1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. WINTERSPORT: WINTERSPORT: Der Strippenzieher aus Freyburg

WINTERSPORT WINTERSPORT: Der Strippenzieher aus Freyburg

Von Uwe Köster 16.02.2012, 17:03

Altenberg. - Erst Leichtathlet, dann Bobfahrer

Als das Stichwort Freyburg fällt, muss Matthias Benesch wieder lächeln. "Meine Mutter wohnt noch dort, meine Heimat, eine wunderschöne Gegend", schwärmt der 43-Jährige. "Ich fahre immer wieder gerne hin, mache dort schöne Touren mit dem Mountainbike. Und dann gibt's ja ein paar sehr schöne Straußwirtschaften . . ."

In der Jahnstadt begann auch seine sportliche Karriere, damals als Leichtathlet, die ihn über einige Umwege, Höhen und Tiefen schließlich ins sächsische Rodel- und Bobzentrum nach Altenberg geführt hat. An die ersten Übungen als Stabhochspringer an der Unstrut mit Trainer Lutz Meerboth kann er sich noch lebhaft erinnern. Der Junge bewies Talent, besuchte die Sportschule in Halle, übersprang als Jugendlicher immerhin 4,80 Meter. Weil in Halle die Stäbe (Importware aus den USA) immer knapper wurden, wurde er zum SC Einheit Dresden "weiterdelegiert", parallel absolvierte er eine Lehre zum Kfz-Schlosser.

In Dresden stockte die Karriere, die fünf Meter wollten nicht gelingen, "und der kaum ältere Sergej Bubka sprang schon über sechs Meter", erinnert sich Benesch. Eine Perspektive gab es da nicht mehr, doch in Dresden wiederum hielten die Bobleute aus Altenberg nach "gestrandeten" Leichtathleten Ausschau. Dem Stab-Artisten Benesch fehlte es zwar entschieden an Gewicht ("Ich war viel zu dünn, gesucht wurden dynamische 100-Kilo-Leute"), dafür fielen seine sehr guten koordinativen Fähigkeiten auf. Man könne es als Pilot mit ihm probieren, hieß es.

Und plötzlich Privatier

Gesagt, getan. Im April 1988 stieg das Experiment. "Viermal bin ich in einem Bob mitgefahren, dann hieß es: Ran an die Lenkseile", erinnert er sich. Als er in einer Woche 30 Fahrten ohne Sturz (!) absolvierte, war klar: Der Junge hat Talent, der wird Bob-Pilot. So begann der Ex-Leichtathlet im September 1988 sein zweites sportliches Leben an den Lenkseilen bei der SG Dynamo Zinnwald. Es ging gut los. Schon in seinem zweiten Winter (Februar 1990) wurde er Junioren-Vizeweltmeister im Vierer.

Mit der deutschen Einheit änderte sich auch im Sport einiges. "Plötzlich gab es ja viel mehr Fahrer, in Altenberg wurde Dynamo abgewickelt, mit einem Mal war ich Privatier." In einer teuren Sportart hat man da kein leichtes Leben. Zwei Jahre arbeitete Benesch als Mechaniker bei Mercedes, betrieb das Bobfahren als Amateur, "aber mit großer Unterstützung meines Chefs." Als er 1993 mit dem Bob Deutschland III überraschend Junioren-Weltmeister wurde, war das der endgültige Durchbruch.

"Da griff die Förderung, ich kam in die Sportfördergruppe der Bundeswehr, konnte mich von nun an auf den Sport voll konzentrieren." Elf Winter würde er fortan zur Bundeswehr gehören. Höhen (1994 Junioren-Weltmeister, 2001 Europameister am Königssee, 2000 Weltcup-Dritter) und Tiefen wechselten sich ab, die größte Enttäuschung war die verpasste Olympiateilnahme 2002 in Salt Lake City. Nach Platz drei bei den Deutschen Meisterschaften 2003 nominierte ihn Bundestrainer Raimund Bethge nicht für das Weltcup-Team - für Matthias Benesch, inzwischen 34, ein klares Signal: Karriereende.

Fachabitur in Naumburg

Es folgten das Fachabitur Wirtschaft auf der Bundeswehr-Fachschule in Naumburg, dann ein Studium Sportmanagement / Eventmarketing an der Studienakademie Riesa ("Für 30 Plätze gab es 800 Bewerber") mit dem Abschluss Diplom-Betriebswirt - das Leben hielt für Matthias Benesch auch nach dem Sport noch manche Herausforderung bereit. Er bewältigte sie. Und nach einem Anruf des Landrates des Kreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge schloss sich für ihn der Kreis. Der Politiker suchte im Sommer 2007 einen Chef der neu gegründeten Betreiber- und Vermarktungsgesellschaft der Bobbahn, in der der Landkreis die Mehrheit hält. Benesch musste nicht lange überlegen. "Andere machen nach der Karriere ein Piercing-Studio auf, ich konnte an die Lenkseile zurückkehren."

Diese Entscheidung hat er noch nicht bereut. Mit seiner Freundin Jitka, einer Tschechin, hat er sich in Altenberg eingerichtet. Nach dieser "geilen WM" fallen Matthias Benesch spontan zwei Sofort-Wünsche ein: "Es dauert hoffentlich nicht wieder 16 Jahre, bis wir wieder eine WM ausrichten dürfen. Und dann möchte ich bald mal wieder nach Freyburg ..."