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Torsten Körner Torsten Körner: Rühmann und die Nazis

04.03.2002, 09:34
Heinz Rühmann und seine dritte Ehefrau Hertha
Heinz Rühmann und seine dritte Ehefrau Hertha dpa

Berlin/dpa. - Rühmann sei ein «durch und durch deutscher Schauspieler» mit«vielen Masken» gewesen, schreibt der Filmregisseur und Freund derRühmann-Familie, Michael Verhoeven («Das schreckliche Mädchen»), inseinem Vorwort zu der Biografie. Rühmann sei ein unpolitischerKünstler gewesen, was ihm manchmal «den vernichtenden Vorwurf desOpportunismus» eingebracht habe. «Künstler, die das System nichtbekämpft haben, haben das System bestärkt. Auch mit harmlosestenKomödien. Und auch, wenn sie glaubten, mit Harmlosigkeiten dem Systemzu entgehen.» In Rühmann könne man sein Publikum wieder erkennen. Vorallem aber sei er der letzte große deutsche Star des 20.Jahrhunderts.

Es ist das Verdienst dieser Biografie, die ambivalente Haltungbeider Seiten - Rühmanns und der Nazis - zueinander möglichst fakten-und quellenreich darzustellen. Sie zeigt Rühmanns Bemühungen, seineFilmkarriere zielstrebig fortzusetzen und sich dabei große Freiheitenherauszunehmen, ohne sich propagandistisch zu sehr aus dem Fenster zuhängen. «Er mogelte sich durch, er lavierte und war deshalb schwereinzuordnen», betont der Biograf.

Erwähnt werden aber auch die «Grenzfälle», wie der Film «Quax, derBruchpilot», der 1945 von den Alliierten als Disziplinierungsfilm mitstarkem militärischem Gestus zunächst verboten wurde. OderWochenschauszenen mit Rühmann in Uniform als «Kurierflieger» derWehrmacht und ein «Familienfilm» zum Geburtstag von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels 1940 mit den Goebbels-Kindern.Auch im Wehrmachts-«Wunschkonzert» trat Rühmann mit Kollegen auf(«Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern»). «Wer Privilegienim Dritten Reich genoß, musste sie auch bezahlen», heißt es dazu indem Buch.

Die Biografie zeigt aber auch das Misstrauen der Nazis gegen denpopulären Schauspieler ebenso wie ihr Hofieren, weil sie wussten,welchen «Ablenkungs-Stellenwert» Unterhaltungsfilme für die breiteMasse gerade in schweren Zeiten darstellen können. Diese Ambivalenzgeben am besten die unterschiedlichen Tagebuch-Notizen des für denFilm zuständigen Ministers Goebbels wieder: «Kein besonders guterRühmann-Film. Aber für den Krieg schon zu gebrauchen.» (31. Oktober1939 über «Hurra, ich bin Papa!»). Dann wieder: «Heinz Rühmannbenimmt sich reichlich unverschämt. Ich lasse ihn warnen.»

Letztendlich fand sich Rühmanns Name aber bis zum Schluss desKrieges auf jener legendären «Gottbegnadeten-Liste» der Nazis vonKünstlern wieder, die vom Kriegsdienst befreit bleiben sollten. UndRühmanns Verbindungen zu dem Fliegerheld Ernst Udet und AbwehrchefWilhelm Canaris war es zu verdanken, dass der leidenschaftlicheFlieger auch während des Krieges weiterhin fliegen durfte.

Der letzte Film mit Rühmann, den die Kinobesucher nachanfänglichen Widerständen im Funktionärsapparat, vor allem aus demErziehungsministerium, zu sehen bekamen, war die unsterblichePennäler-Komödie «Die Feuerzangenbowle», uraufgeführt am 28. Januar1944 in Berlin - auf dem Höhepunkt bzw. dem sich abzeichnenden Endedes Zweiten Weltkriegs. Einige der Darsteller der Oberprimanererlebten die Premiere des Films schon nicht mehr.

Torsten Körner: «Ein guter Freund. Heinz Rühmann. Biografie.», Aufbau-Verlag, Berlin, 479 S., 25,51 Euro, (ISBN 3-351-02525-4)