Kommunalwahl im Saalekreis Kreistagswahl: Passt ihr Programm auf einen Bierdeckel, Herr Eigendorf?
Welche Ziele und Konzepte haben die Parteien und Vereine, die in allen Wahlkreisen zur Kreistagswahl antreten, für die Zukunft des Saalekreises? Die MZ fragt nach. Folge 5: UBV.
Merseburg/MZ - Die Unabhängige Wählervereinigung (UBV) hat ihren Ursprung in Teutschenthal. Bisher saß sie mit zwei Vertretern im Kreistag, nun tritt sie erstmals in allen vier Wahlbezirken an. Ihr Spitzenkandidat, Teutschenthals Bürgermeister Tilo Eigendorf, erklärt im Gespräch mit Robert Briest, wofür die UBV inhaltlich stehen will und warum sie „Brandmauern“ zur AfD ablehnt.
Das Programm der UBV für die Kommunalwahl würde locker auf den berühmten Bierdeckel passen. Es sind nur sechs Stichpunkte …
Tilo Eigendorf: Und die sind allgemein gehalten. Das gebe ich zu. Das ist eben der Unterschied zwischen uns als Wählervereinigung und politischen Parteien. Die UBV hat sich seit 30 Jahren in Teutschenthal und seit 2019 im Kreis mit kommunalen Themen befasst. Jetzt treten wir mit den bisherigen Fraktionskollegen der Statt-Partei in allen vier Wahlbezirken an.
Gerade im Süden und Osten des Kreises ist die UBV vielen Wählern aber noch unbekannt. Wofür stehen Sie denn inhaltlich?
Bürgernahe, pragmatische Kommunalpolitik. Wir haben den Vorteil, dass wir uns nicht von Parteiprogrammen leiten lassen müssen, welche außerhalb der kommunalen Wirklichkeit erstellt werden. Wir speisen uns aus der lokalen Erfahrung. Wir haben zwar auch einige neue Kandidaten auf der Liste, aber viele von uns haben schon lange in der Kommunalpolitik gearbeitet, ob wie Ina Zimmermann, Steffen Kunnig und ich als Bürgermeister, als Ortsbürgermeisterin oder als Gemeinderatsvorsitzender. Wir haben so den Zugang zu dem, was im kommunalen Bereich bewegt. Der Wahlkreis IV mit Teutschenthal reicht bis nach Querfurt und Mücheln. Wir haben dort schon 2019 Hunderte Stimmen in Orten bekommen, wo wir gar keine Werbung gemacht hatten. Das zeigt, dass wir als Bürgervereinigung eine Option für Menschen darstellen, die parteiverdrossen sind, aber ihr Kreuz nicht bei gewissen Kräften setzen wollen. Ich denke, dass sich auch im Kreistag dieser Trend aus den Stadt- und Gemeinderäten fortsetzen wird.
Lassen Sie es uns dennoch mal konkret machen. Was bedeutet „bürgernah und pragmatisch“ etwa beim Thema Energiewende? Will die UBV neue Windräder und Solarparks im Kreis?
Wir sind der Meinung, dass Vorhaben für erneuerbare Energien im Kreis nicht einseitig ausgefallen dürfen. Wir hier in Teutschenthal sind beispielsweise stark durch Windkraftanlagen belastet. Das erleben wir bei Diskussionen hier im Ort, wo oft die Frage kommt: Warum hier und nicht dort? Für Windkraft gibt es ausgewiesene Gebiete, aber für Sonnenenergie sind die Bedingungen überall im Kreis gleich. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Belastungen durch Erneuerbare im Kreis gleichmäßiger verteilt werden. Wenn man als Kreis Steuerungsmöglichkeiten hat, sollte man die nutzen.
Die UBV ist also nicht gegen neue Anlagen, sie sollen nur anders verteilt werden?
Wir können uns der Sache ja nicht verwehren. Ich nehme auch wahr, dass es bei den Menschen eine gewisse Gewöhnung etwa an Windräder gibt. Wir wollen aber eben eine gleiche Verteilung der Belastung. Es kann nicht sein, dass einige Gebiete weiße Flecken bleiben sollen, weil sie für eine touristische Nutzung vorgesehen sind. Wir haben in der Kommune zum Beispiel auch den Beschluss gefasst, dass für Solaranlagen möglichst alte Industrie- und Konversionsflächen genutzt werden sollen und weniger Ackerflächen. Aber man hat da als Kommune wenig Spielraum. Ich erwarte, dass wegen der vielen Autobahnen im Kreis demnächst viele neue Solaranlagen entstehen.
Wieso?
Das liegt an einer Änderung im Bundesbaugesetzbuch. Die legt fest, dass die Errichtung solcher Anlagen 200 Meter links und rechts von Autobahnen und zweigleisigen Bahnstrecken losgelöst von der Planungshoheit der Kommunen privilegiert genehmigt werden können.
Eine Ihrer sechs Forderungen teilen Sie sich mit den Parteien, die zur Wahl antreten: den Erhalt des Basedow-Klinikums in kommunaler Hand. Zuletzt war das für den Kreis ein Zuschussgeschäft. Gibt es aus Sicht der UBV eine Schmerzgrenze, bis zu der man das Klinikum halten würde?
