The Inchtabokatables The Inchtabokatables: Schlachtenlärm statt Tomatenfisch
Berlin/MZ. - Ganz zuletzt muss etwas ganz entsetzlich schief gegangen sein. Irgendeine komplizierte Soundmaschine ausgefallen vielleicht. Der Trommler betrunken. Der Klinkenstecker vom Mikrophon nicht richtig eingestöpselt. Man weiß es nicht. Herausgekommen jedenfalls ist "Unsatisfied", das Eröffnungsstück des "Mitten im Krieg" genannten neuen Album der Inchtabokatables. Einer Band, die seit ihrem ersten Auftauchen vor zehn Jahren vor allem im Osten Deutschlands mit flott gegeigtem Folk-Punk kultische Verehrung genoss.
"Unsatisfied" aber nun scheppert und stottert, ächzt und dröhnt. Mittendrin verschwindet die Musik und nur ein Atmen bleibt übrig, der Gesang schallt wie eine Ansage aus einem fernen Flugzeughangar herüber und außer einem Bass, der brummt wie unter Rin denmulch vergraben, ist kaum ein Instrument zu erkennen. Kein einfacher Stoff, den die fünf einstigen Folkmusikanten ihren Fans da zumuten.
Allerdings hatten sie es zuletzt auch nicht mehr gar so leicht. Die Erfolgswelle, die Sänger B. Breuler, Cellist B. Deutung, Bassmann Moeh, Geiger Herr Jeh und Trommler Titus bis in die Hitparaden getragen hatte - spätestens mit dem programmatisch gemeinten Album-Doppel "Quiet" und "Too Loud" war sie verebbt. Eine auf Druck der Plattenfirma produzierte Single floppte, wenig später kündigten die Manager den Musikern den Vertrag. "Besser so", sagen die heute.
Die Inchtabokatables haben die Zeit ohne Bindungen und ohne Verpflichtigen genutzt, neu anzufangen: Weg mit fleißig fidelnden Violinen, mit den galoppierenden Folk-Melodien und den zwischen Schwachsinn und Zynismus oszillierenden Texten. Selbst B. Breuler ist nicht mehr da. Mit seiner Glatze, die jetzt frisches Blondhaar deckt, hat sich Robert Beckmann auch gleich des obskuren Decknamens entledigt.
Auf "Mitten im Krieg" raunzt und murmelt er zu computergerührten Klangwolken, statt Spaß-Folk Marke "Tomatenfisch" gibt es viel leisen Schlachtenlärm und strenge Song-Skulpturen. Irland, die Pogues, das Mittelalter, barocke Tänze - was immer die Musik der Inchies ehemals speiste, jetzt ist es verschwunden. Die neuen Lieder, sie sind wie mit schwarzer Tinte auf schwarzes Papier gemalt.
Sechs, sieben, acht Minuten lang rumpelt ein Schlagzeug, eine Geige kreischt und Satzfetzen schweben vorbei. Langsam schaukeln sich Songs wie "Closed Eyes" und "Come With Me" voran, ohne Melodie, fast ohne Refrain. Lange genug hat es gedauert, doch auf ihrem sechsten und interessantesten Album verabschieden sich die fünf Berliner aus der Popmusik. "Mitten im Krieg" klingt wie eine Mischung aus Einstürzenden Neubauten und Tom Waits, nicht wie das Alterswerk der Vorväter all der Subway To Sallys und Corvus Corax, die inzwischen die Tanzböden bevölkern.
Für Ruhm und Reichtum wird das nicht langen. Viel zu ernsthaft für die Spaßgesellschaft dröhnt ein Stück wie "Healing Hands", viel zu verschroben reimt Beckmann Seelenpein und Liebesleid zu wimmernden Celli. Kein Radiosender wird das spielen, kein Großsponsor sich für die Tour aufdrängen.
Die Inchtabokatables sind also wieder da, wo sie angefangen haben: Vielleicht nicht die wärmste, dafür aber auch nicht die langweiligste Ecke im Popmusikgeschäft.