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Kommunalwahl 2024 Sachsen-Anhalt Höchste Wahlbeteiligung und höchste Zustimmung für die AfD - Was ist los im Schnaudertal?

In der Gemeinde Schnaudertal im Burgenlandkreis fühlen sich die Menschen vergessen. Ihren Unmut äußern sie an der Urne.

Von Julius Lukas Aktualisiert: 20.06.2024, 15:49
Die AfD hat in den neun Orten der Gemeinde Schnaudertal so viel plakatiert wie keine andere Partei.
Die AfD hat in den neun Orten der Gemeinde Schnaudertal so viel plakatiert wie keine andere Partei. (Foto: Julius Lukas)

Schnaudertal/MZ. - Würde er etwas Positives über die Ampel sagen – also die im Bund regierenden Parteien SPD, FDP und Grüne – dann, meint der Mann, würde er seinen Namen nennen. „So aber muss ich ja befürchten, gleich wieder als Nazi abgestempelt zu werden“, sagt der 53-Jährige, der für das Gespräch kurz seinen Rasenmäher ausgeschaltet hat. Er habe den Auftritt des SPD-Parteivorsitzenden Lars Klingbeil gesehen, der die AfD am Sonntag als Nazipartei bezeichnet ha be. „Dieser inflationäre Gebrauch des Wortes und dass jeder, der etwas sagt, was nicht passt, gleich rechtsradikal sein soll – das ist so einer der Punkte, der die Leute hier stört.“

Die „Leute hier“, das sind die Menschen in Schnaudertal. Die Gemeinde, durch die der Fluss Schnauder fließt, liegt im Burgenlandkreis, ganz im Süden Sachsen-Anhalts. Bei der Kreistagswahl haben die Einwohner gleich für zwei Spitzenwerte gesorgt: Mit 78,2 Prozent hatte Schnaudertal die höchste Wahlbeteiligung aller Kommunen in Sachsen-Anhalt. Zudem holte die AfD hier 45,2 Prozent der Stimmen – so viel, wie nirgendwo sonst im Land. Beide Ergebnisse zusammengenommen, könnte man sagen: Die „Leute hier“ wollen der Politik etwas sagen.

Denkzettel für Bundespolitik

Zu erfahren, was das ist, ist am frühen Montagnachmittag gar nicht einfach. Menschen sind in den neun idyllisch in der hügeligen Landschaft gelegenen Ortschaften kaum auf der Straße. Will man wissen, was die Einwohner bewegt, muss man klingeln – oder besser: Über den Gartenzaun rufen. Eine, die den Ruf hört, ist Heidi Höfer. „Wissen Sie, wo Schnaudertal liegt?“, fragt die Rentnerin, angesprochen auf die Wahl. „Wir liegen ganz am Ende des Landes – und so fühlen wir uns auch.“ Die Frau aus Bröckau, einem der Schnaudertal-Dörfer, berichtet von Brücken, die seit Jahren nicht gebaut werden und Spielplätzen, die auch mal überholt werden müssten. „Wir werden hier vergessen und das führt zu Frust und das zeigt sich dann im Wahlergebnis.“

Idyllisch liegen die Dörfer des Schnaudertals in der hügelingen Landschaft des Burgenlandkreises.
Idyllisch liegen die Dörfer des Schnaudertals in der hügelingen Landschaft des Burgenlandkreises.
(Foto: Julius Lukas)

Heidi Höfer ist in ihrem Ort sehr aktiv, war Wahlhelferin und ist Mitglied in Dorf- und Feuerwehrvereinen. „Zuletzt ging es oft um die Waffen, die in die Ukraine geliefert werden sollen“, sagt sie. „Viele wollen nicht, dass der Krieg immer weitergetrieben wird, die sagen, die Kriegsparteien gehören an einen Tisch.“ Insofern sei die Wahl auch als Denkzettel zu verstehen. „Da spielte die Bundespolitik schon eine große Rolle.“

Auch andere sehen das so. „Die in Berlin sollen aufhören, immer alles verbieten zu wollen“, raunt in Wittgendorf ein älterer Herr aus seinem Schuppen heraus. Mehr wolle er nicht sagen. Eine Frau, etwa Mitte 30, in deren gepflegtem Garten ein Trampolin und ein Sandkasten stehen, spricht von einem großen Stadt-Land-Gefälle. „Die Politik, zum Beispiel wenn es ums Auto geht, ist doch für uns auf dem Dorf gar nicht gemacht.“

Rechts unten im Land wird rechts gewählt

Rechts unten im Land wird rechts gewählt – das galt bereits bei den vorherigen Urnengängen. Schnaudertal war bei der Zustimmung für die AfD stets weit oben zu finden, mit steigender Tendenz. Bei der Kreistagswahl 2019 kam die Partei auf 23,1 Prozent der Stimmen. Innerhalb von fünf Jahren hat sie ihren Anteil also fast verdoppelt.

Dass der Verfassungsschutz die AfD in dieser Zeit als gesichert rechtsextrem eingestuft hat, stoppte ihren Aufstieg nicht. „Für die Leute spielt das keine Rolle“, meint der Mann mit dem Rasenmäher. Für ihn sei die Wahl ein Zeichen der Wähler gegen die bisherige Migrationspolitik und ein zentralistisches Europa. Die AfD sei nicht so abgehoben. „Ich hatte einen Flyer mit den Kandidaten hier, da waren viele Selbstständige und Handwerker dabei, ganz normale Leute“, sagt der 53-Jährige.

Riss in der Dorfgemeinschaft?

Die Einwohner der Gemeinde Schnaudertal teilen sich in AfD-Wähler und AfD-Nichtwähler. Einen Riss in der dörflichen Gemeinschaft will jedoch am Montag keiner erkennen. „Wir helfen uns hier“, sagt Heidi Höfer. Es gebe viele Feste, der Zusammenhalt sei da. Dass jemand die Rechtsaußen-Partei wählt, kann sie verstehen: „Die AfD spricht an, was die Leute hier beschäftigt“. Die einfachen Botschaften zu Migrations- oder Familienpolitik würden verfangen. „Ob die das selber besser machen würden?“, fragt Heidi Höfer dann und beantwortet die Frage gleich selbst: „Wahrscheinlich nicht“.