Kommunalwahl im Saalekreis Kreistagswahl: Spüren Sie die Politik der Ampelregierung als Ballast, Frau Hoyer?
Welche Ziele und Konzepte haben die Parteien und Vereine, die in allen Wahlkreisen zur Kreistagswahl antreten, für die Zukunft des Saalekreises? Die MZ fragt nach. Folge 6: FDP.
Merseburg/MZ - Die FDP ist gemeinhin Verfechterin des freien Marktes. Im Interview mit Robert Briest erklärt die Kreischefin der Liberalen, Ramona Hoyer, warum ihre Partei dennoch dafür ist, das Basedow-Klinikum in kommunaler Hand zu halten, wie der Kreistag die Digitalisierung der Verwaltung voranbringen kann und wo es bei den Feuerwehren hakt.
Der Wahlkampf für die Kommunalwahl hat begonnen. Spüren Sie die Politik der Ampelregierung dabei als Ballast?
Ramona Hoyer: Ein Stück weit, ja. Wir werden zur Bundespolitik angesprochen. Unsere Argumentation zeigt auf, dass die FDP das Korrektiv in der Ampel darstellt und wir zeigen die unterschiedlichen Zuständigkeitsebenen auf.
Mit welchen lokalen Themen versuchen Sie, die Wähler davon zu überzeugen, für den Kreistag für die FDP zu stimmen?
Wir haben es als Liberale in der Vergangenheit durch Verhandlungsgeschick geschafft, Interessen zu bündeln. Unser Ziel ist es, das Basedow-Klinikum in kommunaler Hand zu behalten, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben und weitere finanzielle Belastungen der Bürger zu verhindern.
Die FDP ist Verfechterin des freien Marktes. Warum gilt das nicht beim Klinikum, wieso soll das in kommunaler, also öffentlicher, Hand bleiben?
Gesundheitspolitik ist keine Frage des Marktes, sondern vorrangig der Interessen der Bürger. Es kann Wettbewerb geben, aber die Bürger müssen vor Ort die Angebote bekommen, die sie brauchen. Eine Spezialisierung von Kliniken ist okay, wenn es etwa um Herztransplantationen geht, aber eine Blinddarm-OP muss in der Nähe möglich sein. Die Genesung braucht auch das familiäre Umfeld, nicht die Klinik, die 300 Kilometer weg ist. Die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses ist nicht allein mit Führung zu erreichen. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen.
Wirtschaftlichkeit ist derzeit für viele Kliniken ein Problem. Beim Basedow kommt ein Investitionsstau von 22 Millionen Euro hinzu, weil, so der Kreis, das Land seinen Finanzierungspflichten nicht nachkommt. Was können Sie als Liberale aus dem Saalekreis tun, damit das Land nicht nur eine Milliarde in das neue Uniklinikum Magdeburg investiert, sondern auch Geld für das Basedow gibt?
Wir können das nur über die Landesregierung probieren und wir werden versuchen, unseren gesundheitspolitischen Sprecher zu überzeugen. Wir müssen klarmachen, dass das Land nicht nur die Unikliniken fördern kann. Am Ende ist es aber Aufgabe des Bundes, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum ermöglichen. Der Landkreis muss immer wieder Druck machen und die Grundsätzlichkeiten auch im Sinne der Landesregierung darstellen. Regionen am Limit, siehe Altmark, schwächen am Ende unser gesamtes Bundesland.
Gibt es für die FDP eine Grenze, aber der Sie sagen würden, der Kreis kann sich das Klinikum nicht mehr leisten?
Der Sicherstellungsauftrag für die stationäre medizinische Versorgung obliegt dem Landkreis. Natürlich gibt es auch andere Aufgaben, weshalb man sich immer den Gesamthaushalt angucken muss. Aber am Sicherstellungsauftrag ändert eine Privatisierung nichts. Versagt ein privater Investor steht der Landkreis wieder in der Pflicht.
In ihrem Programm fordert die FDP ein Stipendium für Landärzte. Warum?
Wenn man eine Praxis übernimmt, entstehen meist hohe Investitionskosten. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass sich junge Ärzte diese leisten können. Um heute noch Ärzte in den ländlichen Raum zu bekommen, muss man Anreize schaffen. Wir haben dabei durchaus einen Standortvorteil. Der nördliche Saalekreis etwa bietet alles, was Sie an Tourismus, Landschaft und Ruhe brauchen, ist aber zugleich gut an Halle, Leipzig, Berlin angebunden.
Dennoch fordern Sie ein Stipendium. Soll der Kreis dafür einen Fördertopf aufstellen?
Vielleicht. Man muss gucken, was die Kassenärztliche Vereinigung für Möglichkeiten für junge Ärzte bietet. Anreize können auch ein Kitaplatz oder günstiges Bauland sein.
