größte Fraktion im Stadtrat bleibt die Widab (Wählerinitiative „Wir Aschersleber Bürger“) mit elf Sitzen, knapp dahinter kommt die CDU mit zehn Sitzen. „Wir konnten unserem Abstand zur Widab verringern, in der letzten Legislatur betrug er noch fünf Sitze“, sagt der wiedergewählte CDU-Mann Benno Schigulski. Dass im Vergleich zu 2019 Stimmen hinzugewonnen werden konnten, sei eine Bestätigung der Fraktionsarbeit im Stadtrat. „Daran wollen wir festhalten“, kündigt Schigulski an.
Gleichzeitig habe ihn der große Zuspruch der AfD-Liste erschrocken, auch wenn es in Teilen erwartbar gewesen sei. Und er moniert: „Die Arbeit der AfD im Stadtrat hat in den vergangenen fünf Jahren quasi nicht stattgefunden.“ Dass nun eine Partei, die in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist, so viele Stimmen bekommt, sorge innerhalb der CDU für Fassungslosigkeit.
Widab bleibt stärkste Kraft
Das bestätigt auch Widab-Kandidatin Vivien Horn, die für ihre Liste die meisten Stimmen holt: „Die politische Arbeit der AfD im Stadtrat war gleich null.“ Für ihren Widab-Kollegen Holger Weiß war das Abschneiden der AfD allerdings erwartbar: „Jetzt müssen wir gucken, wie sich die extremen Positionen im Stadtrat bemerkbar machen.“ Er will positiv in Zukunft schauen und weiter an den lokalen Themen arbeiten. „Das sind wir unseren Wählern auch schuldig, bei denen wir uns für die vielen Stimmen bedanken“, meint Vivien Horn. Wieder stärkste Kraft zu sein, sei eine Bestätigung der geleisteten Arbeit. „Auch wenn wir etwas Federn lassen mussten“, so Holger Weiß.
FDP geschrumpft
Die FDP verliert ihren Fraktionsstatus und reduziert sich von drei Mitgliedern auf eins. Nur Kathrin Brandt schafft den Sprung in den Stadtrat: „Ich kann es noch gar nicht so richtig fassen“, meint sie am Montag. Die Zusammenarbeit in der Fraktion sei gut und intensiv gewesen. „Jetzt allein dazustehen, ist schon hart“, findet sie. Um trotzdem in Ausschüssen mitzuarbeiten, kann sie sich vorstellen, gemeinsam mit Kandidaten anderer Parteien eine Fraktion zu bilden. „Mit wem, kann ich jetzt noch nicht sagen, da müssen erst Gespräche geführt werden.“
Grüne sind enttäuscht
Auch bei den Grünen ist man enttäuscht. „Es kam unerwartet für mich, aber ich kann damit leben“, so die erfahrene Stadträtin Gundel Jahn nach der Wahl. Für sie hat es nicht gereicht, die Westdorferin verfehlt den Einzug in das Gremium. Einziger Grünen-Mandatsträger ist nun Lars Bremer. Gundel Jahn will sich trotzdem weiter für Natur- und Umweltschutzthemen engagieren und bleibt Kreisvorsitzende der Grünen. „Erschreckend, dass rechte Ansichten so viele Stimmen bekommen“, sagt sie angesichts der AfD-Ergebnisse.
Im Wahlkampf haben die Grünen mit Bürgern gesprochen, die sich von der Arbeit der Stadträte nicht mitgenommen oder informiert fühlen: „Wir müssen die Sorgen ernst nehmen und daran arbeiten. Aber Politik und Demokratie sind keine Einbahnstraße.“ Auch Bürger könnten aktiv daran teilnehmen, zum Beispiel an den Einwohnerfragestunden der Ratssitzungen.
Linke: Plötzlich halbiert
Es sei erwartbar gewesen, „aber dass wir uns halbieren, ist ein Schock“, so Elke Reinke mit Blick auf die Statistiken. Statt vier hat Die Linke nun nur noch zwei Abgeordnete im Stadtrat. „Die Themen der Bundespolitik sind voll auf die kommunale Ebene durchgeschlagen“, ordnet sie ein. Sie und ihr Stadtratskollege Marco Kiontke wollen dennoch auch in der kommenden Legislaturperiode nicht den Kopf in den Sand stecken und weiter „sozialgerechte und solidarische“ Themen einbringen.
Stabile Ergebnisse für SPD
Ein relativ stabiles Ergebnis kann die SPD vorweisen. Yves Metzing und Lars-Gernot Otto sind wiedergewählt worden. „Ich ordne das als Bestätigung und Wertschätzung unserer Arbeit ein“, sagt Metzing. Auch er blickt mit Sorge auf das AfD-Ergebnis, „das zur Folge hat, dass fünf Sitze leer bleiben. Der Preis für die Stadt ist hoch.“ Mehr denn je, so findet Metzing, sollen die Stadträte jetzt ein Zeichen für die Demokratie setzen.
589 Stimmen reichen nicht
Fast 600 Stimmen und trotzdem kein Mandat. Als Einzelbewerber hat man es nicht leicht, ist die Erfahrung von Torsten Graßmann. „Klar, ich bin enttäuscht. Aber das ist eben unser Wahlsystem“, sagt er. Der Ascherslebener will aber an den lokalen Themen dran bleiben und sich auch in Zukunft wieder um öffentliche Ämter bewerben.
Bis 3 Uhr nachts
Übrigens: Ausgezählt wurde in den Wahllokalen der Stadt Aschersleben und den Ortsteilen bis tief in die Nacht. „Mehringen war gegen 3 Uhr fertig“, resümiert die stellvertretende Wahlleiterin Birgit Engel, die eine sehr kurze Nacht hatte und am Montagmorgen schon wieder im Rathaus sitzt. Ansonsten sei alles routiniert und ohne Zwischenfälle abgelaufen.