Unterricht nach eigenen Wünschen: Schule gründen
Berlin/dpa. - In Deutschland darf jeder eine Schule gründen - aber das ist nicht so einfach. Trotzdem gehen immer mehr private Betreiber an den Start - manche, um den eigenen Kindern die bestmögliche Bildung zu bieten. Manche, um Geld zu verdienen.
Eigentlich sei sie eine Frohnatur, zupackend und zuversichtlich, beschreibt sich Angela Boltze. Nur als Schulgründerin sei sie schon mal in ein tiefes Loch gefallen. «Ich bin oft fassungslos, wie schwer einem das Engagement gemacht wird.» Angela Boltze ist Hamburger Unternehmerin und Mutter. Gemeinsam mit dem Pädagogen Axel Beyer hat sie das Konzept für die «Moderne Schule Hamburg», kurz MSH, auf die Beine gestellt. Leicht ist es ihrer Erfahrung nach nicht, eine eigene Schule zu gründen. Neben den richtigen Mitstreitern braucht es vor allem gute Planung.
Die MSH will Kinder individuell fördern und für eine globale Gesellschaft ausbilden. So sollen die Schüler beispielsweise vom Kindergarten an auch von chinesischen und englischen Muttersprachlern betreut werden. Ein ehrgeiziges Projekt, für das Boltze und Beyer zwei Jahre benötigten.
«Das funktionierte nur, weil wir nur zu zweit und uns einig waren», sagt die Unternehmerin. Für eine Schulgründung benötige man zudem ein funktionierendes Netzwerk aus Architekten, Rechtsanwälten, Finanz- und Bildungsberatern. Vor allem seien aber Humor und Frustrationstoleranz gefragt, um sich von immer neuen Formularen und Vorschriften nicht abschrecken zu lassen.
Die Gründung von privaten Schulen ist ein Grundrecht, verankert in Artikel 7, Absatz 4 des Grundgesetzes. Für die Genehmigung gilt jedoch das sogenannte Gleichwertigkeitsgebot. Demnach muss die Ersatzschule in ihren Zielen, der Ausstattung und Qualifikation ihrer Lehrer den Standards der öffentlichen Schulen im jeweiligen Bundesland entsprechen. Anerkannt sind laut Statistischem Bundesamt rund 3000 allgemeinbildende Privatschulen. Das entspricht einem Anteil von acht Prozent - in England sind dagegen rund 40 Prozent aller Schulen privat geführt, in den Niederlanden 70 Prozent.
Die privaten Gründer in Deutschland holen jedoch auf: Rund 100 neue Schulen kommen jedes Jahr hinzu. Die Initiativen greifen zum Beispiel entweder auf die Pädagogik von Waldorf oder Montessori zurück oder entwickeln neue Lernkonzepte. Das hat etwas mit dem neuen Bewusstsein für Bildung und der Pisa-Studie zu tun. Aber auch mit der demografischen Entwicklung: «So mancher Kommunalpolitiker fördert Gründungen, weil die staatliche Schule an seinem Standort geschlossen wird», erklärt Werner Landwehr von der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS Bank) in Bochum.
Die GLS finanziert Schulgründungen. Über Kleinstbürgschaften von maximal 3000 Euro finanzieren die Gründer die ersten fünf Jahre: So lange dauert es in der Regel, bis die Kredite zurückgezahlt werden können, denn die öffentliche Förderung setzt mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen erst nach einer Bewährungsfrist von im Schnitt drei Jahren ein und wird nicht rückwirkend gezahlt. «Daher benötigen die nicht-öffentlichen Schulen für den Start eine solide wirtschaftliche Planung», erklärt Landwehr. Viele Initiativen vernachlässigen zudem die Kommunikation nach außen. Wird nämlich aus den Gründungsplänen ernst, schwindet häufig die Zahl der Engagierten.
Susanne Gerald-Wildburg von der Reformschule Speyer kennt das Problem: Bis zu 40 Stunden wöchentlich engagiert sich die Mutter, um aus der anerkannten Grundschule eine weiterführende Schule zu machen - allerdings nur ehrenamtlich. Werner Landwehr rät hingegen zu einer professionellen, vollberuflichen Verwaltung: «Das rechnet sich auf jeden Fall.»
Schule machen könnte hier das Beispiel der Berliner Phorms AG. «Wir sind auch eine Elterninitiative», sagt die Vorstandsvorsitzende Béa Beste. Allerdings eine, die sich aus Unternehmensberatern, Unternehmern und einer BWL-Absolventin zusammensetzte. Aus dem Anliegen, eine bessere Schule für die eigenen Kinder zu gründen, entsprang die Idee, ein Netzwerk von bilingualen Schulen zu schaffen: «Bisher sind es vier Schulen, in fünf oder sechs Jahre sollen es 40 sein», sagt Beste. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit investiert sie für Phorms, aber nicht ehrenamtlich: «Ich bekomme dafür Anteile.»
Den Vorwurf, Bildung zu kommerzialisieren, will die Gründerin nicht durchgehen lassen: «Wer weniger verdient, muss bei uns auch weniger Schulgeld zahlen.» Allerdings sind auch die Beiträge für niedrige Einkommen von 80 oder 200 Euro für viele Eltern zu hoch. Die Schulen könnten die Desintegration bildungsferner Schichten verstärken, fürchtet die Berliner Initiative «Schule im Kiez». Auch eine Elterninitiative - nur eben gegen private Schulgründungen.