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Unterwegs nach Timbuktu Unterwegs nach Timbuktu: Eine gemächliche Reise ans Ende der Welt

Von Ulrike Koltermann 26.05.2006, 12:46
Passagiere warten am 11.03.2006 am Flughafen von Timbuktu. Der Weg nach Timbuktu, klingt nach einer Reise ans Ende der Welt. Der Karawanenort, Timbuktu, am südlichen Sahararand war im 15.Jahrhundert Zentrum eines riesigen islamischen Reiches, das seinen legendären Reichtum dem Salzhandel verdankte. Vom Reichtum der alten Karawanenstadt ist nicht mehr viel übrig. Touristen, die mit dem Flugzeug für einen Tag herkommen, sind häufig enttäuscht. (Foto: dpa)
Passagiere warten am 11.03.2006 am Flughafen von Timbuktu. Der Weg nach Timbuktu, klingt nach einer Reise ans Ende der Welt. Der Karawanenort, Timbuktu, am südlichen Sahararand war im 15.Jahrhundert Zentrum eines riesigen islamischen Reiches, das seinen legendären Reichtum dem Salzhandel verdankte. Vom Reichtum der alten Karawanenstadt ist nicht mehr viel übrig. Touristen, die mit dem Flugzeug für einen Tag herkommen, sind häufig enttäuscht. (Foto: dpa) dpa

Timbuktu/dpa. - Klapprige gelbe Taxis und laut knatterndeMopeds bringen Passagiere zum Busbahnhof, Männer in bodenlangenGewändern, manche mit Turban, Frauen in Kleidern aus farbenfrohenStoffen, mit passendem Kopfputz. Vor den Fahrkartenschaltern herrschtGedränge. Wer es schafft, seine Hand mit den Geldscheinen durch dasvergitterte Fenster zu schieben, bekommt ein Zettelchen, auf dem dieRoute angegeben ist. Jeder Kilometer kostet etwa zwei Cent.

Nach Timbuktu fahren keine Busse. Timbuktu, das klingt nach Endeder Welt. Der Karawanenort am südlichen Sahararand war im 15.Jahrhundert Zentrum eines riesigen islamischen Reiches, das seinenlegendären Reichtum dem Salzhandel verdankte. Im Süden Marokkos, wodie Sahara beginnt, steht ein Schild, vor dem sich Touristenfotografieren lassen - Timbuktu 52 Tage. Dahinter verläuft sich dieStraße im Wüstensand. Der Weg nach Timbuktu durch Mali ist einfacherals durch die Sahara, aber abenteuerlich genug. Er führt von Bamakozunächst nach Mopti, 640 Kilometer Richtung Nordosten.

Wenn der Bus abfahrbereit ist, werden die Namen der Passagiereaufgerufen. Wie beim Morgenappell ruft jeder, der genannt wird,«anwesend». Ein Helfer markiert alle Gepäckstücke mit einer Nummerund wirft sie dann in die Luft. Oben auf dem Busdach steht derGepäckchef, der sie auffängt und zu einem kompakten Haufen schichtet,der mindestens die halbe Bushöhe erreicht. Außer Koffern und Taschenstapeln sich dort auch Matratzen, Plastikkanister, Käfige mitlebenden Hühnern, Säcke voller Holzkohle oder Zwiebeln.

Beim Einsteigen fällt unser Blick auf ein vergilbtes Schild überdem Fahrersitz, das auf gewählten Österreicherisch verkündet: «WerteFahrgäste, wir ersuchen Sie, Fahrpreisermäßigungen dem Lenkerunaufgefordert vorzuzeigen.» Wieder eins dieser ausgemustertenFahrzeuge aus Europa, die in Afrika oft noch Jahrzehnte Waren undPassagiere befördern.

Am Stadtrand von Bamako treffen wir auf den ersten Kontrollposten,der durch Bodenwellen und rot-weiß bemalte alte Ölfässer markiertist. Es hängt alles vom Charme und Verhandlungsgeschick desBusfahrers ab, ob der Aufenthalt zehn Minuten oder eineinhalb Stundendauert. Während dieser mit den unterbezahlten Beamten über «jetons»verhandelt, wie Schmiergeld in Mali genannt wird, stürmt das Heer derStraßenhändler an der Sperre den Bus.

Durch Fenster und Türen schieben sich Hände, die Reise-Imbisseanbieten - Erdnüsse, Papayastreifen, Sesamriegel oder Wassereis mitHibiskus- oder Ingwergeschmack in prall gefüllten, zugeknotetenPlastiktütchen. Betteljungen mit alten Konservendosen an Tragriemenkommen angelaufen und rufen «cadeau, cadeau» (ein Geschenk).

Grund zum Anhalten gibt es auf der Strecke noch oft. FürToilettenpausen hat der Fahrer eine der bunt gestreiftenPlastikkannen in Form eines Teekessels dabei, die im ganzen Land weitverbreitet sind. Gegen Mittag und am Abend wollen die männlichenPassagiere außerdem zum Beten anhalten, sei es in einer kleinenMoschee am Straßenrand oder auf den Plastikmatten, die sie im Gepäckdabei haben und ordentlich nebeneinander Richtung Mekka auslegen.

