Kommunalwahl im Saalekreis Kreistagswahl: Haben die Grünen mit Anfeindungen zu kämpfen, Frau Hoffmann und Herr Schön?
Welche Ziele und Konzepte haben die Parteien und Vereine, die in allen Wahlkreisen zur Kreistagswahl antreten, für die Zukunft des Saalekreises? Die MZ fragt nach. Folge 7: Grüne.
Merseburg/MZ. - Ein Nachtflugverbot für den Flughafen und der Ausbau erneuerbarer Energien. Die Grünen im Saalekreis setzen im Kommunalwahlkampf auf ihre klassischen Kernthemen. Im Interview mit Robert Briest erklären Kreischefin Martina Hoffmann und Kreistagskandidat Thomas Schön, wie der Ausbau der Erneuerbaren den Kassen der Kommunen helfen kann, Bürger davon profitieren sollen und der Saalekreis noch stärker für Gefahren von Rechtsaußen sensibilisiert werden muss.
Sie berichteten im Zuge der Kandidatenaufstellung, dass Mitglieder mit Anfeindungen zu kämpfen haben. Hat sich das im Wahlkampf nun fortgesetzt?
Martina Hoffmann: Ja. Gerade die vier Frauen, die für uns in Bad Dürrenberg antreten, sind verbal extrem angegangen worden. Da hieß es: Wieso kandidiert ihr für die „Scheiß-Grünen“? Und Ähnliches. Da wir ja bekannterweise für alles Schlechte auf der Welt verantwortlich sind, wird das oft an unseren Kandidaten entladen.
Die Politik in Berlin ist also Ballast für die Kommunalwahl?
Thomas Schön: Nicht direkt. Eher das, was medial daraus gemacht wird. Hoffmann: Seitdem wir an der Regierung sind, gibt es von den Medien des Springer-Verlages eine Hetzkampagne gegen uns. Schön: Viele nehmen Themen nur darüber wahr. Mit ihnen ist es dann schwer zu argumentieren.
Mit welchen Zielen versuchen Sie Wähler am Stand davon zu überzeugen, dass sie für den Kreistag die Grünen wählen?
Hoffmann: Wir leben in einer der wenigen Industrieregionen in Ostdeutschland. Daher müssen wir uns besonders anstrengen, dass wir die Energiewende schaffen, um diese zu erhalten. Aber es gibt dagegen gerade sehr viele Ressentiments. Das sieht man an den Bürgerprotesten gegen den Windpark bei Bad Dürrenberg oder die Agri-PV-Anlage im Geiseltal. Dabei wollen die Firmen, die in Leuna sind, die grüne Energie. Verfügbare erneuerbare Energien sind für uns ein Standortvorteil gegenüber den alten Bundesländern.
Der Saalekreis hat schon viele Windparks. Wo soll ein Ausbau der Erneuerbaren passieren?
Hoffmann: Wir haben ein Konzept erarbeitet, dass wir den Kommunen vorschlagen. Sie sollen eine Unter- und Obergrenze für neue Anlagen definieren, auch wie dabei Naturschutz und Bürgerbeteiligung erfolgen kann. Zudem müssen sie selbst dafür sorgen, dass bei jeder ihrer Sanierungen und Neubauten PV-Anlagen auf das Dach kommen. Na klar haben wir im Saalekreis schon einen relativ hohen Anteil an Erneuerbaren, aber es stehen auch Verkehrs- und Wärmewende vor der Tür, die strombasiert sind. Daher brauchen wir Flächenkonzepte, damit nicht wie bisher planlos Ackerflächen bebaut werden und für Lebensmittelproduktion verloren gehen.
Sie sehen den Fokus in den kommenden Jahren eher auf dem Ausbau der Solarenergie?
Hoffmann: Nein. Wind und Solar ergänzen sich zeitlich gut. Wir reden bei Windkraft nicht nur über Neubau, sondern auch über Repowering. Viele kleinere Anlagen kommen bald an das Ende ihrer 20-jährigen Laufzeit. Sie liefern nur einen Bruchteil von dem, was heutige Anlagen können. Deshalb kann man durch den Austausch einiges erreichen. Nichtsdestotrotz muss die Anzahl der Anlagen im Saalekreis noch steigen. Dafür müssen wir sinnvolle Stellen finden, wo es für Einwohner und Natur vertretbar ist.
Wo sehen Sie solche Stellen?
Schön: Im Idealfall als Erweiterung dort, wo es schon Windparks gibt, weil dort die Einwohner und Natur sich angepasst haben. Greifvögel meiden solche Gebiete oft. Hoffmann: Wir fanden die Idee, südöstlich von Bad Dürrenberg einen Windpark zu errichten, gut, weil der lokale Wärmeversorger den Nutzen wollte, um seine Gasverbrennung zu ersetzen.
Eine Forderung im Grünen-Programm ist die nach Bürgerenergie. Was meinen Sie damit?
Hoffmann: Es geht darum, dass nicht nur Eigentümer von Eigenheimen sich an erneuerbaren Energien beteiligen können. EU-Gesetze ermöglichen die finanzielle Beteiligung an Wind- und Solarparks. Dann können die Bürger entweder an den finanziellen Gewinnen beteiligt werden oder günstigeren Strom erhalten.
