Wasserwandern Wasserwandern: Spritztour auf der Diemel
Halle/MZ. - Dann die Entscheidung: Wir fahren! Ein kurzer Adrenalinstoß! Ein paar Spritzer nur, die Turbulenzen waren harmlos.
Wer solche kleinen Kicks liebt, wird die wenig bekannte Diemel mit ihren sportlichen Passagen vielen gemächlicheren Gewässern vorziehen. Das Flüsschen entspringt in der Nähe von Willingen im Rothaargebirge, füllt bald den Diemelstausee und fließt durch hügeliges Mittelgebirge bis zum Sagen umwobenen Reinhardswald. Nach etwa 110 Kilometern mündet es in Bad Karlshafen in die Weser und sorgt dafür, dass diese genug Wasser für die Schifffahrt führt.
Für Kanus ist die Diemel ab dem Fachwerkstädtchen Warburg ganzjährig befahrbar, 46 Flusskilometer für einen Kurztrip von zwei, drei Tagen. Manche Wasserwanderer setzen erst nach Haueda ein, um sich das lästige Umtragen mehrerer Wehre zu ersparen.
Das flinke Flüsschen schlängelt sich durch reizvolles Wiesental, vorbei an steilen Kalksteinfelsen und dicht bewaldeten Hängen. Lichte Berghänge mit seltenen Wacholdersträuchern, sogenannte Kalkmagerrasen, geben der Land-schaft ein fremdländisches Gepräge. Aber aufgepasst! Viel Zeit zum Umherschauen gibt es nicht, denn die Diemel hat es in sich. Baumreste ragen aus dem Fluss und knorrige Weiden lassen ihre Äste tief übers Wasser hängen. Wohltuend still ist's, nur die Vögel zwitschern im Chor. Schlanke Bachstelzen wippen nervös am Ufer hin und her. Wasseramseln jagen dicht über dem Wasser. Am sattgrünen Ufer schwirren Prachtlibellen.
Die Diemel ist eine Naturschönheit, Lebensraum für viele bedrohte Tiere und Pflanzen. Der Eisvogel lebt hier, Lachse wurden wieder angesiedelt und Flussmuscheln möchten auf Sand- und Kiesbänken ihre Ruhe haben. Sie alle brauchen gute Wasserqualität. Die Diemel ist klar und sauber - ein erfrischender Badefluss. Damit sie so schön bleibt, muss sie geschützt werden. Deshalb wird die Zahl der Boote pro Tag zwischen Haueda und der Mündung begrenzt. Jede Fahrt ist beim Regierungspräsidium Kassel oder bei den Kanuverleihern anzumelden.
Wie so manche Schönheit hat die Diemel ihre Tücken. Je nach Witterung und Wasserabgabe des Diemelsees kann der Wasserstand zum Befahren zu niedrig sein. Also vor Reisebeginn Auskunft einholen! An den Ein- und Ausstiegen am Fluss informieren Schilder, ob gefahren werden kann. Wenn nicht, ist eine Tour auf dem Diemelradweg eine echte Alternative.
In den Fachwerkorten entlang des Flusses scheint die Zeit still zu stehen. "600 Einwohner, 250 Schweine, ein paar Hühner und ein Künstler", beschreibt der Künstler Karl F. Hofeditz sein Leben im Dorf Sielen. An schönen Tagen aber fallen Kanuten in sein Künstlercafé am Fluss ein und halten ihn von seiner Arbeit ab. Dann jonglieren er und seine Frau mit Kuchen, Eis und Getränken zwischen den Gästen. Derart gestärkt, ist die elend lange Portage ums Sielener Wehr besser zu bewältigen (unbedingt Bootswagen mitnehmen!).
Bald folgt die Trendelburg, die der Fluss nahezu umrundet. Ein Blick zu den Türmen hinauf und wen wundert's, dass Rapunzel dort ihr Haar herunter gelassen haben soll. Vor dem Wasserschloss Wülmersen schließlich fühlen wir uns mit Mary Poppins in eine englische Parklandschaft versetzt. Touristisch wird es erst am Schluss: Bad Karlshafen, das über einen kleinen Kanal zu erreichen ist. Noch ein paar kräftige Paddelschläge entgegen dem starken Weserstrom, und wir landen in einem Städtchen der besonderen Art. Statt nordhessischem Fachwerk umranden schlichte Barockbauten exakt im Karree den Innenhafen mit seinen Kanälen. Es ist eine Stadt vom Reißbrett, die der aufgeklärte Landgraf Carl zu Hessen-Kassel für die Ansiedlung von Hugenotten als Hafen- und Handelsstadt 1699 gründete.
Auch mit der kleinen Diemel hatte der fortschrittliche Landgraf Großes vor. Er wollte sie schiffbar machen und sie auf dem Wasserweg über Kassel bis Marburg mit der Lahn verbinden. Er ließ Kanäle und Schleusen bauen, 17 Kilometer weit. Mehr nicht. Sein Tod im Jahr 1730 vereitelte allerdings das ehrgeizige Projekt. Reste der Wasserkunstbauten sind an der Diemel noch heute zu sehen.
Jede Fahrt auf der Diemel muss angemeldet werden. Regierungspräsidium, Obere Naturschutzbehörde, Tel. 0561 / 106-0