Kreistagswahl im Saalekreis CDU-Kandidat: „Die Leute wollen das gute Leben im Saalekreis genießen“
Welche Ziele und Konzepte haben die Parteien und Vereine, die in allen Wahlkreisen zur Kreistagswahl antreten, für die Zukunft des Saalekreises? Die MZ fragt nach. Folge 4: CDU.
Braunsbedra/MZ - Die Leute im Saalekreis wollen heute vor allem gut leben, sagt Sven Czekalla. Der Landtagsabgeordnete und Kreistagskandidat der CDU erklärt im Interview mit Robert Briest, warum die Union trotzdem neue Arbeitsplätze als Schwerpunktthema für die kommenden Jahre im Kreistag sieht, woher neue Arbeitskräfte kommen sollen und warum der Kreis mehr Tochterfirmen braucht.
Die CDU stellt bisher die stärkste Fraktion im Kreistag. Wie groß ist Ihre Sorge, diesen Status im Juni zu verlieren?
Sven Czekalla: Wir gehen davon aus, dass wir als Nummer eins ins Ziel gehen. Mit unseren bekannten Kandidaten haben wir in allen Wahlkreisen gute Chancen. So eine Kreistagswahl ist ja immer auch eine Personenwahl.
Ihre Bewerber sind bekannt. Mit welchen Kernthemen wollen Sie aber die Wähler überzeugen, für den Kreistag CDU zu wählen?
Leben. Wohnen. Arbeit. Es gab eine Zeit, da hieß die Reihenfolge: Arbeiten, wohnen, leben. Das hat sich aber geändert. Die Leute wollen das gute Leben im Saalekreis genießen. Allerdings ist die Wirtschaft der Grundstein des Saalekreises. Wir schauen deshalb auf den Strukturwandel und den Transformationsprozess der chemischen Industrie. Die Entwicklung ist Anstoß für zusätzliche Arbeitsplätze. Das Durchschnittseinkommen im Saalekreis lag 2023 zwar unter dem Bundesschnitt, aber zwölf Prozent über dem von Sachsen-Anhalt. Das zeigt, dass die chemische Industrie hier die treibende Kraft ist. Sie bringt mehr Steueraufkommen und mehr Kaufkraft, die dann wieder Restaurants und kleineren Firmen hilft. Hier wollen wir weiter auf Großansiedlungen setzen: UPM, Leuna III, der Merseburger Innovationscampus, der BioeconomyHub, das Großforschungszentrum CTC.
Die Beispiele, die Sie nennen, ist doch aber das, was ohnehin schon passiert. Die CDU will also keine neuen Impulse setzen?
Doch. Was ich beschrieben habe, ist die positive Ausgangssituation. Wenn sich um das Biochemie-Cluster-Saalekreis weitere Ansiedlungen ergeben sollen, brauchen wir eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Saalekreis.
Es gibt doch schon eine Kreisentwicklungsgesellschaft (KEG).
Die hat aber andere Aufgaben. Sie soll Flächen wie das Industriegebiet Leuna III entwickeln. Sie würde sich mit einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft ergänzen. Wenn heute ein Unternehmen kommt und sich hier ansiedeln will, ist es gerade für die Kommunen ein Problem, das zu bedienen, weil die Verwaltungen schon mit dem Tagesgeschäft stark ausgelastet sind. Gerade mit der Fertigstellung der A143 rücken aber kleinere Kommunen wie Salzatal in den Fokus der Firmen. Hier könnte die Wirtschaftsförderungsgesellschaft die Aufgabe übernehmen. Sie könnte zum Teil dem Kreis, zum Teil den Kommunen gehören.
Schon jetzt gibt es gerade aus der Chemie Warnungen vor drohendem Fachkräftemangel. Braucht der Saalekreis da überhaupt noch neue Arbeitsplätze?
So ein Biochemie-Cluster, wie es um Leuna entsteht, kann man nicht beliebig in anderen Regionen des Landes aufbauen. Das heißt: Wir müssen Arbeits- und Fachkräfte in die Region locken. Dafür ist es etwa wichtig, dass die S-Bahn-Direktverbindung Merseburg-Leipzig nicht erst 2035 fertig wird, damit wir das Arbeitskräftepotential von Leipzig mit seinen knapp 640.000 Einwohnern heben können.
Bisher hat die Bahn trotz allem Drängen aus der Region keinen früheren Termin in Aussicht gestellt. Wie wollen Sie das als CDU im Kreis bewirken?
Wir sensibilisieren für das Thema, führen seit zwei Jahren regelmäßig Veranstaltungen durch, zu denen wir die Bahn einladen. Die Entscheidung liegt beim Bund, aber es ist wichtig, dass wir als Kommunen im Saalekreis immer wieder kommunizieren, dass der Bedarf da ist. Wir brauchen die Kurve.
Die CDU will abgewanderte Einwohner der Region zurückholen. Sachsen Wirtschaftsminister hat mal versucht, mit Eierschecke an der Autobahn um Rückkehrer zu werben. Wie wollen Sie das machen?
Das wäre eine Aufgabe für die Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Man muss gucken, wo die zwei Generationen nach der Wende hingegangen sind. Das Einfachste wäre, vor Ort in den lokalen Zeitungen Anzeigen zu schalten, mit QR-Code und Jobangeboten. Die Leute kennen die Region, es fehlt ihnen aber vielleicht der Blick für das Angebot hier. Zumal viele hier Eltern haben, die nun in ein Alter kommen, in dem die Kinder sich mehr um sie kümmern müssen.
