Tischtennis-EM Tischtennis-EM: Größte deutsche EM-Pleite seit 1988

Aarhus/dpa. - Die gescheiterte Mission EM-Gold endete für TimoBoll und Co. in einem Debakel. Mit nur einer Bronzemedaille für dasHerren-Doppel Timo Boll/Christian Süß erzielte der DeutscheTischtennis-Bund (DTTB) bei der Europameisterschaft in Aarhus dieschlechteste Ausbeute seit 17 Jahren. Erstmals in der Amtszeit vonCheftrainer Dirk Schimmelpfennig stand kein DTTB-Akteur in einem dersieben Endspiele. Ein Jahr vor der Mannschafts-WM in Bremen ergebendas mangelhafte EM-Resultat und der unsägliche Streit in der DTTB-Führung ein trist-trauriges Erscheinungsbild.
Als Titelverteidiger Wladimir Samsonow (Weißrussland) sich amSonntag zum dritten Mal nach 1998 und 2003 die EM-Krone im KönigreichDänemark aufsetzte und den Rekord des Schweden Mikael Appelgreneinstellte, war 2002-Sieger Boll längst auf der Heimfahrt. Wegeneines Arzttermins am Montag nahm der im Einzel frühzeitiggescheiterte Top-Favorit nicht an der Siegerehrung teil. Österreichholte durch die gebürtige Chinesin Liu Jia und das Herren-Duo WernerSchlager/Karl Jindrak zwei Titel und wurde mit zwei Mal Gold, zweiMal Silber und ein Mal Bronze erstmals in 47 Jahren erfolgreichsterVerband.
«Wir haben unsere Ziele nicht erreicht und gehören zu denVerlierern dieser EM. Ich übernehme die volle Verantwortung, bin abernicht bereit, zurückzutreten», erklärte Schimmelpfennig. «Ich binunzufrieden», sagte Eberhard Schöler, Vizepräsident Leistungssport imVerband. Zwischen ihm und DTTB-Präsident Walter Gründahl, der währenddes Turniers vom Südwest-Verband erneut zum Rücktritt wegenfinanzieller Unregelmäßigkeiten aufgefordert wurde, herrscht nacheigenen Angaben seit Monaten Funkstille. Beide haben in Aarhus zweiTage im gleichen Hotel gewohnt, aber kein Wort miteinander geredet.
Dafür wurde im Aktivenkreis und Umfeld schon vor der EM viel überdie umstrittene Nominierung geredet. «Wir haben zu knapp nominiertund zu lange und zu negativ darüber diskutiert», räumte derCheftrainer ein. Knackpunkt des EM-Debakels war die unerwartete 1:3-Niederlage der Herren gegen Rumänien am zweiten Tag. «Dieser Schockhat uns massiv in den Gliedern gesteckt», sagte Herren-Coach RichardPrause. Der Trainerstab setzte nach Platz zwei bei der Team-WM 2004in Katar auch bei der EM auf Routiniers wie Jörg Roßkopf und TorbenWosik und verschob den Umbruch.
«Unsere Rechnung ist nicht aufgegangen. Aber Trainer und Spielerhaben die Aufstellung gemeinsam getragen. Dennoch ist die Zeit desDoha-Teams in Aarhus zu Ende gegangen», stellte Schimmelpfennig fest.«Es war eine riskante Nominierung. Aber ich bin Spieler, und keinTrainer», sagte Boll. Das klang nicht nach bedingungsloser Loyalität.Der Weltranglisten-Vierte verlor gegen den Rumänen Adrian Crisan undim Einzel-Achtelfinale gegen den Russen Alexej Smirnow zwei Partiengegen so genannte Angstgegner, die ihm vom Spielsystem nicht liegen.So richtig schien ihn das aber nicht zu berühren.
«Ich wollte schon Europameister werden, doch mein Hauptziel sinddie Weltmeisterschaften in drei Wochen in Shanghai. Ich habe es hieretwas lockerer angehen lassen, es haben mental ein paar Prozentgefehlt. Die Spannung war nicht so, wie sie in China sein wird»,sagte der EM-Champion von 2002. Er nahm das frühe Aus recht locker(«Einen Tag läuft es gut, den anderen nicht so gut»), haderte mitTischen und Bällen («Das hat nicht nur mir ganz schön gestunken») undhakte das Turnier schnell ab: «Ich will so schnell wie möglich raushier.»
In Shanghai hofft die Trainer-Riege auf ein Stück Rehabilitierung.«Vielleicht können wir etwas von dem wieder gut machen, was wir hierverpasst haben», sagte Prause. Im «Reich der Mitte» hängen dieTrauben für die DTTB-Akteure, von denen Zoltan Fejer-Konnerth(Grenzau) und Nicole Struse (Kroppach) als Beste in Aarhus bis insViertelfinale kamen, allerdings hoch. Zuletzt gewannen die früherenWeltmeister Jörg Roßkopf/Steffen Fetzner eine Medaille bei einerIndividual-WM. Und das war 1989 in Dortmund.