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WM 1954 WM 1954: Vor 50 Jahren geschah das «Wunder von Bern»

Von Hans-Hermann Mädler 21.06.2004, 14:55
Kapitän Fritz Walter (Mitte) und Trainer Sepp Herberger (r) werden auf den Schultern von begeisterten Anhängern vom Spielfeld getragen, nachdem sie mit ihrer Mannschaft mit einem 3:2-Sieg über Ungarn im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 im Berner Wankdorf-Stadion gewonnen haben (Archivfoto vom 04.07.1954). (Foto: dpa)
Kapitän Fritz Walter (Mitte) und Trainer Sepp Herberger (r) werden auf den Schultern von begeisterten Anhängern vom Spielfeld getragen, nachdem sie mit ihrer Mannschaft mit einem 3:2-Sieg über Ungarn im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 im Berner Wankdorf-Stadion gewonnen haben (Archivfoto vom 04.07.1954). (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Um 18.37 Uhr schlug in den deutschenRedaktionsstuben der Blitz ein: «deutschland fussballweltmeisterdurch 3:2-sieg ueber ungarn». Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) jagteam 4. Juli 1954 die sportliche Sensation mit einer der äußerst seltenbenutzten Blitzmeldungen über den Sender. Auch die Uhrzeit ist einekleine Sensation in einer Zeit, in der jeder Text noch inLochstreifen gestanzt wurde und mit dem Schneckentempo von 60 Baud,also 60 Zeichen pro Minute, auf die Reise ging (heute wird mitmindestens 4800 Zeichen pro Minute gesendet). Denn SchiedsrichterWilliam Ling (England), der das Spiel fünf Minuten vor deroffiziellen Anstoßzeit 17.00 Uhr frei gab, hatte nur 60 Sekundenzuvor im Berner Wankdorfstadion abgepfiffen.

Ein Blick ins dpa-Archiv gibt den Blick frei für die großenVeränderungen, die sich in 50 Jahren in der Berichterstattung überGroßereignisse und auch in der Sprache vollzogen haben. Niemand würdeheute einen Bericht über ein WM-Finale publizieren, der so beginnt:«mit einem 3:2-sieg ueber ungarn im endspiel der fussball-weltmeisterschaft 1954 gewann deutschland am sonntag vor 60 000zuschauern - darunter 5 000 deutsche - den titel. in der letztenviertelstunde sicherte sich die deutsche elf gegen den nachlassendenolympiasieger mit ungebrochener kampfkraft den sieg. denentscheidenden treffer schoss rahn fuenf minuten vor dem abpfiff aufeine flanke von schaefer.» Sendezeit 18.55 Uhr, fast 20 Minuten nachSpielschluss. Heute läuft ein erster Bericht mit dem Abpfiff.

Über das Endspiel berichtete dpa in einer sogenannten Serie, derenerster und zweiter Teil eine Stunde vor Spielbeginn gesendet wurdeund darüber informierte, dass «die schweizer bundesstadt bern amsonntag im zeichen des endspiels um die fussballweltmeisterschaftstand» und dass «ueber die aufstellungen weder der pressechef nochirgendjemand vom organisationskomitee bescheid wusste». Und weil esregnete, konnte der dpa-Sonderkorrespondent auch berichten, dass «dieendspieltips zugunsten deutschlands angezogen hatten, da der glatterasen den ungarn nicht liegen wuerde». Um 17.23 Uhr, eine halbeStunde nach dem Anpfiff, gab es in Teil drei dann dieMannschaftsaufstellungen. Da waren in Bern schon vier Tore gefallen,stand es 2:2.

Diese Tore wurden um 18.14 Uhr nachgereicht in Teil vier, der aberzunächst feststellte, dass Bundestrainer Herberger eine Stunde vorSpielbeginn den aufgeweichten Rasen prüfte, «um das richtigeschuhzeug fuer die deutschen spieler auszuwaehlen». Hier erfährt manauch, dass «schweizer militaer mit stahlhelm vorbeugend zuraufrechterhaltung der ordnung» an den Außenlinien aufzog. Erst inTeil sieben wird um 19.22 Uhr die Entscheidung geschildert: «fuenfminuten vor dem abpfiff brach schaefer auf dem linken fluegel durch.seine flanke nahm der nach innen gegangene rahn auf, lief noch zweischritte und schoss den ball - fuer grosits unerreichbar - zum siegin die linke ecke. der torschuetze wurde von den deutschen spielernvor lauter freude fast erdrueckt.»

Danach allerdings war es nicht anders als heute: Die Politikwollte teilhaben am Erfolg. Also registrierte auch die dpa: «daserste telegramm, das die deutsche mannschaft in bern erreichte,enthielt die glueckwuensche des bundeskanzlers.» Neben KonradAdenauer telegrafierten unter anderem Bundespräsident Theodor Heuss,Bundesinnenminister Gerhard Schröder, SPD-Chef Erich Olllenhauer undder FDP-Vorsitzende Thomas Dehler. Kein Wunder, dass es auch zuberichten gab: «bei der bundespost herrschte hochbetrieb. dasfernmeldeamt in koblenz hatte fuenf minuten nach spielendeanmeldungen fuer 120 blitzgespraeche nach der schweiz vorliegen.»

Auch über die Begeisterung in der Heimat wusste dpa zu berichten:«besonders in den wirtsstuben und gaststaetten (Anm.: mitFernsehgeräten) herrschte grosser andrang, und viele lokalbesitzermussten zulassungskarten ausgeben.» Schlimm dran waren die Münchner,weil in Bayerns Metropole der TV-Empfang noch relativ schlecht war.Und deshalb waren «eine reihe von filmschauspielern, darunter hardykrueger, matthias wiemann, paul dahlke und hans soehnker, nachstuttgart gekommen, um hier das weltfinale am fernsehschirmmitzuerleben.»

Der Fußball-Sonntag, 4. Juli 1954, hatte übrigens agenturmäßig mitfolgender erster Meldung um 12.28 Uhr begonnen: «zu ehren derungarischen fussball-nationalmannschaft haben die ungarischenarbeiter am sonntag sonderschichten geleistet, um die produktion zusteigern. mehrere fabriken sandten glueckwunschtelegramme in dieschweiz, in denen die verbundenheit mit den ungarischenfussballspielern ausgedrueckt wird.» Welch tragische Ironie: Puskas,Hidegkuti und Co. mussten nach der Niederlage heimlich in Ungarneinreisen.

Mannschaftsaufstellung von 1954 (Grafik: dpa)
Mannschaftsaufstellung von 1954 (Grafik: dpa)
dpa