Nein, die gibt es nicht. Die würde im Zweifelsfall auch die Kreisverwaltung darlegen. Was diese an Unterstützung für machbar hält, werden wir mittragen. Wir haben zwar das Glück, dass der Saalekreis die kreisfreie Stadt Halle mit ihren Krankenhäusern umschließt, aber gerade im Westen ist der Kreis doch sehr ländlich geprägt. Deswegen ist die Förderung des eigenen Klinikums unabdingbar.
Ein anderer Punkt im UBV-Programm lautet: „Keine Denkverbote und Brandmauern“. Wollen Sie mit der AfD, deren Kreischef eine Antipolitik auf kommunaler Ebene angekündigt hat, zusammenarbeiten?
Nein. Eine solche Politik kann man nicht wollen. Wir müssen aber unterscheiden zwischen Bund, Land und Kommune. Es werden hier in den Räten Leute sitzen, die von einer großen Zahl der Bevölkerung gewählt wurden und die sicher auch was zu sagen haben. Wir hören uns das schon an und machen uns unser Bild. Wir können nicht ausschließen, dass durch die AfD Themen auf den Tisch kommen, die diskutabel sind. Warum soll man darüber nicht reden? Ich warne davor, die Größenordnung an Wählern, die sich für diese Partei entschieden haben, auszublenden. Was wir aber ablehnen, ist Polemik und Populismus. Derartige Politik, egal aus welcher Richtung, tragen wir nicht mit.
Im Fördertopf für den Strukturwandel hat der Saalekreis noch 30 Millionen Euro, die bisher nicht verplant sind. Wofür soll er die ausgeben?
Der Kreis setzt sich ja aus drei ehemaligen Kreisen zusammen. Zuletzt wurde viel in den Süd-Osten investiert, in den Schwerpunkt Merseburg/Leuna. Wir sind überzeugt, dass auch der westliche und nördliche Saalekreis ein hohes Potential hat. Dass zusätzlich zu Leuna III noch ein Industriegebiet Airpark in Merseburg diskutiert wurde, war eine Bündelung, die wir nicht für sinnvoll halten. Man muss bei einer solchen Bündelung auch den Arbeitskräftebedarf beachten. Wir haben uns daher in der Lenkungsgruppe für weiche Faktoren, welche einen Zuzuganreiz für Arbeitskräfte bilden, ausgesprochen. Für Geld für die Strände Braunsbedra und Frankleben und die Goethe-Arkadien in Bad Lauchstädt. Die restlichen 30 Millionen Euro sollten aber in Projekte in anderen Regionen als Merseburg/Leuna fließen.
Und wofür?
Nach den weichen Faktoren sollten wir jetzt Projekte empfehlen, die den eigentlichen Zweck des Gesetzes, die direkte Schaffung neuer Arbeitsplätze in Industrie und Gewerbe, erfüllen. Bei Ansiedlungen im westlichen und nördlichen Saalekreis könnten wir auch das Arbeitskräftepotential aus Mansfeld-Südharz zurückgreifen.
Die UBV fordert eine „Stärkung der Bildungsstandorte“. Was ist darunter zu verstehen?
Früher war es normal, dass man vom Saalekreis aus die weiterführende Schule in Halle besucht hat. Das geht heute nur noch mit Ausnahmen. Es zeigt aber, dass weiterhin Bedarf da ist, unseren Schülern im Kreis mehr Angebote zu machen. Der Kreis sollte sein Angebot an verschiedenen Schulformen ausbauen. Und wir unterstützen Investitionen in Bau und Ertüchtigung von Schulen.
Was heißt „Angebot ausbauen“?
Die Sekundarschule Teutschenthal ist als vierte im Kreis eine Gemeinschaftsschule geworden. Der Kreis sollte solche Bestrebungen weiterhin unterstützen. Es gibt einen Bedarf an Schulformen wie dieser, weil viele Eltern nicht bereits nach der Grundschule über den Schulweg ihrer Kinder entscheiden wollen.
Mit diesen Kandidaten tritt die UBV an:
Die Unabhängige Wählervereinigung schickt in den vier Wahlbezirken für die Kreistagswahl am 9. Juni insgesamt 18 Kandidaten ins Rennen. Sie verteilen sich wie folgt:
Im Wahlkreis I (Braunsbedra-Merseburg) tritt an: Thomas Rahaus.
Im Wahlkreis II (Bad Dürrenberg-Schkopau-Kabelsketal) tritt an: Steffen Kunnig.
Im Wahlkreis III (Nördlicher Saalekreis) treten an: Ina Zimmermann, Ulli Leipnitz, Michael Schareck, Sven Heger, Christiane Hirsch, Jörg Grobe, Marcel Schuchert.
In dem Wahlkreis IV (Teutschenthal-Querfurt) treten an: Tilo Eigendorf, Günther Scholz, Jürgen Rotsch, Jens Heinemann, Annegret Helbig, Alexander Lipinski, Daniel Radak, Andreas Kochalski, Christoph Michalski.