Wie wollen Sie Investoren, dazu bringen, Angebote zu machen?
Hoffmann: Es ist die Aufgabe der Kommunalpolitik, dass sie sagt: Wenn ihr hier bauen wollt, müsst ihr Möglichkeiten schaffen. Wenn nicht, nehmen wir einen anderen Investor. Davon gibt es derzeit viele. Man sollte auch festschreiben, dass die Firmen hier ihren Sitz anmelden und Steuern zahlen. Zusammen mit den 0,2 Cent je Kilowattstunde, die für neue Anlagen an die Kommunen abgeführt werden, hilft das die finanzielle Situation der Kommunen zu verbessern. Dann kann man künftig Kitas sanieren und den ÖPNV ausbauen.
Letzteres ist eine Forderung im Programm. Wo wollen Sie welche Angebote schaffen?
Hoffmann: Der entscheidende Punkt ist, dass die Frequenz der Fahrten stimmt. Je öfter Busse fahren, desto mehr werden sie genutzt. Es ist ein Henne-Ei-Problem, bei dem man in bessere Angebote investieren muss.
CDU und Linke fordern, den Busverkehr ab 2029 komplett in die Hand der kommunalen PNVG zu geben. Gehen Sie da mit?
Hoffmann: ÖPNV gehört zur Daseinsvorsorge und damit in staatliche Hand. Es geht auch darum, dass die Fahrer gut bezahlt sind. Das geht am besten über einen kommunalen Betrieb.
Sie wollen ein Nachtflugverbot für den Flughafen Leipzig. Ist das realistisch umsetzbar?
Hoffmann: Die Situation im Umfeld ist nicht besser geworden. Durch den Ausbau könnten es noch mehr Nachtflüge werden. Ruhig zu schlafen ist aber ein Menschenrecht. Die Lärmbelastung hat gesundheitliche Folgen. Auch wirtschaftlich ist das derzeitige Modell ein Minusgeschäft. Der Flughafen ist eine Billigstart- und -landerampe für sämtliche Flugzeuge, die seit den 1960er gebaut wurden. Andere Flughäfen haben gestaffelte Gebühren nach Zeiten und Flugzeugtypen.
Doch was kann der Kreis, der kein Eigentümer ist, ausrichten?
Hoffmann: Der Kreis kann in der Fluglärmkommission unsere Positionen vertreten. Klar ist Sachsen-Anhalt Minderheiteneigentümer, aber auch sächsische Kommunen sehen das wie wir.
Der Kreis soll stärker für Rechtsextremismus sensibilisiert werden, heißt eine Ihrer Forderungen. Inwieweit ist das Aufgabe für den Kreistag?
Hoffmann: Es begreifen viele schlicht nicht, dass durch die AfD unser Staat auf dem Spiel steht. Wir haben hier im Saalekreis viele Institutionen der Rechtsextremen, wie das Institut für Staatspolitik in Schnellroda. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung, der wir bisher nicht gerecht werden. Es wird alles toleriert.
Die Grünen fordern die Digitalisierung der Verwaltung. Wie soll das gelingen?
Schön: Indem man über den Tellerrand blickt in Regionen, wo die Digitalisierung besser funktioniert und guckt, was die anders machen. Das Thema hängt sicher auch an Fachkräften. Die Verwaltungen reißen sich derzeit um diese. Da muss man dann entsprechend hoch dotierte Stellen schaffen, um sie zu bekommen. Hoffmann: Man muss auch erstmal ein Bewusstsein im Kreis und den Kommunen herstellen, dass es eine Chance ist, die die Verwaltung entlastet. Bisher wurde sich darauf ausgeruht, dass andere es ja auch nicht schaffen.
Sie wollen also zusätzliche IT-Stellen?
Hoffmann: Entweder kauft man die Leistungen extern ein oder man schafft neue Stellen, um bürgernahe und zielorientierte Lösungen zu generieren.
Mit diesen Kandidaten treten die Grünen an:
Bündnis 90/Die Grünen schicken in den vier Wahlbezirken für die Kreistagswahl am 9. Juni insgesamt 17 Kandidaten ins Rennen. Sie verteilen sich wie folgt:
Im Wahlkreis I (Braunsbedra-Merseburg) treten an: Andreas Rattunde, Hubertus Steinki, Karin Mantel, Richard Hermanowski.
Im Wahlkreis II (Bad Dürrenberg-Schkopau-Kabelsketal) treten an: Martina Hoffmann, Johanna Michaelis, Rudolf Hengstenberg.
Im Wahlkreis III (Nördlicher Saalekreis) treten an: Christof Rupf, Jacob Hirschfelder, Silke Ernst, Christian Moser, Veit-Kilian Jäger, Jens Kotjatko-Reeb.
In dem Wahlkreis IV (Teutschenthal-Querfurt) treten an: Thomas Schön, Alf Ludwig, Steffen Butthoff, Ralf Pützschler.