TSG 1899 Hoffenheim TSG 1899 Hoffenheim: Märchen geht weiter
Sinsheim/dpa. - Freundlich grüßen Passanten in TV-Kameras und Foto-Objektive. Das Fußball-Märchen hält an. Mitatemberaubendem Tempo-Fußball haben die Jungs von 1899 Hoffenheim amSonntag den Hamburger SV entzaubert und die Hanseaten von derTabellenspitze der Bundesliga gestürzt. «Wahnsinn», «phänomenal»,«gigantisch» - Superlative bestimmen nach dem Wochenende und dem 3:0Sieg die Stimmung in dem 3300-Einwohner-Ort. «Da findet man keineWorte mehr», sagt Tankstellen-Pächterin Ingrid Kunkel. Ihre Stimmeschwankt zwischen unbändiger Freude und Rührung: «Das ist einfach nurschön.»
Die Geschäfte der 59-Jährigen florieren. Sie besitzt die einzigeTankstelle im Dorf, am Ortseingang und unmittelbar neben demVereinsheim des TSG 1899 Hoffenheim. Seit dem kometenhaften Aufstiegdes Fußballvereins in die Bundesliga gehören Journalisten undKameraleute zu ihrer Stammkundschaft. Versteht sich von selbst, dassdie blau-weißen «Hoffe»-Fanartikel zum Sortiment gehören. «DieSpieler strahlen so eine Freude aus. Da kann man doch nuroptimistisch sein», schwärmt sie und verkauft schnell für zehn Euroeinen Fan-Schal. «Mein Vater hat gesagt, ohne Schal darf ich nichtmehr mit», sagt Kundin Tamara Weitz und grinst verlegen.
«Unsere Jungs haben allen gezeigt, dass sie wunderbaren Fußballspielen können», sagt Ortsvorsteher Karl-Heinz Hess strahlend. «Vonwegen alles nur gekauft. Das Konzept wirkt mehr als alles Geld»,betont der Landwirt mit Blick auf Neiddebatten und Anfeindungengegenüber Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp. Das Engagement desMilliardärs und Gründers des Softwaregiganten SAP für seinenHeimatort ist legendär, hat aber viele Feinde - vor allem seit demrasanten Aufstieg in die Erste Bundesliga. Mit dem Sieg über den HSVwurden die Anfeindungen jedoch weniger und es gab Lobeshymnen vonganz oben, beispielsweise von Bundestrainer Joachim Löw.
«Das war ja auch einfach Wahnsinn», schwärmt KrankenschwesterCornelia Breunig und fachsimpelt mit den Söhnen Andre (12) undChristoph (14), beide Mitglied im TSG. Das Haus der Familie ist seiteinigen Monaten blau-weiß gestrichen. Familienvater Heribert hatte imMai angekündigt, im Fall des Aufstiegs sein Haus entsprechendanzustreichen. Hoffenheim-Präsident Peter Hofmann gefiel das so sehr,dass er nach dem Aufstieg die Farbe spendierte. «Sollten wir auchnoch die Meisterschaft schaffen, wäre das Dach dran», setzt nunGattin Cornelia Breunig einen drauf. Obwohl das Haus nicht nur Freudehervorruft. «Tomaten haben sie uns schon rangeschmissen», schildertdie 47-Jährige.
Den echten Fan schreckt das nicht. Und Ortsvorsteher Hess mahnt:«Es ist nicht immer Tag der Hoffenheimer.» Auch Niederlagen gehörtendazu, sagt er und klingt fast wie «Hoffe»-Trainer Ralf Rangnick. «Dasist eine Geschwindigkeit, mit der haben wir alle nicht gerechnet»,sagt der Bürgermeister von Sinsheim, Achim Keßler (SPD): «Da kann manes mit der Angst bekommen.»
Hoffenheim ist ein Stadtteil der 35 500-Einwohner-Stadt Sinsheim,in der für rund 60 Millionen Euro die neue Spielstätte der Profi-Kicker entsteht. Das 1999 gebaute Dietmar-Hopp-Stadion auf dem Bergdes malerischen Örtchens ist nicht erstligatauglich. Im Januar solldas neue Stadion, das Sinsheim als einzigem Standort in Baden-Württemberg die Teilnahme an der Frauen-WM 2011 bescherte, fertigsein.
Solange spielt 1899 Hoffenheim im benachbarten Mannheim. Im Glanz,den die TSG 1899 Hoffenheim ausstrahlt, sonnt sich nach Ansicht vonMannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) die ganze Rhein-Neckar-Region. «Die sympathische Mannschaft rückt die Metropolregion und denderzeitigen Spielort Mannheim ins Blickfeld des Fußballinteresses inDeutschland», ist Kurz überzeugt. Sein Wunsch für die Elf: «Dass sienach den "Mannheimer Big Points" auch im eigenen Stadion auf derErfolgsspur bleiben.»