Wie wollen Sie aus dem Kreistag die Digitalisierung der Kreisverwaltung voranbringen?
Wir wollen die Arbeitsgruppe Digitalisierung, die es in der letzten Legislaturperiode gab, wiederbeleben, um zu gucken, wie weit der Kreis ist. Man muss bei der Digitalisierung auch die Mitarbeiter mitnehmen. Hier ist der Kreis bereits auf einem guten Weg.
Der Bürger spürt davon noch wenig. Nur wenig Anliegen lassen sich heute online erledigen.
Man muss sehen, dass es oft an der Software oder Schnittstellen fehlt, die der Kreis schlicht nicht selbst programmieren kann. Die Verwaltung verwendet bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Programme, die miteinander kommunizieren müssen. Es reicht nicht, die Anträge online zu stellen, sondern dann auch die Verarbeitung muss digital erfolgen.
Der Vertrag mit dem privaten Anbieter OBS für den Busverkehr im Nordkreis läuft bis 2029. Linke und CDU fordern den Busverkehr im Kreis in eine Hand, die der kommunalen PNVG zu geben. Wie steht die FDP dazu?
Wer den Busverkehr durchführt, ist egal, solange die Ausschreibung gut ist. Wichtig ist etwa, dass man aus entfernten Orten wie Rothenburg in unter einer Stunde Merseburg erreichen kann. Gerade aus dem Norden braucht man heute schon allein 45 Minuten bis Halle. Das zu ändern, ist aber Sache der Ausschreibung. Dann soll das für den Bürger beste Angebot gewinnen. Der Busverkehr muss nicht unbedingt aus einer Hand kommen. Wir haben aktuell auch zwei Anbieter.
Die FDP fordert einen Anspruch für ausländische Fachkräfte auf „schnelle, unkomplizierte und möglichst digitale Antragstellung und Bearbeitung ihrer Anliegen“. Wie soll das aussehen?
Wir werden zusätzliche Fachkräfte brauchen, gerade in der Chemie, auch aus dem Ausland. Natürlich sollten diese Fachkräfte irgendwann Deutsch lernen, aber das kann man nicht nach drei Tagen im Land erwarten. Der Kreis muss Ansprechpartner schaffen, die des Englischen mächtig sind. Eine Art Bürgerbüro für ausländische Fachkräfte. Das wünsche ich mir im Übrigen für alle Bürger, dass es Bürgerbüros gibt, mit einem Ansprechpartner für alle Anliegen, der dann dafür sorgt, dass die Anträge im Hintergrund in den Fachämtern bearbeitet werden.
Der Kreis hat 30 Millionen Euro aus dem Strukturwandeltopf noch nicht verplant, wofür soll das Geld verwendet werden?
Wir haben bereits viel für Wirtschaft und Unternehmen getan. Wir sollten nun die Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmer und ihre Familien schaffen: Wohnung, Kitas, Schulen, Naherholung. Strukturwandel ist nicht nur Wirtschaftsstärkung.
Die FDP beklagt einen Ausbildungsstau bei den Feuerwehren. Wie äußert der sich?
Viele Stellen in den Wehren können nur mit entsprechender Ausbildung besetzt werden. Wehrleiter berichten mir, dass es bei der Feuerwehrschule im Land einen Ausbildungsstau geben soll.
Wie wollen Sie das aus dem Kreistag heraus ändern?
Indem wir das Thema problematisieren, bis es gelöst ist. Der Kreistag selbst wird es nicht lösen können, aber wir können es an die Landespolitik weitergeben. Unser Katastrophenschutzkonzept im Kreis und den Städten und Gemeinden basiert in großen Teilen auch auf den freiwilligen Feuerwehren. Deswegen müssen die handelnden Personen gut ausgebildet sein, um sich und andere im Rettungseinsatz nicht zu gefährden.
Mit diesen Kandidaten tritt die FDP an:
Die Freie Demokratische Partei schickt in den vier Wahlbezirken für die Kreistagswahl am 9. Juni insgesamt 15 Kandidaten ins Rennen. Sie verteilen sich wie folgt:
Im Wahlkreis I (Braunsbedra-Merseburg) treten an: Lutz Kuhne, Heinz Pohl, Moritz Eichelmann.
Im Wahlkreis II (Bad Dürrenberg-Schkopau-Kabelsketal) treten an: Dirk Taschner, Daniel Krug, Marcus Diessner, Sina Mähnert, Irene Ebert, Philip Roppelt.
Im Wahlkreis III (Nördlicher Saalekreis) treten an: Ramona Hoyer, Alexander Dragovics.
In dem Wahlkreis IV (Teutschenthal-Querfurt) treten an: Frank Witte, Steffen Bieda, Marcel Bäsler, Thomas Wendt.