Von der Landschaft ist wegen des Harmattans nicht viel mehr zusehen als die mächtigen Stämme und feinen Verästelungen derBaobab-Bäume im Wüstenstaubnebel. Die Sonne hängt wie ein blasserVollmond am Himmel. Vor niedrigen Lehmbauten sitzen oft Männer inLiegestühlen. In größeren Dörfern scharen sich die Jugendlichen umeinen Kicker mit grob geschnitzten Holzfiguren. Um halb sieben ist esstockdunkel. Zwölf Stunden nach Abfahrt kommt der Bus in Mopti an.

Am nächsten Morgen versprüht Keita Optimismus. Der junge Mann ineinem leuchtend rosa Boubou, dem weiten Obergewand über einergleichfarbigen Hose, sammelt Passagiere für die Weiterfahrt nachTimbuktu. «Wir sind so gut wie komplett», sagt er. Den Satzwiederholt er alle ein, zwei Stunden und bietet den Wartenden starkengrünen Tee mit viel Zucker an, den er in einer kleinen Emaillekanneauf einem winzigen Kohleofen aus Blech zubereitet.

An der Uferstraße des Niger schreiten Frauen mit großen Schüsselnaus ausgehöhlten Kürbissen auf dem Kopf zum Markt von Mopti. Einigehaben die Mundpartie mit Indigo dunkelblau gefärbt. Ein Mann fährtmit einem Fahrrad vorbei, auf beiden Seiten des Lenkers hängen Hühnermit den Köpfen nach unten. Ab und zu klappert ein Pferdekarren miteiner Großfamilie vom Land auf dem bunt bemalten Anhänger inRichtung Mopti.

Am späten Nachmittag ruft Keita seine Helfer herbei, um dasAutodach zu beladen. Es ist ein alter Landcruiser, der seine bestenTage lange hinter sich hat. Seitenspiegel gibt es ebenso wenig wieSicherheitsgurte. Auf dem Kühler steht nur noch «OTA», die Buchstaben«TOY» sind abgefallen. Wo mal ein Radio war, hängt bunterKabelsalat. Die Reifen haben so gut wie kein Profil mehr, aberes gibt immerhin einen Reservereifen, den wir auch bald brauchenwerden.

Unter den 14 Passagieren, die auf wundersame Weise ins Wageninnerepassen, sind mehrere Tuareg mit meterlangen Tuchbahnen um Kopf undHals, die nur die Augen frei lassen, ein Marabout - eine Arttraditioneller Psychiater -, und eine junge Mutter mit einem Säuglingund einem Fünfjährigen. Bei Sonnenuntergang geht es endlich los,zunächst allerdings nur ein paar Kilometer. Dann merkt der Fahrer,dass er sein Mobiltelefon vergessen hat. Er hält einen Mopedfahreran, verhandelt kurz mit ihm und fährt dann mit dessen Moped zurücknach Mopti, um das Telefon zu holen.

Bei der ersten Panne freuen sich die Reisenden noch, dass sie sichdie Beine vertreten und im feinen Wüstensand ausstrecken können.Später scheint das Auto immer gerade dann zu mucken, wenn man sichmit seinem Sitznachbarn arrangiert hat, wer sich anlehnen undschlafen kann. Allmählich entwickelt sich das Gefühl, Teil einerkleinen Schicksalsgemeinschaft zu sein.

Bevor es richtig in die Wüste geht, halten wir zum Abendessen. Vordem Nachthimmel zeichnet sich die Silhouette einer Lehmmoschee ab.Aus dem gedrungenen Minarett ragen die dicken Holzstangen desGerüstes wie die Stacheln eines Kaktus'. Ein junges Mädchen rührt ineinem großen Kessel auf dem Feuer und teilt dann Reis und Tomatensoßeaus. Männer und Frauen gruppieren sich je um eine Plastikschüssel.Wir tunken Brot in die Sauce und essen mit der rechten Hand direktaus der Schüssel.

Beim Licht einer einzigen Petroleumlampe ist das Essen kaum zusehen. In Paris gibt es ein Restaurant, wo man teuer dafür bezahlt,im Dunkeln zu essen. Es schmeckt tatsächlich intensiver, wenn alleinder Geschmackssinn über die Qualität des Essens entscheidet.

Gegen Mitternacht muss die Reise erneut unterbrochen werden. Wirsind am Nebenarm des Nigerflusses angekommen, und der Fährmann istlängst in sein Dorf zurückgekehrt. Einige legen sich zum Schlafen inden weichen Ufersand. Wer keine Decke dabei hat, bleibt lieber imAuto, denn nachts wird es empfindlich kalt. Im ersten Morgenlichtgleiten Pinassen auf dem Fluss vorbei, lange, schlanke Boote, die mitHolzstangen vorwärts gestakt werden. Das nahe liegende Dorf wachtauf. Hähne krähen, Esel schreien, Frauen holen Wasser im Fluss, dassie in großen Tonkrügen auf dem Kopf balancieren.

