Tennis Tennis: Emmrich tritt aus dem Schatten seines Vaters
Solingen/Halle (Saale)/MZ. - Kaum ist Martin Emmrich von den Australian Open ins heimische Solingen zurückgekehrt, ist es vorbei mit Glanz und Glamour. Die leidigen Alltagspflichten warten. Druckerpapier zu besorgen stand ganz oben auf der Liste. Denn: "Ich musste für das letzte Quartal noch ein paar Dinge in meiner Steuererklärung nachreichen."
Martin Emmrich aus Magdeburg ist Tennis-Profi. Und das vergangene Jahr war das erfolgreichste seiner Karriere. Da ruft natürlich das Finanzamt. Viel wichtiger für ihn aber war, dass sein sportlicher Aufschwung im September auch ganz konkrete Folgen hatte. Patrik Kühnen, der damalige Kapitän des deutschen Davis-Cup-Teams, lud den 28-jährigen Linkshänder nach Hamburg ein.
Emmrich ist ausgewiesener Doppel-Spezialist. Also sollte er das Duo Philipp Petzschner und Benjamin Becker auf den Relegationsgegner Australien einstellen. Als Trainingspartner, notfalls aber auch als Ersatzmann. "Das war ein riesen Ereignis für mich", schwärmt Emmrich. "Einfach dabei zu sein, das Nationaltrikot zu tragen und die Hymne mitzusingen, das war wie ein Ritterschlag."
Vater Thomas war eine Ikone
Martin Emmrich gehört unverändert zum erweiterten Kader, nimmt regelmäßig an den Spieler-Treffen teil. Auch wenn er in dieser Woche nicht mit nach Argentinien geflogen ist, wo sich Deutschland in der ersten Runde der Weltgruppe ab Freitag mit den Gastgebern misst.
"Das ist etwas zu weit weg, um als Trainingspartner dabei zu sein", meint Emmrich. Doch mittelfristig ist sein Ziel sowieso ein anderes: mehr als nur Ersatzmann zu sein und einmal ein Match für Deutschland bestreiten zu dürfen.
Das erfolgreiche Jahr 2012 hat für neues Selbstbewusstsein gesorgt. Und so kann Martin Emmrich heute auch wesentlich lockerer mit seinem scheinbar unüberwindbaren Problem umgehen: dem übermächtigen Erbe seines Vaters. Denn Thomas Emmrich war unstrittig die Ikone des weißen Sports in der ehemaligen DDR. 48 nationale Meistertitel erspielte sich der heute 59-Jährige, 31 davon im Doppel und Mixed.
Unglaubliche 16 Jahre lang blieb er im Doppel ungeschlagen. "Mittlerweile", sagt sein Sohn Martin, "empfinde ich aber keinen Druck mehr. Früher war das krass. Es fühlte sich bei Erfolgen oft so an, als ob mein Vater gewinnen würde - nicht ich selber."
Erst der Abschied von Magdeburg im Jahr 2002 - ein Jahr zuvor hatte seine Karriere als Tennis-Profi begonnen - erlaubte es ihm, sein eigenes Profil zu formen. Und das Hineinschnuppern ins Davis-Cup-Team sowie sein Sieg beim ATP-Turnier im Oktober in Wien mit seinem Doppel-Partner André Begemann waren weitere Schritte auf dem Weg, sich von dem schweren Erbe des Vaters zu lösen.
Eines hat er seinem Papa auf alle Fälle voraus. Martin Emmrich darf heute das internationale Sportlerleben führen, das seinem Vater als DDR-Bürger immer verwehrt worden war. Der durfte, nachdem Tennis 1968/69 aus der leistungssportlichen Förderung herausgenommen wurde, nicht mehr an Turnieren im sogenannten kapitalistischen Ausland teilnehmen.
Ganz anders sein Sprössling. Der absolvierte im vergangenen Jahr 31 Turniere. Selbst für vielbeschäftigte Tennis-Profis ist das enorm. Madrid, US Open in New York, Wimbledon. Gerade erst schied er bei den Australien Open in der ersten Runde aus.
Was wie ein Traumleben klingt, belastet aber das Portemonnaie. Nur dank seiner Preisgelder - im vergangenen Jahr rund 56 000 Euro - und 30 000 Euro von Sponsoren ist der Aufwand möglich. 86 000 Euro Jahres-Budget? "Das klingt für Außenstehende viel", sagt Emmrich. Übrig bleibe nach Flügen, Hotels und den Ausgaben für seinen Trainer Karsten Saniter jedoch nicht viel. Aber: "Man verdient okay. Sonst würde ich was anderes machen."
Ziel: Unter die Top 20
Und er macht es immer besser. Noch 2010 hatte er als Ziel ausgegeben, unter die Doppel-Top-60 der Welt zu kommen. Damals war er die Nummer 109. Heute, gut zwei Jahre später, hat Emmrich sein Ziel erreicht und sogar übertroffen. Am 14. Januar wurde er auf Platz 50 der ATP-Weltrangliste geführt.
"Ich hoffe, dass dort noch nicht Endstation ist", betont er - und setzt sich gleich neue Ziele. Gerne würde er noch weitere 30 Plätze nach oben klettern. Die Zeit habe er. Zwar sei er schon 28 Jahre alt. "Aber im Doppel traue ich mir zehn weitere Jahre zu", sagt Emmrich. Denn diese Spielvariante sei weit weniger anstrengend als das Einzel. Und seine Lebensjahre stünden eh nur auf dem Papier: "Ich fühle mich nicht wie 28, ich fühle mich fit."
Fit genug jedenfalls, um weiter nach oben zu schauen. Aber auch schon so alt, dass er sein Pensum dieses Jahr deutlich runterschrauben will. "Je erfolgreicher ich bei ATP-Turnieren bin", erklärt Emmrich, "desto weniger Turniere muss ich insgesamt spielen." Denn ATP-Siege bedeuten mehr Ranglistenpunkte - und höhere Prämien. Das Finanzamt würde sich sicher freuen.