Ein anderes CDU-Ziel ist die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Wo wollen sie anwerben?
Eine weitere Aufgabe für die Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Sie muss gezielt in die Regionen in Europa gehen, wo Leute herkommen, die die benötigten Qualifikationen mitbringen. Wichtig ist dabei auch die Sprache. In der Chemie reicht oft Englisch, in anderen Bereichen ist Deutsch wichtig.
In Europa haben viele Regionen ein ähnliches demografisches Problem wie der Saalekreis.
Aber teils höhere Arbeitslosenquoten. Es kommen auch andere Länder auf der Welt infrage. Indien hat zum Beispiel viele IT-Experten.
Wie wollen Sie einen Fachmann aus Mumbai bewegen, in den Saalekreis zu kommen?
Fast jeder Mensch hat heute ein Handy. Viele benutzen soziale Medien. Darüber kann man ganz gezieltes Marketing betreiben. Die Region muss in Onlinemedien präsenter werden.
Die CDU will das Basedow-Klinikum in kommunaler Hand erhalten. Das hat wie viele Häuser mit Finanzsorgen zu kämpfen. Der Kreis zeigt bei der Verantwortung auf das Land, das seit langem von der CDU regiert wird. Wie will die hiesige CDU für eine funktionierende Finanzierung des Klinikums sorgen?
Am Ende sind wir davon abhängig, was der Bund für Rahmenbedingungen setzt. Das Klinikum gehört zur Daseinsvorsorge dazu. Es ist wichtig, dass es auskömmlich finanziert ist. Die zwei Mal zwei Millionen Euro, die der Kreistag nun für Investitionen beschlossen hat, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Fakt ist aber: Wir als CDU lassen das Klinikum keinesfalls fallen. Eine Privatisierung ist ausgeschlossen.
Eine große Überschrift im CDU-Programm ist die Digitalisierung der Kreisverwaltung …
Die muss oberste Priorität haben. Die Dienstleistungen, die heute analog angeboten werden, müssen künftig digital gehen. Wir sind ein Flächenlandkreis. Deshalb müssen die Bürger, Anträge von zu Hause stellen können. Dafür ist aber wichtig, dass der Breitbandausbau weiter vorankommt.
Eigentlich sollten alle öffentlichen Verwaltungen spätestens ab 2023 einen breiten Katalog an Leistungen digital anbieten können. Das Onlinezugangsgesetz ist aber fulminant gescheitert. Noch dazu ist die Verwaltungsorganisation Aufgabe des Landrats. Wie wollen Sie die Digitalisierung aus dem Kreistag voranbringen?
Digitalisierung kostet erstmal Geld. Da ist der Kreistag in der Pflicht, das bereitzustellen. Das tut kurzfristig finanziell weh, ist aber notwendig – auch um Ansiedlungen zu gewinnen. Denn Unternehmen wollen heute nicht mehr meterweise Ordner einreichen.
Die CDU fordert den Bau von Radwegen. Wollen Sie ein Förderprogramm auflegen?
E-Bikes schaffen heute 50 bis 80 Kilometer. Die Bürger bewegen sich damit also nicht nur in der eigenen Gemeinde. Das Problem ist, dass das Radwegenetz zwischen den Orten nicht gut genug ausgebaut ist. Die Frage ist, wer macht das. Denn wenn ich einen Radweg baue, muss ich den auch unterhalten. Zudem mangelt es in einigen Kommunen wie Braunsbedra am Personal, das die planen könnte. Die Aufgabe ließe sich aber über eine kreiseigene Gesellschaft erledigen. Die Kommunen könnten das Thema Radwege per Zweckvereinbarung an sie übertragen. Die Finanzen werden sicher ein Hemmschuh sein, aber manchmal hilft es klein anzufangen.
Das sind die Kandidaten der CDU
Die CDU tritt bei der Kreistagswahl am 9. Juni in den vier Wahlkreisen mit insgesamt 48 Kandidaten an. Sie verteilen sich wie folgt:
Im Wahlkreis I (Merseburg-Braunsbedra) treten an: Michael Hayn, Sven Czekalla, Sebastian Müller-Bahr, Ronny Brandt, Ilka Reckmann, Steffen Schmitz, Wolfgang Merbach, Marcel Löffler, Felix Ludwig, Andreas Schwurack, Erich Eckart, Vincent Grätsch.
Im Wahlkreis II (Bad Dürrenberg-Kabelsketal) treten an: Christoph Schulze, Andrej Haufe, Michael Bedla, Bodo Peter Czok, Lucas-Leon Essel, Andreas Gasch, Dietlind Hagenau, Martin Senkbeil, Jürgen Ruscher, Alexander Riedel, Wilfried Jacobi, Cathleen Stahs, Max Simon Otto, Mathias Hesse.
Im Wahlkreis III (nördlicher Saalekreis) treten an: Frank Bommersbach, Michael Scheffler, Christian Raschke, Frank Bujak, Antje Mutschler-Mittmann, Steffen Schulze, Jens Gröger, Markus Hänsel, Grit Eisner, Wilfried Seidowski, Tizian Taube, Dorett Holfeld, Heinz Josef Grobbel, Tommy Paul.
Im Wahlkreis IV (Teutschenthal-Querfurt) treten an: Romy Richter, Kay-Uwe Böttcher, Christian Runkel, Martin Mücke-Freihofer, Matthias Roßner, Albrecht Steup, Mike Leske, Katrin Güttel.