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Bundestagswahl 2025

Kommentar zur Koalitionssuche Deutschland braucht eine Vernunftehe, keine Liebesheirat

Die Bildung der neuen Bundesregierung wird nicht einfach, meint MZ-Kommentator Kai Gauselmann. Union und SPD haben sich aber schon mehrfach als Koalitionäre bewährt.

24.02.2025, 17:00
MZ-Kommentator Kai Gauselmann
MZ-Kommentator Kai Gauselmann (Foto: MZ / Stedtler)

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Ausgang der Bundestagswahl nicht jedem schmeckt. Jeder Urnengang teilt die Parteien und ihre Anhänger gnadenlos in Gewinner und Verlierer. Parteiunabhängig muss man allerdings feststellen: Die bundesdeutsche Demokratie lebt und sie funktioniert. Die überragende Mehrheit der Wahlberechtigten hat sich eingebracht, sowohl im Bund als auch im Land ist die Wahlbeteiligung so hoch ausgefallen wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Aus dieser außerordentlich hohen Quote kann man auch ableiten, dass die Mehrheit der Bevölkerung Änderungen wünscht.

Romantische Gefühle sind fehl am Platz

Im Bund haben CDU und CSU mit ihrem Spitzenkandidaten Friedrich Merz keinen überragenden Sieg eingefahren, die Union ist aber deutlich stärkste Kraft. Und weil das BSW in letzter Minute am Einzug in das Parlament vorbeischrammte, wird ein Bündnis mit nur einer weiteren Partei möglich – Merz umwirbt die SPD. Eine Koalition, die es bereits einige Male in der Geschichte der Republik gab, die sich bewährt hat und Stabilität in unsicheren Zeiten verspricht.

Braucht einen Partner zum Regieren: Wahlsieger Friedrich Merz (CDU)
Braucht einen Partner zum Regieren: Wahlsieger Friedrich Merz (CDU)
(Foto: IMAGO/Florian Gaertner)

Eine politische Liebesheirat würde es sicherlich nicht werden, war diese Kombination auch in der Vergangenheit nie. Und das ist auch gar nicht nötig, eine Vernunftehe reicht in diesem Fall. Koalitionspartner müssen keine romantischen Gefühle füreinander hegen, sondern zum Wohl des Landes die Probleme gemeinsam angehen und lösen.

Jetzt sind Führungsstärke und Kompromissfähigkeit nötig

Ein solches Bündnis zu schmieden, wird auch keine Kleinigkeit. Auf dem Weg ins Kanzleramt hat Merz bestenfalls erst die Hälfte des Weges absolviert. Die Union hat im Wahlkampf mit einigen Maximalforderungen geworben, die nicht oder nicht so radikal mit den Sozialdemokraten zu machen sein werden. Beispielhaft sei die Forderung nach einer Abschaffung des Bürgergeldes genannt. Da wird Merz seinen eigenen Laden zusammen- und hinter sich halten sowie gleichzeitig bei der SPD ein Entgegenkommen erreichen müssen. Merz muss also gleichermaßen Führungsstärke und Kompromissfähigkeit beweisen.

Noch-Kanzler Olaf Scholz (re.) tritt bei der SPD zurück ins Glied, Parteichef Lars Klingbeil will auch die Fraktion führen.
Noch-Kanzler Olaf Scholz (re.) tritt bei der SPD zurück ins Glied, Parteichef Lars Klingbeil will auch die Fraktion führen.
(Foto: AFP)

Die SPD wiederum muss die historische Pleite und den Verlust des Kanzleramtes in Rekordzeit verarbeiten und mit einer neuen Führung an der Basis die Bereitschaft für ein ungeliebtes schwarz-rotes Bündnis erzeugen. Auch das wird keine Kleinigkeit. Union wie SPD kann dabei der Druck durch die AfD helfen.

Schäubles düstere Mahnung

Der Ende 2023 verstorbene Wolfgang Schäuble, über Jahrzehnte einer der prägenden politischen Köpfe der Bundesrepublik, soll bei seinem letzten Auftritt in der Unionsfraktion die Abgeordneten sinngemäß gewarnt haben: Nach der nächsten Bundestagswahl müssen die Parteien der Mitte zeigen, dass sie die Probleme des Landes lösen können, sonst übernimmt 2029 die AfD. Mit Blick auf den Erfolg der AfD in Deutschland allgemein und im Osten speziell klingt es jedenfalls plausibel, dass die nächste Bundesregierung nicht nur im eigenen Interesse lieber erfolgreicher als die Ampelkoalition sein sollte.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Die AfD profitiert vom Zeitgeist, überall in Europa sind rechtsextreme Parteien im Mainstream angekommen. Klar, sie wirbt mit einfachen Antworten auf komplexe Fragen, das ist eben das Populistische an der Zuschreibung „Rechtspopulisten“. Das ist aber auch das Recht der AfD als Opposition, sie darf bloß fordern und versprechen und muss nichts machen. Und das gilt ebenso, am anderen Rand, für die deutlich kleinere, aber überraschend wiederauferstandene Linke und die auf die Oppositionsbänke zurückkehrenden Grünen.

Der Souverän, das Volk, hat gesprochen. Jetzt müssen die Gewählten zeigen, dass sie auch verstanden haben.