Zum Frühstück, das aus Reis und Fisch besteht, halten wir in einemDorf namens Niafunké. Es ist die Heimat des Musikers Ali Farka Touré,der den «Mali Blues» international bekannt gemacht hat. Am Endeseiner Karriere hatte er sich in Niafunké zum Bürgermeister wählenlassen. Das kleine Rathaus ist mit Geldern der deutschenEntwicklungshilfe gebaut. Ali Farka Touré starb im März, kurz bevorer ein neues Solo-Album veröffentlichen wollte.

Wie der Fahrer die Route findet, scheint ein Rätsel. Es geht überSanddünen, die von Ginsterbüschen bewachsen sind. Immer wieder maldrehen die Reifen im Sand durch, und alle müssen aussteigen undschieben. Es geht nur langsam voran. Am frühen Nachmittag erreichenwir eine steinige Piste mit rot-weißen Kilometersteinen, auf denenTimbuktu steht. Die Sonne knallt aufs Auto, es sind mindestens 40Grad. Noch 30 Kilometer. Und wieder bleibt der alte Landcruiserstehen. Noch eine Panne? Nein, kein Benzin mehr.

Wütend oder genervt ist niemand. «Wallahi!», «Ach Gott, ach Gott!»ruft die junge Mutter und lacht schallend. Dann lässt sie sich imSchatten einer dornigen Akazie nieder und gibt ihrem Kleinen dieBrust. Nach etwa einer Stunde kommt ein gnadenlos überladener Pickupvorbei und nimmt unseren Fahrer mit einem leeren Kanister auf demDach nach Timbuktu mit. Nach weiteren vier Stunden kommt er in einemLastwagen zurück und kippt das Benzin mit Hilfe eineraufgeschnittenen Plastikflasche in den Tank.

Vielleicht war es gute Fügung, dass wir Timbuktu im freundlichenAbendlicht erreichen. Die niedrigen Lehmhäuser mit abgerundeten Eckenleuchten rötlich. In den sandigen Gassen reiten Kinder auf Eseln. Fürdie gut 900 Kilometer haben wir etwa 24 Stunden gebraucht.

Vom Reichtum der alten Karawanenstadt ist nicht mehr viel übrig.Touristen, die mit dem Flugzeug für einen Tag herkommen, sind häufigenttäuscht. «Endlich in Timbuktu! Wieder ein Jugendtraum zerstört»,hat ein Besucher ins Gästebuch des Heinrich-Barth-Hauses geschrieben.Der in Hamburg geborene Forscher verbrachte Ende des 19. Jahrhundertsunter dem Decknamen Abdel Karim mehrere Monate in Timbuktu und gingdort völkerkundlichen Studien nach.

Heute hat Timbuktu Mobilfunknetz und ein Internetcafé. Doch amOrtsrand, wo die ersten Dünen beginnen, kommen noch immer dieKamelkarawanen an, die Salzplatten aus der Sahara bringen. BeiEinbruch der Dunkelheit beten dort einige Männer in einer derschlichtesten Moscheen der Welt - ein Halbkreis aus Steinen im Sand,der in Richtung Mekka zeigt.

Kinder spielen am 11.03.2006 am Straßenrand auf dem Weg nach Timbuktu zwischen Bamako und Mopti in Mali Kicker. Der Weg nach Timbuktu klingt nach einer Reise ans Ende der Welt. Eine abenteuerliche Reise mit dem Überlandbus von Bamako durch Mali nach Timbuktu steht bevor. In größeren Dörfern scharen sich die Jugendlichen um einen Kicker mit grob geschnitzten Holzfiguren. (Foto: dpa)
Kinder spielen am 11.03.2006 am Straßenrand auf dem Weg nach Timbuktu zwischen Bamako und Mopti in Mali Kicker. Der Weg nach Timbuktu klingt nach einer Reise ans Ende der Welt. Eine abenteuerliche Reise mit dem Überlandbus von Bamako durch Mali nach Timbuktu steht bevor. In größeren Dörfern scharen sich die Jugendlichen um einen Kicker mit grob geschnitzten Holzfiguren. (Foto: dpa)
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Zwei alte Männer gehen am Minarett einer Lehmmoschee in Timbuktu am 11.03.2006 vorbei. Der Karawanenort Timbuktu am südlichen Sahararand war im 15.Jahrhundert Zentrum eines riesigen islamischen Reiches, das seinen legendären Reichtum dem Salzhandel verdankte. Der Weg nach Timbuktu, klingt nach einer Reise ans Ende der Welt. Es war eine abenteuerliche Reise mit dem Überlandbus von Bamako nach Timbuktu. (Foto: dpa)
Zwei alte Männer gehen am Minarett einer Lehmmoschee in Timbuktu am 11.03.2006 vorbei. Der Karawanenort Timbuktu am südlichen Sahararand war im 15.Jahrhundert Zentrum eines riesigen islamischen Reiches, das seinen legendären Reichtum dem Salzhandel verdankte. Der Weg nach Timbuktu, klingt nach einer Reise ans Ende der Welt. Es war eine abenteuerliche Reise mit dem Überlandbus von Bamako nach Timbuktu. (Foto: dpa)
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